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SPRACHE/630: Wie Migranten eine zweite Sprache lernen (idw)


Friedrich-Schiller-Universität Jena - 10.06.2009

Wie Migranten eine zweite Sprache lernen

Bernt Ahrenholz ist neuer Lehrstuhlinhaber für Auslandsgermanistik an der Universität Jena


Jena (10.06.09) Mitte der 1950er Jahre kamen die ersten Arbeitsmigranten nach Deutschland. Und mit ihnen erwuchs die wissenschaftliche Fragestellung, wie Erwachsene im fremden Umland eine zweite Sprache lernen. Die Beantwortung dieser Frage gehört zu den Kernthemen von Prof. Dr. Bernt Ahrenholz von der Universität Jena. Der neue Lehrstuhlinhaber für Auslandsgermanistik/Deutsch als Fremd- und Zweitsprache (DaF/DaZ) widmet seine Forschungen jedoch inzwischen stärker Kindern und Jugendlichen, die eine Zweitsprache lernen, und vertritt damit eine höchst aktuelle Forschungsrichtung.

Dabei wollte der gebürtige Westersteder eigentlich Lehrer werden und absolvierte das Zweite Staatsexamen in Deutsch und Sozialkunde. Doch er geriet früh in Berührung mit Migranten und Asylsuchenden, denen er Deutsch beibrachte - erst, um Geld zu verdienen, dann weil es ihn "faszinierte, wie sich das Sprachenlernen entwickelt". Den heute 56-Jährigen führte die Beschäftigung mit Deutsch als Fremdsprache dann für sechs Jahre an die Universität in Bari (Italien), wo er als Lektor des Deutschen Akademischen Austauschdienstes praktische Sprachvermittlung betrieb. Diese Erlebnisse und die permanente Notwendigkeit, "eigene Unterrichtsmaterialien entwickeln zu müssen", führten Ahrenholz 1990 zurück in die Wissenschaft, "um die praktischen Erfahrungen in der Lehrerausbildung umzusetzen".

In seiner Dissertation, die er 1996 an der Freien Universität Berlin abschloss, untersuchte Ahrenholz den Erwerbsprozess bei italienischen Deutschlernern in einem konzeptorientierten Ansatz. Sein klares Fazit: "Lexikalische Mittel kommen immer vor grammatikalischen" beschreibt er am Beispiel modaler Konzepte. Wenn ein Lerner deutlich machen will, ob etwas notwendig oder möglich ist, stützt er sich stark auf die Verwendung der prototypischen Modalverben "müssen" und "können", während deutsche Muttersprachler implizitere Markierungen verwenden und sich auf Kontextwissen beim Hörer beziehen.

In seiner Habilitation (2004) über den Gebrauch von Demonstrativa beschäftigt sich Ahrenholz mit Forschungsfragen, die ihn bis heute bewegen: Wie sind bestimmte Sprachbereiche aus linguistischer Sicht beschrieben? Was lässt sich über den tatsächlichen Sprachgebrauch, insbesondere in der gesprochenen Sprache, sagen? Wie werden diese Sprachbereiche in der Migrationssituation in und durch alltägliche Kommunikation erworben? Welche Verfahren ihrer Vermittlung finden sich in der DaF-/DaZ-Didaktik und Lehrwerkschreibung? Dieses Forschungsfeld führte den "Corpuslinguisten" über die Mitarbeit in zahlreichen auch internationalen Projekten und Vertretungsprofessuren 2007 auf die Professur für Deutschdidaktik der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg und nun an die Saale.

In Jena, wo er den Studierenden vor allem "die Lernerperspektive" beim (Zweit)Spracherwerb näher bringen will, wird er sein Augenmerk verstärkt auf die jüngeren Lerner richten, ohne die Erwachsenen aus dem Blickfeld zu verlieren. Die Bedingungen des Zweitspracherwerbs bei Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund, die Möglichkeiten der Sprachförderung, aber auch die Rolle des Alters im Zweitspracherwerb sowie prinzipielle Unterschiede zwischen dem unterrichtlich gesteuerten Fremdspracherwerb und dem ungesteuerten Zweitspracherwerb sowie den existierenden Mischtypen sind dabei zentrale Themen, für deren Untersuchung der sozial engagierte Wissenschaftler an der Universität eine "Arbeitsstelle Deutsch als Zweitsprache" einrichten möchte, und in der auch die interdisziplinäre Website "www.daz-portal.de" angesiedelt sein soll, die von Ahrenholz und Kolleginnen und Kollegen anderer Universitäten betrieben wird.

Weitere Informationen unter:
http://www.daz-portal.de
http://www.uni-jena.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution23


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Friedrich-Schiller-Universität Jena, Axel Burchardt, 10.06.2009
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Juni 2009