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REZENSION/062: DuMonts Handbuch des Aktzeichnens (Maltechnik) (SB)


Diana Constance


DuMonts Handbuch des Aktzeichnens



Das vorliegende "Handbuch des Aktzeichnens" ist für den interessierten Amateur nicht empfehlenswert, denn leider setzt die Autorin die zu erlernenden Grundkenntnisse und Fähigkeiten bereits voraus. Ein fachfremder Außenstehender wird diesen Mangel kaum bemerken, da das Buch ansonsten didaktisch sinnvoll aufgebaut ist und eine Fülle attraktiver Techniken und nützlicher Hinweise bereithält, die darüber hinaus übersichtlich präsentiert sind.

Doch der äußere anspruchsvolle Eindruck täuscht lediglich darüber hinweg, daß zu den spezifischen Schwierigkeiten figürlicher Darstellung und deren Überwindung kaum etwas gesagt wird.

Die Autorin hat die Auseinandersetzung mit dem eigentlichen Thema auf geschickte Weise vermieden, indem sie die Grundlagen des Aktzeichnens allein auf die Illustration von Aktfotografien stützt. Doch durch die Betrachtung von Aktfotos hat noch niemand gelernt, wie man eine menschliche Figur in den richtigen Proportionen auf ein Blatt Papier übertragen kann. Auch wenn - wie im vorliegenden Fall - ein Proportionsschema und vergleichende anatomische Zeichnungen mitgeliefert werden, wird die rein optische Information nicht über die umfangreichen Schwierigkeiten hinweghelfen. Ein Strichmännchen, das an isolierter Stelle lediglich zur Demonstration von Balance und Schwerpunkt eingeführt wurde, wäre beispielsweise ein geeignetes Instrument gewesen, die Klippen des Anfangsstadiums fundamental und zuverlässig hinter sich zu lassen. Doch statt einer angemessenen Hilfe zur Umsetzung der Theorie in die Praxis schließt die Autorin die erste Lektion auf einem Niveau ab, das den Amateur mit seinen praktischen Problemen allein läßt.

Alle verbleibenden Lektionen des Buches befassen sich danach "nur" noch mit spezifisch gestalterischen Aufgaben wie Linie und Schraffur, Licht und Schatten, perspektivische Verkürzung, verschiedenste Techniken der Grafik und Malerei sowie anspruchvolle Fragen der Komposition.

Auch einem Laien wird plausibel sein, daß es sich bei diesen Fragen der Gestaltung um allgemeine künstlerische Probleme handelt, die sich dem Zeichner oder Maler beispielsweise auch bei einem Landschaftsbild stellen. Es bedarf des Aktstudiums nicht, um diese praktischen Hinweise zu formulieren. Die Tips haben für andere künstlerische Motive diesselbe Berechtigung. Aufgrund dieser Tatsachen ist ein recht widersprüchliches Sachbuch zustandegekommen. Obwohl von der ersten bis zur letzten Seite der Akt im Zentrum der Aufmerksamkeit steht, werden die Grundlagen des Aktzeichnens paradoxerweise kaum berührt.

Da die Vermittlung von Basiswissen und -können fehlt, ist das Buch auch für einen fortgeschrittenen Amateur nicht wirklich hilfreich. Ein Profi hingegen wird auf das Werk verzichten können.

Da die Autorin offensichtlich sowohl Über eine umfassende künstlerische wie pädagogische Erfahrung verfügt, ist es bedauerlich, daß sich dieses Buch auf eine Art Selbstdarstellung beschränkt und die Zielgruppe aus den Augen verliert. Dennoch kann es gewiß nicht ausbleiben, daß hier und da durchaus brauchbare Tips auf anschauliche Weise vermittelt werden.

Die Kunstgriffe fallen aber auf einen unfruchtbaren Boden, wenn die Voraussetzungen dafür nicht geschaffen wurden.


Diana Constance
DuMonts Handbuch des Aktzeichnens
Zeichentechniken, Kompositionslehre und Zeichenmedien
DuMont Buchverlag, Köln 1993
ISBN 3-7701-3065-5