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REZENSION/087: M. Baigent, R. Leigh - Verschlußsache Magie (SB)


Michael Baigent und Richard Leigh


Verschlußsache Magie

Wir werden noch immer von magischen Kräften gesteuert



Der Titel des Buches klingt äußerst vielversprechend, denn man vermutet eine Menge geheimes Wissen, das dem Leser offenbart werden soll. Zudem verheißt der Untertitel die Enthüllung einer außerordentlichen Verschwörungtheorie.

Doch bedauerlicherweise stellt sich letztendlich heraus, daß die Annahmen der Autoren ebenso abwegig wie unhaltbar sind.

Der wissenschaftliche Anstrich, den sich die Autoren mit ihrer historischen Datensammlung geben und den der Leser aufgrund der universitären Ausbildung der Autoren erwartet, blättert an der Stelle ab, wo die im Untertitel aufgestellte These zu beweisen ist. Die reißerische Behauptung "Wir werden noch immer von magischen Kräften gesteuert" wird nicht durch geschichtliche Daten untermauert, sondern dazu benutzt, eine Hetze gegen Sekten, religiöse Kulte und Fundamentalismus verschiedenster Art auf Bildzeitungsniveau zu betreiben.

Die Auseinandersetzung mit Magie oder Zauberei findet nicht statt. Starke Meinungsmache ersetzt eine nüchterne Bearbeitung des eigentlichen Themas. Bereits an dieser Stelle wird deutlich, daß die Autoren keinerlei Ahnung von Magie haben und sich lediglich mit Bibliothekswissen befaßt haben. Dadurch entstand zwar eine reichhaltige geschichtliche Datenanhäufung, die aber nicht verwechselt werden darf mit der Spurensuche nach einer Position, die keinerlei Berührungspunkte mit der zivilisatorisch- technischen Entwicklung besitzt.

Aufgezählt werden von den Autoren die wohlbeleumundeten, an den Königshöfen agierenden postmodernen Chemiker und Astronomen, die gleichzeitig Astrologen waren. Ihr Leben und Werk ist dokumentiert und reiht sich vorzüglich in die Entwicklung der technischen Zivilisation ein. Da die Autoren stets nur von "Magie" und nicht von "Zauberei" sprechen, sei es ihnen durchaus verziehen, nur diesem ausgetretenen Pfad nachgegangen zu sein. Magie als eine zivilisatorische Erscheinung ist eng mit Kirche und Staat verwoben. Doch die Autoren scheinen sich keinerlei Gedanken über Magie außerhalb des abgesegneten geschichtlichen Bezugsrahmen beschäftigt zu haben. Die Erwähnung von Sekten wäre in historischem Sinne durchaus angemessen gewesen, denn schließlich gibt es bis heute okkulte Sekten, die sich auf die Kirche in negierender Weise beziehen, aber außer Verunglimpfungen von ins Rampenlicht und durch die Sensationspresse gezogenen Glaubensgemeinschaften tragen die Autoren nichts zu diesem Thema bei.

"Seit den 60er Jahren gilt dies auch für einen anderen, etwas sarkastischeren Begriff: "Mind-fucking", also "Gehirn-Fick"." [...] "Seither werden Gehirnwäsche, psychologische Manipulation und mentale Steuerung in erster Linie mit extremen religiösen Sekten und Kulten in Verbindung gebracht." "[...] schleusen regelmäßig Reporter bei Sekten ein, um zu erfahren, mit welchen Methoden aus sensiblen Menschen gleichsam Zombies gemacht werden - Zombies, die oft ein engelhaft verzücktes Lächeln zeigen, die aber trotzdem Zombies sind." (S. 350)

Der sensationsheischende Bezug zu Gruppierungen wie David Koresh, Aum Shinri Kyo oder dem Schweizer Sonnentemplerorden wird nur dadurch gemildert, als auch großen Weltreligionen ein sektiererischer Ursprung zugesprochen wird. Und das in einer Zeit, in der sie den damaligen religiösen Machthabern ebenso bedrohlich schienen, wie die heutigen Sekten der breiten Masse - und den Autoren Michael Baigent und Richard Leigh.

Das niedrige Niveau, auf dem sich die Autoren bewegen, zeigt sich besonders in folgender Aussage:

"Oft werden die Opfer auch mit einer Art "Selbstzerstörungsmechanismus" programmiert, der analog zu gängigen Vorstellungen des Voodoo funktioniert." (S. 351)

Abgesehen davon, daß sie von Klischee und Vorurteilen ausgehen, zeigt dieser mechanistische Übertrag, daß die Autoren weder von Menschen noch von Magie oder Zauberei eine Ahnung haben. Darüber hinaus haben sie die Wirkungsweise von "Voodoo" zuvor mit keinem Wort erwähnt, geschweige denn genauer unter die Lupe genommen. Was soll sich ein Leser also darunter vorstellen, wenn die Autoren einen Vergleich ziehen zwischen technischen Sprachbegriffen und einer aus blutigen Ritualen bestehenden Volksbelustigung?


Das in der geschichtlichen Abhandlung dargestellte "magische Wissen" besteht aus den dürftigen Überlieferungen der Prinzipien des Hermes Trismegistos, die ihrer Ansicht nach von Jahrhundert zu Jahrhundert, von Geheimgesellschaft zu Geheimgesellschaft, von Magier zu Magier weitergetragen wurden. Aber die Autoren bringen nichts weiter als ein Sammelsurium von historischen Daten, in dem das verwässerte hermetische Gedankengut hin und wieder Erwähnung findet.

Und sollte tatsächlich irgendwo im Wust der altbekannten wie nichtssagenden Erkenntnisse eine unscheinbare Andeutung von Wissen stecken wie diejenige von Agrippa, der sagte, daß die wichtigsten dieser Entdeckungen ohnehin nur von Person zu Person weitergegeben werden konnten, mündlich von Meister zum Schüler, nicht schriftlich (S. 206), verdrehen die Verfasser die eigentliche Aussage, indem sie interpretieren:

Die Betonung lag also vollständig auf der einzelnen Person, die in sich selbst die geheimnisvolle und heilige Beziehung zwischen Mikrokosmos und Makrokosmos verkörperte. (S. 206)

Die Autoren definieren Magie "im weitesten Sinne" als "die Kunst, Dinge geschehen zu machen".

Diese vage Definition von Magie erlaubt, daß fast jede Handlung als magisch gilt, die wirklich nur als alltäglich oder schlechthin psychologisch zu bezeichnen ist.

Den zentralen Faden, den die Autoren als Magie anpreisen, nennen sie "Manipulation". Aus diesem Grund ist es auch nicht verwunderlich, wenn sie sich seitenlang über die ungehörigen Machenschaften der Werbung auslassen. Aber selbst auf diesem Gebiet tragen sie nichts Vertiefenderes zum Thema bei als sattsam bekanntes Gerede.

Von der Manipulation in Bereichen Religion, Medien und Politik gelangen die Autoren zu den "Manipulationstricks der profanen Magie". Ihr hochgelobtes Beispiel: Bürgerrechtsbewegung in den USA. Das schlechte Beispiel: Bürgerrechtsbewegung in Nordirland. Lassen sich die Autoren doch tatsächlich über politische Terrorakte aus, deren "profane Magie" einzig durch die Einschätzung der Autoren zustandekommt, aber mit Magie nichts zu tun haben.

Der Terrorist nistet sich sozusagen dauerhaft in den Köpfen der Menschen ein. Und so vervielfacht sich der Terrorist mittels Manipulation selbst und gewinnt den Status der Ubiquität. Seine profane Magie verschafft ihm virtuelle Omnipräsenz. Und diese Allgegenwart verleiht ihm eine Art Allmacht, die er aufgrund seiner tatsächlichen Macht niemals ausüben könnte. (S. 372)

Um eine Verbindung zwischen Musik und Magie zu demonstrieren, bringen die Autoren den ausführlichen Bericht über ein Festival im kalifornischen Altamont im Dezember 1969, zu dem etwa 300.000 Menschen anreisten. In ihrem Resümee über dieses, von brutalem Handgemenge unterbrochene Festival, bei dem den Rolling Stones die Kontrolle über die Situation entglitt, schreiben die Autoren:

[...] sicher ist, daß er [Mick Jagger] und die anderen Mitglieder der Gruppe high durch Adrenalin waren. In ihrem aufgeputschten Zustand vollführten sie allesamt einen ungeheuerlichen Akt ritueller schamanistischer Magie, wobei die Bühne quasi als magischer Kreis diente, aus dem heraus der Zauberer seine Beschwörung vollzieht. (S. 411-415)

Aus der zuvor abgegebenen, minutiösen Schilderung geht eindeutig hervor, daß die Rolling Stones nicht mehr als lahme Aufrufe oder aggressive Aufforderungen an die Prügelnden, den Platz zu verlassen, zustandebrachten.

Durch das kuriose Resümee der Autoren soll dem Leser suggeriert werden, die Stones hätten durch ihren Song "Sympathie for the Devil" vorsätzlich magische Kräfte entfesselt, die ihnen dann außer Kontrolle gerieten.

Nach einem solchen Verständnis von Magie ist sozusagen alles Magie, wenn nur das Wort "Magie" ausgesprochen wird. Alles, was passiert, läßt sich mit Manipulation, Suggestion oder geheimnisvollen Kräften begründen, aber die Verbindung zu Magie oder Zauberei ist völlig hergeholt.

Nicht einmal mit magischen Vokabular wird aufmerksam umgegangen. Da wimmelt es von "Voodoo-PRIESTERN", die im gleichen Atemzug als "SCHAMANEN" bezeichnen werden. Hätten sich die Autoren auch nur ansatzweise mit den Ursprüngen der Riten und Gebräuche verschiedener Kulturkreise befaßt, dann hätten sie nicht Begriffe durcheinandergewürfelt, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben. So ein Durcheinander kann zustandekommen, wenn sich das Wissen der Autoren aus gewinnsüchtigen Esoterik-Seminaren schöpft.

In einem Rundumschlag durch Musik, Kunst, Literatur und Architektur finden die Autoren überall die hermetische Anschauung wieder. Die "wahre Magie", so befinden sie, liegt im "sogenannten magischen Realismus, einer typisch hermetischen Form der Magie", die sich darin begründet, daß die Menschen angeregt werden, "ihre Ursprünge neu zu schöpfen".

Die Schwammigkeit dieser Aussage rührt keineswegs daher, daß sie aus ihrem Umfeld gelöst wurde. Es existiert schlichtweg kein tieferer Zusammenhang.

Ganz offensichtlich schätzten die Autoren den Gehalt ihres Buches schon bei Schriftlegung richtig ein, denn im Nachwort bemühen sie sich, spottenden Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen, indem sie ihren Inhalt selbst als "New-Age-Psychogeschwafel" bezeichnen. Man sollte die beiden Autoren darüber informieren, daß auch nüchterne Kritiker dieser Selbsteinschätzung zustimmen.

Will man also darüber in Kenntnis gesetzt werden, welche berühmten Persönlichkeiten sich mit quasi-magischen Gedankengut befaßt haben und was davon durch die Jahrhunderte erhalten geblieben ist, kann man in dem geschichtlichen Teil des Buches herumblättern. Der restliche Teil, in dem das eigentliche Thema zu vermuten ist, kann getrost ungelesen bleiben: er besteht nur aus GESCHWAFEL.


Michael Baigent und Richard Leigh
Verschlußsache Magie
Wir werden noch immer von magischen Kräften gesteuert
Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., 1997
496 Seiten
ISBN 3-426-27001-3