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SPRACHE/522: Sprachen in der Schule - Chinesisch oder Englisch? (idw)


Universität Leipzig - 20.03.2008

Sprachen in der Schule: Chinesisch oder Englisch?

Der Bundeskongress des Gesamtverbandes Moderne Fremdsprachen (GMF) tagt in Leipzig. Über 750 Fremdsprachenlehrer informieren sich zur aktuellen Forschung im Bereich des Fremdsprachenunterrichts; besonderes Augenmerk gilt dem Partnerland China.


Zeit: 27. März 2008 bis 29. März 2008
Ort: Universität Leipzig
Campus Jahnallee
Jahnallee 59 (Sportforum)
Leipzig

Unter dem Motto "Qualität entwickeln. Neue Wege in Unterricht und Lehrerbildung" bietet der Kongress allen Interessierten aus Schule, Wissenschaft und Bildungspolitik ein Forum zur Weiterbildung und zur Diskussion aktueller Fragen zur Qualität des gegenwärtigen und zukünftigen Fremdsprachenunterrichts in Deutschland.

Im Interview gibt Prof. Dr. Norbert Schlüter, Professor für Didaktik des Englischen als Fremdsprache und stellvertretender Tagungspräsident, Einblicke in aktuelle Fragen der Sprachvermittlung:

FRAGE: Wer trifft sich hier in Leipzig zum Bundeskongress?

ANTWORT: Sprachlehrer der gesamten Vielfalt der Fremdsprachen: Vertreter der großen Sprachen wie Englisch, Französisch und Spanisch, aber auch an deutschen Schulen seltener vorkommende Sprachangebote wie Chinesisch, Niederländisch und Tschechisch sind auf dem Kongress in Leipzig vertreten. Nach dem Gründungskongress des GMF in Nürnberg findet jetzt in Leipzig der erste Bundeskongress statt. Der Präsident des GMF ist Prof. Meißner (Uni Gießen, Fachdidaktik Romanistik), der von Mitgliedern der einzelnen Fremdsprachenlehrerverbände im Präsidium unterstützt wird. Von der Universität Leipzig ist dort Prof. Dr. Erwin Tschirner (Herder-Institut, Deutsch als Fremdsprache/Zweitsprache) vertreten.

FRAGE: Warum ist bei diesem Bundeskongress China das Partnerland?

ANTWORT: Der GMF wollte bewusst auch Sprachen einbinden, die nicht zu den hauptunterrichteten Sprachen an deutschen Schulen gehören. Wir haben uns sehr bemüht, die Zusammenarbeit mit den Vertretern des Chinesischen zu entwickeln. Die Sprache ist natürlich nicht so präsent wie traditionelle Fremdsprachen, aber es gibt erste Ansätze, Chinesisch auch an Schulen zu unterrichten. Top-Fremdsprache ist weiterhin Englisch, aktuell ist Spanisch im Aufwind, wogegen Französisch im Moment etwas an Boden verliert.

FRAGE: Warum nimmt Französisch ab und Spanisch zu?

ANTWORT: Das ist schwer zu sagen. Das liegt ein bisschen an der Popularität der einzelnen Sprachen. Spanisch erfreut sich zur Zeit großer Beliebtheit, weil damit fast der ganze südamerikanische Kontinent bereist werden kann. Zudem verstärkt das Image von Spanien als Urlaubsland die Entwicklung genau wie die industriellen Entwicklung der spanischsprachigen Länder. Als Wirtschaftssprache ist Spanisch dadurch relevanter als Französisch. Zahlenmäßig interessieren sich deutsche Schüler daher eher für Spanisch als für Französisch.

FRAGE: Da die "Hauptfremdsprachen" recht klar definiert sind, wo liegen denn die Entwicklungen im Bereich der Zweitsprachen?

ANTWORT: Sicherlich auch verstärkt im Slawischen. Neben Russisch werden in Leipzig auch die westslawischen Sprachen angeboten, z.B. Polnisch, Tschechisch und Sorbisch. Auf dem Kongress gibt es daher die Sektion Westslawische Sprachen. Da Schüler immer öfter zwei Fremdsprachen lernen, ist es besonders wichtig, den Vorgang des Sprachenlernens zu vermitteln, so dass Sprachen auch nach der Schulzeit ohne Lehrer weitergelernt werden können. Weiterhin sollten Sprachen nicht isoliert nebeneinander gelernt werden. Bei verwandten Sprachen kann man von dem bereits erlernten Wortschatz und bestimmten grammatischen Strukturen profitieren.

FRAGE: Wie sieht es denn mit der Sprache des Partnerlandes Ihres Kongresses aus? Welchen Stellenwert hat Chinesisch in der Schule?

ANTWORT: In Leipzig gibt es eine Reihe von Grundschulen mit Chinesisch im AG-Bereich, ebenso wie dort teilweise bereits Arabisch angeboten wird. Dass Chinesisch eine Mainstream-Sprache wird, ist im Moment nicht zu erwarten. Man kann auch nicht alle Sprachen ab der dritten Klasse anbieten, das geht einfach nicht. - Die Frage ist eher, ob sich die Entwicklung fortsetzt, die erste Fremdsprache ab Klasse eins anzubieten - so wie es jetzt schon in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz der Fall ist. Nordrhein-Westfalen wird ab dem kommenden Schuljahr den Fremdsprachenunterricht in das zweite Halbjahr der ersten Klasse vorverlegen. Das könnte eine Signalwirkung auf die anderen Bundesländer haben.

FRAGE: Wie sieht der Fremdsprachenunterricht in der ersten Klasse aus? Ist das dann Unterricht im Sinne von Grammatik oder eher spielerisch?

ANTWORT: Weder noch. Es geht um die kindgerechte Vermittlung von Sprache. Da wird zu Zeit noch sehr viel ausprobiert. So gibt es beispielsweise im Unterricht verwendete Handpuppen, die nur die Fremdsprache sprechen. Wenn die Kinder sich also mit der Handpuppe unterhalten wollen, müssen sie die Fremdsprache sprechen. Die Kinder sollen am Anfang aber erst einmal viel zuhören. Wenn sie überhaupt sprechen, dann, um in den Rhythmus der Sprache hineinzukommen, mit Liedern und Chants. Das hat nichts mit einem grammatikorientierten Sprachunterricht zu tun. Ich würde aber auch nicht sagen, dass das eine rein spielerischen Angelegenheit ist, denn es geht ja durchaus um den unbewussten Aufbau einer kommunikativen Sprachkompetenz.

FRAGE: Es soll nicht allein um Grundschulunterricht gehen, welche neue Entwicklungen, Forschungen wollen Wissenschaftler und Lehrer miteinander besprechen?

ANTWORT: Unter anderem wird es um Bildungsstandards im Fremdsprachenunterricht gehen. Die Kultusministerkonferenz (KMK) hat bundeseinheitliche Bildungsstandards eingeführt und möchte das Erreichen dieser Standards überprüfen lassen. Dabei hilft auch der Europäischen Referenzrahmen mit seinen "can do"-Formulierungen. Es geht aber auch um Lehr- und Lernmaterialien, Mediale Lernumgebungen, Lernerautonomie, Lernstrategien, Lernberatung sowie um Standards für die Lehreraus- und -weiterbildung und weitere Themenbereiche.

FRAGE: Können Kurzentschlossene noch an dem Kongress teilnehmen?

ANTWORT: Ja. Obwohl bereits knapp 800 Anmeldungen vorliegen, haben wir Platz für weitere Teilnehmer. Es besteht die Möglichkeit, sich direkt am Konferenzort anzumelden. Das Tagungsbüro befindet sich in der Eingangshalle Nord des Sportforums in der Jahnallee 59. Für Studierende des Universitätsverbunds Leipzig-Halle-Jena ist die Teilnahme kostenlos.

Weitere Informationen unter:
http://www.uni-leipzig.de/gmf
Alle Informationen zum Fremdsprachenkongress
http://www.uni-leipzig.de/~philol/
Weitere Informationen zu einem Sprachstudium an der Universität Leipzig

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution232


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Leipzig, Dr. Manuela Rutsatz, 20.03.2008
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. März 2008