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REZENSION/240: Freiburger FrauenStudien, Screening Gender (Kinoessays) (SB)


Zeitschrift für Interdisziplinäre Frauenforschung 14/04


Screening Gender

Geschlechterkonstruktionen im Kinofilm



Die Ausgabe 14/2004 der Freiburger FrauenStudien - Zeitschrift für Interdisziplinäre Frauenforschung - mit dem Titel "Screening Gender" enthält elf Aufsätze zum Titelthema, ein Interview mit Michèle le Doeuff ("Was bedeutet es, eine Philosophin zu sein?") und Rezensionen zum Thema "Dimensionen von Gender Studies" und zu "Grenzüberschreitungen: Zwischen Feminismus und Postcolonial Studies".

"Gender" - unter diesen Begriff werden hier die Ausführungen zum Genre "Kinofilm" gestellt. Obwohl inzwischen ziemlich verbreitet, hat sich der Ausdruck "Gender" und in Folge das Konzept "Gender Studies" noch nicht etabliert, sondern ist immer noch einem Definitionsstreit unterworfen, hinter dem kontroverse Standpunkte zum Thema "Frauen und ihre gesellschaftliche Position" bzw. "Gewaltverhältnisse zwischen den Geschlechtern" stecken. Unter der Oberfläche wird daran auch ein Generationenkonflikt zwischen den älteren Frauen aus der neu beginnenden Frauenbewegung der 70er Jahre und einer neuen Frauengeneration ausgetragen, die in verschleiertere gesellschaftliche Verhältnisse hineinwächst, deren Widersprüche zwar nicht aufgehoben, aber zunehmend staatlich kontrolliert und scheinbar angeglichen werden.

Entsprechend standpunktlos sind die Analysen der Gender Studies verfaßt. Stand lange Jahre die Entlarvung der Gewaltverhältnisse zwischen den Geschlechtern im Vordergrund und wurden Gegenentwürfe erprobt, wird heute mit Hilfe der Gender Studies erforscht, wieso es überhaupt so etwas wie Geschlechter gibt (Geschlechterdekonstruktion). Dahinter steckt die Absicht, die angeblich natürlichen Eigenschaften der Geschlechter als gesellschaftlich und kulturell geprägt abzulehnen. Weibliche und männliche Rollen werden als einengende Konstruktionen gesehen. Gender Studies gehen davon aus, daß die Gestaltung des Geschlechterverhältnisses in den eigenen Händen liegt (sozusagen als "purer Selbstzweck, als Lifestyle-Erfindung" wie Tove Soiland, Historikerin und Feminismus-Theoretikerin, in: ROSA - Zeitschrift für Geschlechterforschung, Nr. 27, Ausgabe Oktober 2003, S. 32 kritisiert). Der Blick auf gesellschaftliche Zusammenhänge wird damit ausgeschaltet, die eigenen Probleme werden nicht mehr als strukturell und somit kollektiv wahrgenommen. In den Forschungsansätzen grassiert ein unüberschaubarer Pluralismus, das Themenspektrum ist diffus mit immer neuen Anschlußstellen an weitere Forschungsbereiche, bis sich das Konzept im Mangel an Forschungsrichtung völlig verliert. Die Auseinandersetzung mit machttheoretischen Fragen gerät in Vergessenheit, ganz zu schweigen davon, daß ein gemeinsames politisches Handeln angesteuert würde.

Insofern bremsen die "Gender Studies" jede Wahrnehmung der Benachteiligung von Frauen in unserer Gesellschaft. Sie bedeuten einen Verlust an politischem Denken und sind eher ein Mittel, die herrschenden Verhältnisse zu festigen, als ein Instrument zu deren Reflexion und Veränderung. Das Prinzip "Geschlecht", das der Staat als Mittel zur Unterdrückung und Verfügbarmachung einsetzt, wird im öffentlichen Diskurs so nicht mehr gesehen.


Die Aufsätze dieser Zeitschrift spiegeln inhaltlich die oben angeführte Problematik am Thema "Frauen im Film" wider. Einführend wird angemerkt, daß sich die Fragestellungen von der feministischen Frauenfilmforschung hin zu den "Gender Studies" geändert haben. Das heißt, daß "Geschlechterkonstruktionen auf der Leinwand" hauptsächlich neuerer Filmproduktionen unter den verschiedensten Aspekten (z.B. psychoanalytisch, soziologisch, literaturwissenschaftlich) beleuchtet werden.

Elisabeth Bronfen, Züricher Professorin für Anglistik ("Anpassung oder Intervention - Gedanken zu einer weiblichen Filmsprache der Erotik"), beschäftigt sich anhand von Musikvideos und Skandalfilmen mit einer "Sprengung der bisher männerdominierten Pornographie von innen", wobei die gesellschaftliche Funktion der Pornographie nicht berührt wird. Wie in der Einleitung angekündigt, findet eine Verlagerung von der Ideologiekritik zur "Analyse der Mechanismen und Mittel für die Bedeutungskonstruktion im Film statt" (S. 12).

Film wird in den "Gender Studies" als "bedeutungskonstruierend" und nicht mehr als "bedeutungsreflektierend" präsentiert. Welche "bedeutungskonstruierende" Funktion die Familie hat, ist u.a. Thema in den Ausführungen zu Ridley Scotts Hollywoodfilm "Gladiator". Die Familie und das "abwesende Weibliche" seien die Beweggründe für die "kulturellen Akte und Aktivitäten der Männer".

Die zur Rezension gewählten Leinwandproduktionen haben keinen weiteren inhaltlichen Zusammenhang als den, daß es sich um Filme verschiedener Genres und Entstehungszeiten handelt. Die Wahl der Aspekte, die zu ihrer Untersuchung herangezogen werden, ist beliebig, analytisch-distanziert. Im Kassenschlager der 50er Jahre "Liane, das Mädchen aus dem Urwald" geht es im Kern darum, wie sich die Nachkriegsordnung der neuen Bundesrepublik und ihre Werte im Film spiegeln. Die Hollywood-Produktion "The Talented Mr. Ripley" wird aus der Gender-Perspektive als "gay's film" untersucht, als eine homosexuelle Initiationsgeschichte. Psychologisch ("präödipal" und "Reödipalisierung") werden die Arthouse-Filme "Oi!Warning" und "Drôle de Felix" gedeutet. Der Film der Performance-Künstlerin Rebecca Horn, "Buster's Bedroom", angeregt durch den Aufenthalt von Buster Keaton in einer Nervenheilanstalt, wird als Hommage an den Stummfilm-Komiker wie an den Film selbst verstanden.

In allen Ausführungen wird die Dramaturgie filmimmanent nachvollzogen und lediglich wiedergegeben, die Konflikte werden als individuelle oder situationsbedingte dargestellt. Es gibt keinen roten Faden, keine Schlußfolgerungen und auch keine kritischen Anmerkungen. Eine Auseinandersetzung mit der gegenwärtigen gesellschaftlichen Wirklichkeit oder ein Bezug darauf und eine Kritik an eigenen gesellschaftlichen Werten wird ausgeklammert oder ist nur sehr verwaschen vorhanden. Deshalb treten formale, ästhetische Aspekte der Filme in den Vordergrund, die Beschreibung entufert. Dies hat zur Folge, daß sich die Texte dem Verständnis des Lesers teilweise entziehen oder mindestens mühevoll zu lesen sind.

Wer sich allerdings über die Wirkung und das Wesen der "Gender Studies" informieren will, sollte sich durch das reiche Angebot dieser Zeitschrift durcharbeiten, denn sie bietet einen guten Überblick über den gegenwärtigen Stand der Diskussion.


Screening Gender
Geschlechterkonstruktionen im Kinofilm
Freiburger FrauenStudien
Zeitschrift für Interdisziplinäre Frauenforschung 14/2004
Herausgeber Meike Penkwitt
jos fritz verlag, Freiburg im Breisgau
347 Seiten
ISBN 3-928013-24-6
ISSN 0948-9975