Schattenblick →INFOPOOL →BUCH → FAKTEN

BIBLIOTHEK/531: Guter Geist nicht nur zur Weihnachtszeit - Ehrenamtliches Engagement für Bibliotheken (dbv)


Deutscher Bibliotheksverband e.V. - Themenservice vom 21. Dezember 2012

Guter Geist nicht nur zur Weihnachtszeit

Viele Angebote in Bibliotheken sind nur durch die Arbeit von Ehrenamtlichen möglich. Bundesweit engagieren sich mehrere zehntausend Menschen in diesem Bereich. Sie lesen Schulkindern vor oder helfen bei den Hausaufgaben. In vielen ländlichen Gebieten managen sie sogar die gesamte Bibliothek. Damit dieser Einsatz für alle Beteiligten gelingt, ist viel Know-how und Fingerspitzengefühl nötig.



Bis sich die bunte Kinderschar zu einer ruhigen Gruppe von Zuhörern mausert, dauert es meist ein paar Minuten. Einige der Sechs- bis Neunjährigen turnen noch ein bisschen, andere erzählen sich etwas. Doch als ihre Vorleserin das Wort ergreift, wandelt sich das turbulente Chaos blitzschnell in gespannte Ruhe. Denn heute steht ein neues Abenteuer der Piratentochter Pippi Langstrumpf auf dem Programm - und da will keiner der kleinen Zuhörer auch nur eine Zeile verpassen.

Das Projekt Lesewelten ist eine Vorlese-Initiative der Stadtbibliothek und der Freiwilligen-Agentur Kölns. "Es ist ein ganz wichtiges Angebot zur Lese- und Sprachförderung", sagt Judith Petzold, die Kommunikationsleiterin der Bibliothek. "Durch das Vorlesen vermitteln wir den Kindern von klein auf Spaß an der Literatur und ein Gefühl für Sprache." Doch aus eigenen Mitteln könnte die Bibliothek einen solchen Aufwand nie bewältigen. Möglich machen das rund 50 speziell geschulte Kölner Bürger, die regelmäßig und ehrenamtlich kommen, um die Kinder eine Stunde lang in die fantastischen Welten zu entführen.

Ehrenamtliches Engagement spielt in der Bibliotheksarbeit eine wichtige Rolle. Mehrere zehntausend Menschen spendieren bundesweit einen Teil ihrer Freizeit, um sich in den Bildungs- und Kultureinrichtungen gänzlich ohne kommerzielles Interesse zu betätigen. Sie lesen Kita- oder Schulkindern vor, sie helfen bei den Hausaufgaben oder bringen Bücher, CDs oder DVDs zu Menschen, die selbst nicht mehr in die Bibliothek kommen können. "Mit ihrer Arbeit bereichern Ehrenamtliche den Bibliotheksalltag", sagt Ralph Deifel von der Bayerischen Staatsbibliothek und Vorstandsmitglied beim Deutschen Bibliotheksverband e.V. (dbv). "Doch damit dieser Einsatz reibungslos läuft, ist auf beiden Seiten Einsatz und Fingerspitzengefühl gefragt." An vielen Stellen müsse diese ganz spezielle Zusammenarbeit fein justiert werden, um ein Gewinn für alle zu sein.


Vielfältige Funktionen

Bürgerschaftliches Engagement ergänzt oder unterstützt den Bibliotheksalltag vielerorts. "Die Leseförderung und die Hausaufgabenbetreuung sind zwei der klassischen Bereiche, in denen Ehrenamtliche zum Einsatz kommen", sagt die Kölnerin Judith Petzold. "Hier ergänzen sie unser Angebot, indem sie Aufgaben übernehmen, die nicht zu den Kernaufgaben unserer hauptamtlichen Mitarbeiter zählen." Schließlich müssten die Hauptamtlichen dort die fachlichen Tätigkeiten wie Ausleihe, Bestandserfassung oder Auskunft erledigen.

In der Stadtbibliothek Köln sind insgesamt 87 Ehrenamtliche tätig. "Bürgerschaftliches Engagement hat in unserer Stadt traditionell einen hohen Stellenwert", sagt Petzold. "Deshalb haben wir stets ausreichend Bewerber." So werde es möglich, verschiedene Projekte anzubieten. Neben den Lesewelten trägt ein weiteres beispielsweise den Namen 'Ran ans Lesen'. Darin stellen ehrenamtliche Mitarbeiter einmal im Monat Kindern aus offenen Ganztagsschulen drei Bücher zu einem Thema vor. "Das ist für die Vorleser einiges an Aufwand", sagt Petzold. "Schließlich müssen sie die Bücher nicht nur vorstellen, sondern sie zuvor auch lesen und sich eine griffige Zusammenfassung überlegen."

Aufmerksam zuhörende Kinder schauen mit der Vorleserin ins Buch. - © Foto: Leo Pompinon

Viele Vorlese- und Sprachförderungs-Initiativen sind nur durch den Einsatz Ehrenamtlicher möglich.
© Foto: Leo Pompinon

Kommen sich die Haupt- und die Ehrenamtlichen dabei nicht schnell in die Quere? "Die Verzahnung der Tätigkeiten funktioniert bei uns ausgezeichnet", sagt Judith Petzold. "Denn die Aufgaben sind klar voneinander abgegrenzt." So würden beispielsweise im 'Ran-ans-Lesen-Projekt' die drei Bücher von hauptamtlichen Mitarbeitern ausgesucht. "Das ist schließlich eine fachliche Aufgabe, für die man eine spezielle Ausbildung braucht", sagt Petzold. Das Vorstellen der Bücher übernähmen dann die Ehrenamtlichen, die wiederum für diese Tätigkeit geschult worden seien.


Ohne Ehrenamt keine Grundversorgung auf dem Land

"Die Aufgaben, die Ehrenamtliche für die Bibliotheken übernehmen, sind enorm wichtig", sagt auch Ralph Deifel. "Gerade in ländlichen Bereichen gehen ihre Aufgaben oft über diese Zuarbeit weit hinaus." Dort übernähmen sie auch leitende Funktionen in kleinen Büchereien. So sei sichergestellt, dass es in diesen Gegenden überhaupt eine Bibliotheksversorgung gebe.

Die Rolle von Ehrenamtlichen könne man in diesem Bereich nicht hoch genug schätzen, sagt Claudia Lutz, die stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Evangelischen Literaturportals. "Ohne deren Engagement könnten wir unser Angebot in vielen Gegenden nicht anbieten." In den öffentlichen Bibliotheken in kirchlicher Trägerschaft sind überwiegend Ehrenamtliche tätig. "Dort übernehmen sie oft die gesamten Aufgaben in Bibliotheken." Das reiche von der Medienbeschaffung über die Ausleihe bis zur Leitung. "Die Kirche arbeitet traditionell mit Ehrenamtlichen zusammen", sagt Claudia Lutz. "Da haben sie vielerorts eine tragende Rolle." In den gut 800 evangelischen Bibliotheken bundesweit engagieren sich knapp 5.500 ehrenamtliche Mitarbeiter. In den gut 3.200 katholischen Büchereien sind es sogar über 30.000 Ehrenamtliche.

"Ohne die Arbeit der Ehrenamtlichen sähe es mit der Bibliotheksversorgung in vielen ländlichen Bereichen düster aus", sagt auch Michael Sanetra, Referent der Geschäftsleitung im katholischen Sankt Michaelsbund aus Bayern. "Man kann diesen Einsatz nicht hoch genug schätzen." Doch gleichwohl gäbe es auch Grenzen. Ab einer gewissen Größenordnung müsse eine Bibliothek von hauptamtlichem Personal geleitet werden. "Bei einer bestimmten Zahl von Öffnungsstunden oder bei einem bestimmten Medienbestand ist das keine Aufgabe mehr, die man ausschließlich ehrenamtlich erfüllen kann", meint Sanetra.

Diese Einschätzung teilt der dbv. Er fordert deshalb für Gemeinden ab 5.000 Einwohnern flächendeckend den Betrieb hauptamtlich geleiteter Bibliotheken. "Fachpersonal ist in diesen Bibliotheken unverzichtbar", sagt Ralph Deifel. "Ein Bauamt würde man doch auch nicht durch einen Hobby-Handwerker leiten lassen."

Gerade in größeren Kommunen, die Sparzwängen unterlägen, würden auch immer wieder Überlegungen laut, die Bibliotheksarbeit komplett auf Ehrenamtliche zu übertragen, weiß Michael Sanetra. "Doch das wäre fatal." Ehrenamtlichkeit dürfe nicht als Alibi missbraucht werden. "Wer auf diese Weise Kosten einsparen wollte, würde zugleich auch unweigerlich die schon bestehende bibliothekarische Qualität vor Ort beschneiden."

Gerade von den kirchlichen Büchereiverbänden werden die Ehrenamtlichen speziell auf ihre Aufgaben vorbereitet. Neben dem persönlichen Austausch sowie einzelnen Fortbildungen und Veranstaltungen gibt es auch Grundkurse. In den evangelischen kirchlichen Einrichtungen beispielsweise dauern sie acht Tage. "Darin werden die Grundlagen der Bibliotheksarbeit vermittelt", sagt Claudia Lutz. Für die ehrenamtlich geführten Bibliotheken gebe es die Empfehlung, dass mindestens einer der Mitarbeiter einen solchen Kurs besucht haben sollte. Ähnlich ist es in den katholischen Einrichtungen. Dort umfasst ein Grundkurs zwölf Unterrichtseinheiten. Darüber hinaus können sich Ehrenamtliche für evangelische Bibliotheken in einem drei Jahre lang laufenden Kurs zur Fachkraft für Bücherei-Arbeit qualifizieren. Für die Arbeit in den katholisch getragenen Büchereien wird die Ausbildung zum Bücherei-Assistenten angeboten. In rein ehrenamtlich getragenen Bibliotheken werden die Mitarbeiter zudem von Verbänden, staatlichen oder kirchlichen Fachstellen oder anderen hauptamtlichen Stellen intensiv unterstützt.


Eine persönliche Bereicherung für alle

Den Wert ehrenamtlichen Engagements wissen die Bibliothekare landauf landab zu schätzen. "Eine bundesweite Umfrage unter Bibliothekaren hat durchweg eine positive Einschätzung ergeben", sagt Ralph Deifel. Acht von zehn Befragten meinten demnach zum Beispiel, dass Ehrenamtliche wichtige Brücken in die Zivilgesellschaft bauen und das Image der Bibliotheken verbessern. Fast ebenso viele meinten, dass die Zufriedenheit der Kunden steigt. "Diese Erfahrungen können wir nur bestätigen", sagt Judith Petzold aus Köln. Zudem sei die Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen immer auch eine persönliche Bereicherung für die hauptamtlichen Mitarbeiter.

Schülerin macht unter Anleitung des Hausaufgabenbetreuers Einträge in ihr Heft. - © Foto: Leo Pompinon

Auch die Hausaufgabenbetreuung wird in vielen Bibliotheken von Ehrenamtlichen übernommen.
© Foto: Leo Pompinon

Die hohe Bedeutung der bürgerschaftlichen Engagements hat Bundespräsident Joachim Gauck Anfang Dezember gerade erst wieder betont als er 26 Ehrenamtlichen den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland verliehen hat. "Das ist eine wichtige Wertschätzung", sagt Michael Sanetra. "Es muss ja nicht immer gleich ein Orden sein. Aber eine angemessene Anerkennung ist wichtig und richtig." Die Dankbarkeit könne man auch über gemeinsame Feste oder über Einladungen zum Ausdruck bringen.

Meist sind es Menschen, deren Lebenssituation es zulässt, anderen Menschen einen Teil ihrer Zeit zu widmen. "Man muss auch klar sehen, dass das Ehrenamt in Bibliotheken fast ausschließlich von Frauen getragen wird", sagt Michael Sanetra. Sie engagierten sich etwa in ihrer Familienphase oder wenn sie neben ihrem Beruf etwas zum Gemeinwohl beitragen wollten. "Ich mache zudem die Erfahrung, dass sich das Ansehen ehrenamtlicher Tätigkeit derzeit wandelt", sagt Claudia Lutz. "Mein persönlicher Eindruck ist es, dass vermehrt jüngere Menschen zu uns kommen."


Immer wieder sonntags

Wie vielfältig die Aufgaben der Ehrenamtlichen sind, zeigt ebenfalls die Stadtbibliothek Köln. Im Stadtgarten steht ein ungewöhnliches kleines Holzhäuschen, das Bücherbüdchen 'minibib'. Dort stehen rund 1000 Bücher für eine besondere Ausleihe bereit: Ohne Ausweis und Registrierung können sich die Besucher kostenlos eines der Bücher mitnehmen. Spätestens nach zwei Wochen sollen sie es einfach wieder zurück bringen. "Das funktioniert erstaunlich gut", erzählt Karin Odening. "Nach unseren Aufzeichnungen kommen tatsächlich neun von zehn Büchern zurück." Die 46-Jährige ist eine von insgesamt 15 Ehrenamtlichen, die den Betrieb der minibib aufrecht erhalten. Jeden zweiten Sonntag verbringt sie einige Stunden hier.

"Ich habe schon längere Zeit nach einer Möglichkeit gesucht, mich ehrenamtlich zu engagieren", sagt die gelernte Buchhändlerin. "Als ich dann von einer Freundin von der Arbeit in der minibib gehört habe, war ich von Anfang an begeistert." Da Karin Odening ganztags in einem Verlag arbeitet, spendiert sie nun jeden zweiten Sonntag einen Teil ihres Nachmittags.

In der minibib nimmt sie ausgeliehene Bücher zurück, erklärt neuen Besuchern das Konzept oder sortiert die Bestände. "Diese Aufgabe ist sehr vielfältig", sagt sie. Im Sommer kämen Besucher, um sich für einige Stunden ein Buch auszuleihen, das sie dann im Park lesen. In den Schulferien gebe es Vorlese-Aktionen für Kinder. "Mir macht der Austausch mit so vielen unterschiedlichen Menschen großen Spaß", sagt Karin Odening.

Viele der Bücher in der 'minibib' sind gespendet worden. Einige stammen aus der Auflösung anderer Bibliotheksbestände oder den Beständen von Bücherbussen. "Neuwertig und aktuell sollten die geschenkten Bücher schon sein", sagt Karin Odening. "Schließlich wollen wir unseren Besuchern ein attraktives Angebot machen." Eine Ecke ist ausschließlich mit Kinder- und Jugendbüchern gefüllt. "Die minibib ist damit auch ein Instrument der Leseförderung", sagt Judith Petzold. "Wer hier den Spaß an Literatur entdeckt, hat später sicherlich auch Lust, öfter mal in die Stadtbibliothek zu kommen." Ohne die Ehrenamtlichen würde hier eine große Lücke klaffen.

Weitere Informationen:
http://www.bibliotheksverband.de/dbv/themen/ehrenamt-in-bibliotheken.html

KASTEN
  Um in Bibliotheken ehrenamtlich tätig zu werden, sollten Interessenten über folgende Fähigkeiten verfügen:

  • Spaß an Literatur und am Lesen
  • Freude am Umgang mit Menschen
  • Flexibilität und die Bereitschaft, an Schulungen teilzunehmen (auch an EDV)
  • Zuverlässigkeit
  • Gern gesehen sind spezielle Fähigkeiten etwa in bestimmten Schulfächern für die Hausaufgabenbetreuung

(Autor: dbv)

*


Die bundesweite Aktionswoche "Treffpunkt Bibliothek" wurde in diesem Jahr bereits zum fünften Mal vom Deutschen Bibliotheksverband e.V. (dbv) koordiniert. Vom 24. bis 31. Oktober 2012 präsentierten sich Bibliotheken in ganz Deutschland als Partner für Medien- und Informationskompetenz sowie für Bildung und Weiterbildung. Sie veranstalteten Lesungen, Ausstellungen, Workshops, Events, Bibliotheksnächte und viele weitere Aktionen, die im gemeinsamen Terminkalender zu finden sind: www.treffpunkt-bibliothek.de.

Der Deutsche Bibliotheksverband e.V. (dbv)
Im Deutschen Bibliotheksverband e.V. (dbv) sind ca. 2.000 Bibliotheken aller Sparten und Größenklassen Deutschlands zusammengeschlossen. Der gemeinnützige Verein dient seit mehr als 60 Jahren der Förderung des Bibliothekswesens und der Kooperation aller Bibliotheken. Sein Anliegen ist es, die Wirkung der Bibliotheken in Kultur und Bildung sichtbar zu machen und ihre Rolle in der Gesellschaft zu stärken. Zu den Aufgaben des dbv gehört auch die Förderung des Buches und des Lesens als unentbehrliche Grundlage für Wissenschaft und Information, sowie die Förderung des Einsatzes zeitgemäßer Informationstechnologien.
Kontakt: Deutscher Bibliotheksverband e.V.

*

Quelle:
Deutscher Bibliotheksverband e.V. (dbv)
Bundesgeschäftsstelle
Brigitta Wühr, Projektkoordination
Fritschestr. 27-28, 10585 Berlin
Telefon: 030/6449899-10, Fax: 030/6449899-29
E-Mail: dbv@bibliotheksverband.de
Internet: www.bibliotheksverband.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Dezember 2012