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REZENSION/033: Ratzeburg, Biese - Frauen Fußball Meisterschaften (SB)


Hannelore Ratzeburg und Horst Biese


Frauen Fußball Meisterschaften - 25 Jahre Frauenfußball

mit einem Beitrag zum Frauenfußball in der DDR von Doreen Meier



Der Fußball elektrisiert die Menschen rund um den Globus. Jahrzehntelang galt das Interesse allein dem Spiel der Männer. Doch was Spaß macht und gut ist, läßt sich nicht aufhalten, und so ist auch der Frauenfußball zu einer weltumspannenden Faszination geworden. Dieses Buch erzählt davon, wie das Fußballspiel der Frauen in Deutschland begann, und wie es populär wurde. Es führt durch die Jahrzehnte - von den schwierigen Anfängen bis zur von Erfolgen gekrönten Gegenwart. Es stellt einige der bekanntesten deutschen Spielerinnen und Schieds- richterinnen vor und läßt Nationaltrainer über die noch junge Sportart philosophieren. Zu spüren ist auch der Pioniergeist aus den frühen Jahren dieses Sports. Das Buch schildert den Verlauf von Meisterschaften und Pokalwettbewerben, es berichtet vom internationalen Geschehen, es reizt aber auch zum Lächeln über Begebenheiten, die in keinem Spielbericht stehen. (Einleitung)

Das Autorenteam - Hannelore Ratzeburg, Funktionärin in Sachen Frauenfußball und ehemalige Aktive, und der Sportjournalist Horst Biese - geben in ihrer Einleitung einen treffenden Vorgeschmack auf dieses sachlich-informative Buch. `Sachlich' und `informativ' ist es zweifellos, denn es gibt einen umfassenden Überblick auf die bereits 25jährige Geschichte des Frauenfußballs in Deutschland bzw. im offiziellen Rahmen des Deutschen Fußball- Bundes (DFB). Angesichts der gegen diesen Sport insbesondere in seinen `Geburtsjahren' oft vorgebrachten unsachlichen und nicht selten diffamierenden Kritik ist die Stoßrichtung der Autoren unmißverständlich. Bei aller Sympathie und Parteinahme bleibt die Berichterstattung erfrischend nüchtern und wird dem Anspruch, über die 25jährige Geschichte des Frauenfußballs im DFB umfassend zu informieren, vollauf gerecht.

In doppelter Hinsicht kann dieses Werk deshalb wärmstens empfohlen werden: zum einen all jenen, die ihr Interesse für diese junge Sportart gerade erst entdeckt haben und nun etwaige Wissenslücken füllen wollen, zum anderen aber auch längst eingeweihten `alten Hasen', die anhand dieses Buchs die bisherige Geschichte des Frauenfußballs Revue passieren lassen können und dabei noch so manche Anekdote finden mögen, die ihnen bislang verborgen geblieben ist. Wer in diesem Buch schmökert, kann dem Geist der `Gründerjahre' nachspüren und sportliche Großereignisse wie Europa- und Weltmeisterschaften im nachhinein durchleben. Doch nicht nur der (bundes)deutsche Frauenfußball wird in Wort und Bild dargestellt, auch der nicht unähnlich verlaufenden Entwicklung in der DDR wurde ein ausführliches Kapitel gewidmet. Die ehemalige DDR-Nationalspielerin Doreen Meier berichtet sozusagen `aus erster Hand' über den Frauenfußball im anderen Teil Deutschlands.

Informationen in Hülle und Fülle - reichlich Lesestoff auf über 100 Seiten in einem Buch, dessen recht schlichte Aufmachung als Spiegelbild der bis heute schlechten Finanzlage des Frauenfußballs verstanden werden könnte; ein Werk zu einem vergleichbaren Thema im Männerfußball wäre sicherlich als aufwendiger Bildband vermarktet worden. Den Inhalten tut dies natürlich keinen Abbruch; und gerade weil dieses Buch so informativ ist, erfüllt es - ob gewollt oder ungewollt - einen weiteren dem Frauenfußball nützlichen Zweck. Viele Fragen und Probleme drängen sich der Leserin/dem Leser auf. Eher zwischen oder hinter den Zeilen läßt sich herauslesen, daß mit diesem Sport noch längst nicht alles zum besten bestellt ist, mag die erste Bilanz nach 25 Jahren auch noch so positiv ausfallen. Insofern könnte dieses Buch als Diskussionsgrundlage und zugleich -anregung genutzt werden, auch wenn die Autoren dergleichen mit keinem Wort erwähnt haben.

Das Autorenteam hat sich ohnehin mit eigenen Kommentaren sehr zurückgehalten; es hat fast den Anschein, als wollten sie `allein die Fakten sprechen lassen', die dem interessierten Leser in nicht unattraktiver Form präsentiert werden. Auf der Strecke blieb dabei allerdings - und das mag Geschmackssache sein - eine engagierte, hier und da auch provozierende Stellungnahme. Wer sich dem Frauenfußball verbunden fühlt, wird manch flammendes Wort vermissen - so als hätten die Autoren mit Bedacht einen sachlichen Beobachterstandpunkt gewählt, um potentiellen Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Das ist in gewisser Weise nicht unverständlich, insbesondere bei Hannelore Ratzeburg, die bei allem unbezweifelbaren Engagement für den Frauenfußball auch die Interessen der Verbände zu berücksichtigen hat, denen sie in Sachen Frauenfußball angehört (DFB, UEFA, FIFA).

Doch auch als Nachschlagewerk läßt sich dieser Band ungeachtet der inzwischen mangelnden Aktualität (Erscheinungsjahr 1995) nutzen. Wer erinnert sich schon noch an das erste Fußballspiel der Nachkriegszeit im Juni 1968 in Frankfurt-Niederrad, als die Mannschaften von Franken 66 und der SG Oberst Schiel noch völlig ungeübt gegeneinander antraten und sich so viele Zerrungen zuzogen, daß das Verbandszeug bald aufgebraucht war? Um den Worten von der `diskussionsförderlichen' Wirkung dieses Buches Taten folgen zu lassen, sollen an dieser Stelle einige Aspekte rund um den Frauenfußball aufgegriffen werden.


Frauenfußball - ein Mauerblümchen?

Ob der Frauenfußball noch immer ein `Mauerblümchendasein' führt oder nicht, ist eine Frage, die sich nicht mit Ja oder Nein beantworten läßt ohne zuvor zu klären, welche Maßstäbe und Bemessungskriterien zur Beurteilung herangezogen werden. Nach Ansicht der Autorin/des Autors hat der deutsche Frauenfußball dieses Stadium längst hinter sich gelassen, und in sportlicher Hinsicht gibt es daran auch nichts zu rütteln. Gemessen an den zählbaren Erfolgen in internationalen Vergleichswettbewerben gehört der deutsche Frauenfußball, vertreten durch die seit 1982 bestehende Nationalmannschaft, fraglos zur Weltelite. Die bislang errungenen Titel sprechen eine eindeutige Sprache: Dreifacher Europameister (1989, 1991 und 1995) und Vizeweltmeister von 1995 sind die eindeutigen Resultate der innerhalb des DFB erfolgreich geleisteten Aufbauarbeit.

Doch die `Kehrseite der Medaille' überwiegt. Dem Frauenfußball wird von seiten der Medien bzw. der Zuschauer noch immer ein äußert geringes Interesse entgegengebracht. Der Berichterstattung über die Spiele der Bundesliga-Staffeln Nord und Süd, ja selbst über Länderspiele wird ein Stellenwert eingeräumt, der mit dem Medieninteresse an Regionalligaspielen der Männer in etwa vergleichbar ist. Es wäre allerdings verfehlt, darin eine geschlechtsspezifische Mißachtung des Frauenfußballs zu sehen, so als gäbe es kein Machtmonopol weniger Medienkonzerne, die auch viele andere Sportdisziplinen `links liegen' lassen. All das kann bei der Frage nach Gegenwart und Zukunft des Frauenfußballs nicht unberücksichtigt bleiben, denn in finanzieller Hinsicht ist diese noch immer junge Sportart nicht nur weitab vom Schuß, sondern fristet ein Dasein, wie es mauerblümiger kaum sein könnte.

Die sportliche und finanzielle Entwicklung klaffen so weit auseinander, daß es schwer fällt, an folgende Kausalverbindungen zu glauben: Je höher das spielerisch-technische Niveau, um so attraktiver die Spiele. Ein steigendes Publikumsinteresse ziehe das Interesse der Medien nach sich, mit der zunehmenden Berichterstattung werde weiteres Interesse bei potentiellen Zuschauern geweckt. Habe diese schraubenförmige Entwicklung erst einmal ein gewisses Limit erreicht, treten zunehmend Sponsoren auf den Plan. Die anwachsende finanzielle Vermarktungsfähigkeit wiederum wirke sich leistungssteigernd aus, weil sie bessere Trainingsmöglichkeiten ermögliche - und so weiter und so fort.

So in etwa stellen sich Laien wie Experten gleichermaßen die Entwicklung einer neuen Sportart vor. Die Fakten sprechen indes eine andere Sprache und lassen vermuten, daß diese Zusammenhänge eher einem Teufelskreis gleichkommen, weil die Vorherrschaft des Männerfußballs nicht zu brechen ist - nicht aus sportlichen, sondern aus wirtschaftlichen Gründen! Daß diese Situation nicht nur den Frauenfußball betrifft, sondern auch sehr viele andere Sportdisziplinen, oft sogar im professionellen Bereich, hilft den Betroffenen wenig. In der Tat sind viele der Fragen, die sich bei der Lektüre von "Frauen Fußball Meisterschaften" auftun, nicht frauenfußball-spezifisch, oft nicht einmal fußball-spezifisch, und wirken sich doch unmittelbar auf diesen Sport aus - wie etwa die Frage nach der Macht im Medienbereich.

"Es gibt fünf Sportarten: Fußball, Fußball, Fußball, dann Tennis, aber nur wenn Boris Becker und Steffi Graf spielen, und neuerdings einen Sport, der sich Michael Schumacher nennt und mit einem Auto in der Formel 1 verbunden ist." (Dr. Helmut Thoma, RTL-Geschäftsführer, in: Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft, Nr. 33, 17.08.1995)

So stellt sich der Stellenwert verschiedener Sportarten für einen Medienexperten dar. Überflüssig zu erwähnen, daß mit dem dreifachen Fußball in diesem Zitat ausschließlich Männerfußball gemeint ist; das Desinteresse der Sportberichterstattung am von Frauen betriebenen Fußball wird hier durch dessen Nichterwähnung lediglich veranschaulicht.


Die Rolle der Verbände

Sicherlich ist es richtig, daß der Frauenfußball im nationalen, europäischen und internationalen Rahmen in den letzten Jahren und Jahrzehnten einen enormen Aufschwung genommen hat, und zwar unter Förderung und Federführung der offiziellen Fußball-Verbände auf inzwischen allen Ebenen. Im Klappentext des Buches werden die unbestreitbaren Verdienste des Deutschen Fußball-Bundes nicht unerwähnt gelassen:

Dreimal Europameister, einmal Vize-Weltmeister - eine stolze Bilanz des Frauenfußballs in Deutschland. Die Anfänge liegen schon länger zurück, doch offiziell spielen bei uns Frauen und Mädchen erst seit 25 Jahren Fußball. In dieser kurzen Zeit hat der Deutsche Fußball- Bund die junge Sportart systematisch und erfolgreich gefördert.

Nicht, daß im Buch verschwiegen worden wäre, daß eben dieser DFB den Frauenfußball auf seinem Bundestag am 30.07.1955 unter Androhung von Strafe verboten hat, doch dieser Aspekt wird vergleichsweise beiläufig abgehandelt. Aus heutiger Sicht entsteht fast der Eindruck, als würde der DFB sich die Erfolge der deutschen Frauen-Nationalmannschaft auf die eigenen Fahnen schreiben wollen, was einerseits sein gutes Recht ist, wurde doch dieses Team auf Initiative des DFB 1982 ins Leben gerufen, andererseits aber einer gewissen Pikanterie nicht entbehrt - schließlich hat das bis zum 31. Oktober 1970 aufrechterhaltene Verbot lange Zeit als Hemmschuh gewirkt.

Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern befand sich die Entwicklung des Frauenfußballs im Deutschland im Hintertreffen. Das läßt sich anhand der im Buch gelieferten Fakten leicht belegen. In der Schweiz beispielsweise wurden bereits 1970 internationale und Meisterschaftsspiele ausgetragen. Auch ein weiterer `kleiner Nachbar' war Deutschland in diesem Punkt voraus: In Dänemark gibt es Frauenfußball, zunächst organisiert in einem unabhängigen Verband, bereits seit 1964. In Schweden hatte sich der Frauenfußball schon im Jahre 1972 zur Sportart Nr. 2 entwickelt, übertroffen nur vom Männerfußball.

1971 wurde Frauenfußball in insgesamt 22 europäischen Ländern betrieben. Die Eingliederung dieser jungen Sportart in die bestehenden nationalen Verbände war allerdings noch nicht weit gediehen, lediglich in acht Ländern war der Frauenfußball bereits in jenen Jahren integriert. In Italien wurde ein unabhängiger Verband für Frauenfußball gegründet und schon 1970 eine Weltmeisterschaft veranstaltet - inoffiziell, versteht sich. Ob die Vereinnahmung durch die nationalen Verbände der Gesamtentwicklung tatsächlich zweckdienlich war, ist eine schwer zu beantwortende Frage. Sicherlich werden die Frauen-Mannschaften in Vereinen und Verbänden ihre Vorteile gesucht und gefunden haben, doch ebenso sicher werden sie dafür auch ihren Preis zu zahlen gehabt haben.

Ungeachtet des DFB-Verbots bildeten sich auch in Deutschland immer mehr Mannschaften, so daß mit der Entstehung eines unabhängigen Frauenfußball-Verbands gerechnet werden mußte - und das mag, so kann spekuliert werden, den DFB zu seiner Kehrtwende bewogen haben. Mit böser Zunge könnte man sagen: Ehe der Frauenfußball eine von offizieller Seite unkontrollierte Entwicklung hätte nehmen können, sollten - quasi als das geringere Übel - die fußballspielenden Frauen in den DFB integriert werden. Dergleichen ist im Buch nicht zu finden - ein weiterer Beleg dafür, daß sich die in diesem Buch vermittelten Fakten durchaus unterschiedlich bewerten lassen.

Die Haltung der offiziellen Fußballverbände blieb im großen und ganzen dieselbe; doch auch in diesem Punkt wird innerhalb des Buches auf die kleinste kritische Anmerkung verzichtet. So wie der DFB dem Frauenfußball zunächst ablehnend entgegentrat und das Rad der Geschichte zurückzudrehen trachtete, verhielt sich auch die UEFA. Berichtet wird, daß der europäische Fußballverband erst auf das Anliegen, für den Frauenfußball einen europäischen Spielbetrieb mit Repräsentativmannschaften zu organisieren, reagierte, als ihm `die Felle wegzuschwimmen' drohten. Ein italienischer Frauenfußball-Verband wollte im April 1980 einen Europäischen Kongreß für Frauenfußball durchführen. Dem kam die UEFA zuvor, in dem sie am 19. Februar 1980 eine Konferenz für Frauenfußball in Zürich durchführte, auf der weitreichende Beschlüsse gefaßt wurden. Mit der Ausrichtung der ersten Europameisterschaft von 1982 bis 1984, organisiert durch die neugegründete "Fachkommission für Frauenfußball", waren die Würfel gefallen, die Organisation des Frauenfußballs auf europäischer Ebene lag fest in Händen der UEFA.

Daß auch der europäische Fußball-Verband diesem Sport zunächst ablehnend gegenüberstand, belegt folgendes Zitat aus dem Jahre 1971:

"Wenn schon die Ansicht noch oft vertreten wird, daß trotz der Emanzipation der Frau, die im Wettkampfsport sehr deutlich zur Abkehr von der bisherigen Auffassung über dessen medizinischen und ethischen Wert geführt hat, gerade Fußball als Frauensport wenig geeignet erscheint, beweist das wachsende Interesse der Frauen aus verschiedenen Lebensbereichen und Kulturkreisen das Gegenteil. Darum gilt es, ihn vor Mißbrauch durch verantwortungslose Kreise zu schützen." (UEFA-Information Nr. 20/15. Oktober 1971, zitiert aus "Frauen Fußball Meisterschaften")

Die UEFA als Schutzmacht fußballspielender Frauen - diese Sicht der Dinge läßt sich anhand der im Buch gelieferten Fakten kaum nachprüfen. Gemünzt ist dieser Seitenhieb auf die FIEFF, einen Internationalen Frauenfußball-Verband, der seinerzeit eine Weltmeisterschaft organisierte und einen Europa-Cup ausrichten wollte. Der im Buch erhobene Vorwurf, hier seien Manager am Werk, die mehr am Showgeschäft als am Sport interessiert waren, könnte auf Tatsachen beruhen oder dem Interesse der etablierten Verbände gedient haben, diesen aufstrebenden Sport unter ihre Fittiche zu bekommen und etwaige Konkurrenten in Mißkredit zu bringen.

Wie auch immer - die historische Entwicklung ist inzwischen längst abgeschlossen; heute liegt die Organisation des Frauenfußballs fest in den Händen der UEFA und der ihr angeschlossenen nationalen Fußballverbände. Auch der Weltfußballverband hat inzwischen längst nachgezogen, auch über diese Entwicklung wird im Buch berichtet. Demnach befaßte sich das Exekutiv-Komitee der FIFA am 19. Mai 1984 mit dem Frauenfußball, dessen Vormarsch weltweit nicht mehr aufzuhalten war. In erfrischend deutlichen Worten machte die FIFA ihren Mitgliedsverbänden klar, worum es geht und erinnerte dazu an einen früheren Beschluß:

"Gemäß diesem Entscheid muß das ganze Fußballgeschehen, also auch der Frauenfußball, von den Nationalverbänden der FIFA kontrolliert werden." (FIFA-Zirkular Nr. 338 vom 22. Juni 1984, zitiert aus "Frauen Fußball Meisterschaften")

Auch die FIFA richtete eine "Kommission für Frauenfußball" ein, die am 30. Oktober 1990 ihre Arbeit aufnahm. Auch in diesem Gremium war Hannelore Ratzeburg wie auch in der UEFA-Kommission vertreten; auch auf weltweiter Ebene folgte nun die Ausrichtung eines ersten großen internationalen Wettbewerbs: die 1. Weltmeisterschaft 1991 in China.


Frauenfußball/Männerfußball

Natürlich darf das Thema Frauenfußball/Männerfußball in diesem Buch nicht fehlen, nimmt allerdings einen erfreulich beiläufigen Raum ein, weil es auch der Autorin/dem Autor nicht darum geht zu betonen, daß Frauen Fußball spielen. Dieses Thema wäre sicherlich keins, wenn nicht gerade die Entwicklung des Frauenfußballs zunächst mit massiven Abwehrreaktionen verbunden gewesen wäre. Zu diesem Themenkomplex nehmen die Autoren folgendermaßen Stellung: Sie stellen den Spaß am Spiel in den Vordergrund und streichen als gemeinsame Achse heraus, daß Männer wie Frauen sich diesen Sport erst erkämpfen mußten. "Fußball ist Männersport", heißt es etwa, denn im Jahre 1874, als Fußball an einem Braunschweiger Gymnasium eingeführt wurde, stieß dieser aus England importierte Sport zunächst nur auf Spott und Ablehnung. "Fußball ist Frauensport", heißt es im nächsten Absatz mit analoger Begründung, denn auch die Frauen mußten ihr Interesse an diesem Sport gegen massive Widerstände durchsetzen.

Der Standpunkt der Autoren, Fußball gleichermaßen als Männer- und Frauensport zu bezeichnen, hat indes einiges für sich, denn er ließe sich zu der Position weiterentwickeln, beim Fußball auf geschlechtsspezifische Unterschiede ebenso wenig Bezug zu nehmen wie in anderen Sportarten. Wozu überhaupt von Frauen- und Männerfußball sprechen, so als wären das zwei verschiedene Sportarten und nicht einfach nur zwei letztlich durch den Gewichtsunterschied begründete Spielklassen in ein- und demselben Sport? Ist denn in anderen Disziplinen explizit von Frauen- Handball, Frauen-Leichtathletik oder Frauen-Schwimmen etc. die Rede? Wohl kaum.

Die von den Autoren bemühte gemeinsame Achse zwischen Männern und Frauen in puncto Fußball, weil beide sich diesen Sport erst erkämpfen mußten, hat allerdings auch einen Pferdefuß und offenbart das Bestreben, hier zu einer `gütlichen Einigung' zu kommen. Daß Fußball Ende des vorigen Jahrhunderts zunächst abgelehnt und verlacht wurde, könnte ein Schicksal sein, daß dieser Sport durchaus mit anderen teilt. Warum aber, so wäre voller Naivität zu fragen, wollten Männer ein halbes Jahrhundert später Frauen davon abhalten, einen Sport zu betreiben, dem sie selber mit Begeisterung anhingen?

Zu der Frage, worin der `kleine Unterschied' letztlich bestehen mag, könnte kaum jemand besser und aus eigener Anschauung Stellung nehmen als Gero Bisanz, der von 1982 bis 1995 die deutsche Frauen-Nationalmannschaft aufbaute und betreute, zuvor aber auch Männermannschaften trainierte. Auf die Frage, ob es überhaupt möglich wäre, Quervergleiche zwischen Männern und Frauen zu ziehen, gab er folgende Antwort:

Nein, solche Vergleiche sind unzulässig. Man kann nicht über das Resultat diskutieren, nur über die Elemente. Ein Frauenspiel kann demnach sogar besser sein als ein Bundesligaspiel. Das Problem ist, daß die Männer ein Drittel mehr Kraftpotential haben. Sie laufen schneller, springen höher und verfügen über einen stärkeren Schuß. (FIFA Magazine, Juni 1996, S. 17)

Das Plus der Männer im "Kraftpotential" vermag allerdings nicht zu erklären, warum der Frauenfußball in seinen Anfangsjahren auf so massive Widerstände stieß. Zu diesem Thema werden in der Bilanz "25 Jahre Frauenfußball" interessante historische Fakten beigesteuert. Treten sei `unweiblich' war seinerzeit eines der `schlagkräftigsten' Argumente gegen den Frauenfußball; auch der Begriff der `Natur des Weibes' wurde immer wieder bemüht, um zu begründen, warum dieser `Kampfsport' für Frauen und Mädchen ungeeignet sei. Zur wissenschaftlichen Untermauerung dieser These wurde immer wieder eine psychologische Studie herangezogen, die Fred J. J. Buytendijk im Jahre 1953 verfaßt hatte:

Das Fußballspiel als Spielform ist also wesentlich eine Demonstration der Männlichkeit, so wie wir diese auf Grund unserer traditionellen Auffassungen verstehen, und wie sie zum Teil durch die körperliche Anlage (die hormonale Irritation) hervorgerufen wird. Es ist noch nie gelungen, Frauen Fußball spielen zu lassen, wohl aber Korbball, Hockey, Tennis und so fort. Das Treten ist wohl spezifisch männlich, ob darum das Getretenwerden weiblich ist, lasse ich dahingestellt. Jedenfalls ist das Nichttreten weiblich. (S. 11)

Im Buch wird zwar aufgedeckt, wie fadenscheinig und hergeholt solche und ähnliche Argumentationen waren, die Autoren bleiben jedoch in der Defensive. Allen Ernstes über ohnehin fragwürdige Begriffe wie `Weiblichkeit' und `Männlichkeit' im Zusammenhang mit Treten, Werfen, Fangen usw. zu diskutieren, bedeutet, die diesem Konflikt zugrundeliegenden Interessen ungenannt und unberücksichtigt zu lassen. Am Beispiel Frauenfußball wurde deutlich, wie es mit der vermeintlichen Freiheit im Nachkriegsdeutschland für etwa die Hälfte der Bevölkerung aussah. Gero Bisanz macht deutlich, wie sehr fußballspielende Frauen dem damaligen Verhaltenskodex widersprachen:

In Deutschland stand der Frauenfußball lange Zeit gar nicht auf dem Plan. Schuld daran sind wir Männer, denn es war unserer Meinung nach nicht schicklich, wenn Frauen nach etwas traten. (S. 90/91)

Folgende Passage aus "Frauen Fußball Meisterschaften" macht den Standpunkt der Autoren zu dieser damals brisanten Frage deutlich:

"Obwohl Frauenfußball für eine Modeerscheinung im Zuge der Emanzipationsbestrebungen von Frauen gehalten wurde, war der Aufbau einer Frauenmannschaft für viele Vereine eine Prestigefrage. Man wollte die neue Entwicklung mitmachen, auch wenn viele befürchteten, jetzt kämen die "Emanzen" und "Mannweiber". Was immer darunter zu verstehen war, es konnte nicht eindeutig geklärt werden. Es kamen aber Frauen, die ganz einfach Spaß daran hatten und haben, Fußball zu spielen und sich von der vorgefaßten Meinung, "Fußball ist nur was für Männer" befreit hatten." (S. 13)

Es konnte nicht eindeutig geklärt werden, was unter "Emanzen" und "Mannweibern" zu verstehen sei - als ob das allen Ernstes die Frage wäre! Übrigens gibt es da nicht viel mißzuverstehen, diese Begriffe sind diffamierend und machen deutlich, daß es bei diesem Konflikt weder um sportliche noch um gesundheitliche Aspekte ging sondern einzig und allein darum, die am Fußball interessierten Mädchen und Frauen in die Schranken zu verweisen.


Das leidige Geld

Was dieses Buch ungeachtet aller offenen und offen gebliebenen Fragen und einer inzwischen fehlenden Aktualität lesenswert macht, ist die anschauliche Darstellung der vielen Etappen, die die Entwicklung des Frauenfußballs unter Federführung des Deutschen Fußball Bundes ab 1970 genommen hat. Ein kurzer Rückblick sei hier erlaubt: Schon ein Jahr später wurde in 13 von 16 Landesverbänden des DFB der Spielbetrieb aufgenommen, an dem nur Mannschaften teilnehmen konnten, die sich einem Verein angeschlossen hatten - wo sie zunächst vielfach als `Exoten' belächelt wurden. Aller Anfang war schwer, doch die spieltechnischen Mängel - viele Spielerinnen begannen völlig ungeübt - konnten langsam aber sicher durch zunehmendes Training abgebaut werden.

Nach Abschluß der Saison 1973/74 wurde zum ersten Mal um die Deutsche Meisterschaft gespielt - TuS Wörrstadt gewann den ersten nationalen Titel im Frauenfußball. Seitdem wird jedes Jahr die deutsche Meisterschaft ausgespielt, daran hat sich auch seit Einführung der Bundesliga im Jahre 1990 nichts geändert. Deutscher Rekordmeister ist die SSG 09 Bergisch Gladbach, die von von den bisherigen 23 Meister-Titeln neun für sich gewinnen konnte. Ein weiterer Spitzenclub im deutschen Frauenfußball ist der Deutsche Meister von 1996, der TSV Siegen, der es auch schon auf den 6. Titelgewinn gebracht hat.

Diese beiden Vereine sind in der bisherigen 25jährigen Bilanz in sportlicher Hinsicht die beiden erfolgreichsten. Doch wie um zu dokumentieren, daß im Frauenfußball sportliche und finanzielle Erfolge diametral entgegengesetzte Wege gehen, sind beide mittlerweile in ihrer Existenz nicht etwa nur bedroht - nein, beide Vereine haben mittlerweile ihre Frauenfußballmannschaften aus finanziellen Gründen aufgelöst.

Rekordmeister Bergisch Gladbach mußte sich im Juni 1996 vom Spielbetrieb abmelden, weil sich bisherige Sponsoren wegen mangelnden Zuschauerinteresses zurückgezogen hatten. Das ist beileibe kein Einzelschicksal, denn beim diesjährigen Deutschen Meister TSV Siegen wiederholte sich fast zeitgleich dieselbe Geschichte. Der Hauptsponsor zog sich im April nach dem Ausscheiden im DFB-Pokal überraschend zurück, eine Finanzierungslücke von 150.000 DM konnte nicht geschlossen werden, im Juli löste der Verein seine Frauen-Abteilung auf. Die Deutschen Meisterinnen spielen weiter in der Bundesliga - beim Lokalrivalen Sportfreunde Siegen.

Diese beiden Pleiten im deutschen Frauenfußball haben sich nach Erscheinen der Buches ereignet und konnten insofern nicht berücksichtigt werden. Die dem zugrundeliegenden Probleme wurden nicht gerade in den Mittelpunkt gestellt; das Bestreben, die Erfolgsseite des Frauenfußballs in ihrem Glanz erscheinen zu lassen, hat einer ausführlichen Beschäftigung mit dieser Schattenseite im Wege gestanden. Worum es geht, ist schnell erzählt: Die Spiele der Frauen lassen sich ungeachtet ihres mittlerweile erreichten technischen Niveaus nach wie vor kaum vermarkten. Daran ändern auch die beeindruckenden Zuschauerzahlen bei den Olympischen Spielen 1996 nichts (zum ersten Mal war Frauenfußball bei einer Olympiade vertreten, im Finale zwischen den USA und China wurde mit 76.489 Zuschauern ein neuer Rekord erreicht).

Was das für die Spielerinnen bedeutet, läßt sich aus den Lebensläufen einer ganzen Reihe der bekanntesten Nationalspielerinnen herauslesen. Birgitt Austermühl, Doris Fitschen, Marion Isbert, Rike Koekoek, Heidi Mohr, Silvia Neid, Sissy Rath, Britta Unsleber, Martina Voss und Bettina Wiegmann - sie alle werden in diesem Buch vorgestellt und erzählen ihre Geschichte, wie sie den Spaß am Fußball entdeckten und diesen Sport mit einer Leidenschaft betrieben, die keine Mühen scheute und mit der Berufung in die Nationalmannschaft ihren Höhepunkt fand.

In diesen Erzählungen, die einer persönlichen Note nicht entbehren, wird zwischen den Zeilen immer wieder deutlich, unter welch erschwerten Bedingungen auch die besten deutschen Spielerinnen bis heute ihren Sport betreiben. Die meisten sind voll berufstätig und haben zum Teil lange Anfahrtswege zum Training zu bewältigen - für (männliche) Fußball-Profis wären das wohl unzumutbare Bedingungen. Doch von Profi-Sport kann bei den Frauen nicht die Rede sein, damit ist nach Ansicht von Gero Bisanz auch in den kommenden 20 Jahren nicht zu rechnen. Das Kreuz der Fußballfrauen ist die Misere der allermeisten ambitionierten und leistungssportorientierten Amateure, aber auch vieler Profis in anderen Disziplinen, die das Pech haben, einen Sport zu betreiben, für den das zahlende Publikum nur ein minimales Interesse aufbringt. Ob das an den Zuschauern oder der Ignoranz der Sportmedien liegt, ist wie die Frage nach dem Huhn und dem Ei: Wer war zuerst da?

Im Schlußwort des Buches "Frauen Fußball Meisterschaften" wird der vagen Hoffnung auf ein steigendes Zuschauerinteresse Ausdruck verliehen; dann nämlich, wenn das scheinbare Manko der Frauen, langsamer zu laufen, als Pluspunkt erkannt wird, weil es der spielerischen Brillanz zu gute kommt. Die Spiele der Frauen, so die Meinung der Autorin/des Autors, könnten die der Männer an Attraktivität noch übertreffen, weil bei ihnen die Technik gegenüber den bei den Männern so manches Mal `unschönen' Kampfszenen überwiege - wie gesagt eine nur vage Hoffnung. Was aber, wenn das Interesse der Zuschauer gerade den Kampfszenen gilt und nicht in erster Linie den technisch-spielerischen Raffinessen?

Doch wie auch immer, vor 25 Jahren werden viele nicht einmal für möglich gehalten haben, daß der Frauenfußball einmal so weit entwickelt werden könnte, wie es bis heute bereits gelungen ist. Nun aber ist er an eine Grenze gestoßen, die weniger mit dem eigenen Können oder Unvermögen zu tun hat als mit den knallharten wirtschaftlichen Gesetzen in Sport bzw. Sportberichterstattung. Wie weit die Welten in finanzieller Hinsicht zwischen Spitzenmannschaften im Frauen- und Männerfußball tatsächlich auseinander liegen, läßt sich leicht veranschaulichen: Der Deutsche Meister 1996 TSV Siegen mußte wegen fehlender 150.000 DM den Spielbetrieb einstellen, der Deutsche Meister 1996 Borussia Dortmund kassiert pro Sieg in der Champions League rund 1,2 Millionen DM.

Zu bedenken wäre allerdings, ob der Amateurstatus der Fußballfrauen nicht auch seine Vorteile hat. Unter professionellen Bedingungen wird es nicht mehr um den Spaß am Spiel gehen können, der für die Pionierinnen der ersten und zweiten Stunde noch oberste Priorität hatte. Angesichts der angespannten finanziellen Lage im Frauenfußball wäre eine Semi- Professionalität wie in Japan, wo Mannschaften in Firmen organisiert sind, bei denen sie halbtags arbeiten und halbtags trainieren können, vielleicht wünschenswert - wenn nicht die Herrschaft des Geldes dem Spaß am Spiel abträglich wäre.


Hannelore Ratzeburg und Horst Biese
Frauen Fußball Meisterschaften
25 Jahre Frauenfußball
mit einem Beitrag zum Frauenfußball in der DDR von Doreen Meier
AGON-Sportverlag, 1995
Bezug für 36,- DM über:
Deutscher Fußball Bund, Otto-Fleck-Schneise 6, 60528 Frankfurt/Main