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REZENSION/468: Webster Griffin Tarpley - Barack Obama (SB)


Webster Griffin Tarpley


Barack Obama

Wie ein US-Präsident gemacht wird



Am 4. November 2008 haben die Amerikaner mit Barack Obama einen Mann zu ihrem neuen Präsidenten gewählt, der erst 47 Jahre alt ist, gerade einmal vier Jahre Erfahrung als Senator in Washington vorzuweisen hat, als Sohn einer alleinerziehenden Akademikerin die meiste Zeit bei den Großeltern aufwuchs, aus bescheidenen Verhältnissen kommt, als Mittelnamen den Nachnamen des im zurückliegenden Vierteljahrhundert größten Feindes der USA, Saddam Hussein, trägt und zu guter Letzt auch noch Afro-Amerikaner ist. Bis dahin hatte es keinen schwarzen Präsidenten in den USA gegeben. Obama selbst war erst der dritte afro-amerikanische Senator in der Geschichte des Landes. Führt man sich all dieser Aspekte vor Augen, wird deutlich, wie außergewöhnlich der historische Ausgang der jüngsten US-Präsidentenwahl tatsächlich ist.

Der kometenhafte Aufstieg Obamas wird häufig mit dem John F. Kennedys verglichen, der 1960 mit 43 Jahren zu dem nach Theodore Roosevelt zweitjüngsten und zum ersten - und bisher letzten - katholischen Präsidenten des mehrheitlich protestantischen Amerikas gewählt wurde. Es gibt jedoch einen großen Unterschied, der den zwischen der irisch-amerikanisch Herkunft des einen und der afro-amerikanischen des anderen überwiegt. Kennedys Vater Joseph war einer der reichsten und mächtigsten Männer Amerikas mit langjährigen Verbindungen zur Politik und Unterwelt. Während der Prohibition hatte der Immobilienhändler und Filmproduzent ein weiteres Vermögen mit dem Alkoholschmuggel verdient und in den dreißiger und vierziger Jahren der demokratischen Regierung Franklin D. Roosevelts unter anderem als US-Botschafter in London angehört. Er hat Himmel und Erde in Bewegung gesetzt, um seinen ältesten Sohn ins Weiße Haus zu hieven. Unter Historikern gilt es inzwischen als unumstritten, daß es die Mafia-Kumpane des Kennedy sen. waren, die auf illegale Weise dafür sorgten, daß JFK bei der Wahl 1960 im Bundesstaat Illinois jenen knappen Stimmenvorsprung bekam, der ihm schließlich den Sieg über den damaligen republikanischen Vizepräsidenten Richard Nixon brachte.

Wie hat dagegen Obama, der praktisch aus dem Nichts kam und der seinen eigenen Vater, einen kenianischen Technokraten, niemals richtig kennenlernte, den Sprung ins Oval Office geschafft? Waren es nur sein Charisma und seine rhetorischen Fähigkeiten, seine optimistische Ernsthaftigkeit, seine Botschaft des "Wandels", gepaart mit der großen Unzufriedenheit der meisten US-Bürger mit den Republikanern nach acht Jahren der Regierung George W. Bush samt scheinbar niemals endenden Kriegen im Irak und in Afghanistan sowie einer kollabierenden US-Volksökonomie? War Obama einfach der richtige Mann am richtigen Ort zur richtigen Zeit? Der Geheimdienst- und Terrorexperte Webster Griffin Tarpley will es nicht glauben. Er hält Obama für eine Marionette mächtiger Interessen, die mit der Einsetzung des ersten schwarzen Präsidenten der USA die internationale Führungsposition Amerikas behaupten und der amerikanischen Bevölkerung in der aktuellen Wirtschaftskrise einen rigiden Sparkurs mit zahlreichen Entbehrungen aufzwingen zu können hoffen.

Für die These Tarpleys, die dieser in seinen neuen, hochinteressanten Buch "Obama - Wie ein US-Präsident gemacht wird" erläutert, spricht nicht wenig. Es bleibt festzuhalten, daß Obama im letztjährigen Wahlkampf Spenden in einer noch nie dagewesener Höhe hat eintreiben können. Offiziellen Angaben zufolge hat Obama 745 Millionen Dollar an Spenden erhalten. Das war doppelt soviel wie sein republikanischer Konkurrent Senator John McCain und zugleich mehr als die 653 Millionen, die vier Jahre zuvor George Bush jun. und John Kerry zusammen aufgebracht hatten. Zwar hat Obama viele kleine Spenden einfacher Leuten erhalten, aber am Ende machten diese nur ein Viertel der Gesamtsumme aus. Drei Viertel seiner Wahlkampfgelder bekam Obama nach Angaben des Campaign Finance Institute von Großspendern mit Verbindungen zur Industrie, insbesondere zum Finanzsektor. Nicht umsonst hat Obama seine Regierung mit Vertretern derjenigen Geldhäuser - Goldman Sachs, Citigroup usw. - besetzt, deren dubiose Spekulationen in der US-Immobilienbranche und im Bereich der Ramsch-Aktien die Welt in die schlimmste Wirtschaftskrise seit der großen Depression der dreißiger Jahre gestürzt haben.

Bereits drei Wochen vor dem Sieg bei der Präsidentenwahl wurde Obama von rund 700 Führungskräften der US-Werbeindustrie zum "Marketer of the Year 2008" der Branchenzeitschrift Advertising Age gekürt. Überschwenglich gelobt wurde von den Experten Obamas PR-Kampagne, die innerhalb kürzester Zeit einen außerhalb von Chicago praktisch unbekannten Politiker zu einer regelrechten "Marke" gemacht hätte, die fast jedem Menschen auf der Welt ein Begriff und mit den allerpositivsten Eigenschaften verbunden wäre. In seinem ebenfalls vor dem Urnengang in den USA veröffentlichten Buch nimmt Tarpley die Werbekampagne um das Produkt "Obama" unter die Lupe, bezeichnet sie als die "größte Medienmanipulation seit den Anschlägen des 11. September 2001" und belegt ausführlich die Parallelen zwischen ihr und den sogenannten Farbenrevolutionen, mittels derer die US-Geheimdienste in den letzten Jahren in diversen Ländern des ehemaligen Ostblocks für "Regimewechsel" gesorgt haben.

Zu den von Tarpley hervorgehobenen Parallelen gehören die Mobilisierung der in politischen Fragen unerfahrenen und daher leichtgläubigen Jugend, die gebetsmühlenartige Wiederholung kurzer, prägnanter Werbeslogans - beim "demokratischen" Putsch im Jahr 2000 in Jugoslawien gegen Slobodan Milosevic hieß es "Er ist erledigt", bei Obama wiederum "We can do it" sowie "Change, we can believe in" - und der Aufbau eines Führers vermeintlich "neuen" Stils. Unter Verweis auf entsprechende Expertisen aus dem amerikanischen Denkfabrikendschungel schreibt Tarpley vom "postmodernen" - weil gewaltlosen - "Staatsstreich". Für die Richtigkeit der These Tarpleys spricht die Tatsache, daß der schwerreiche Finanzmagnat George Soros, deren steuerbegüngstigte Nicht-Regierungsorganisation Open Society beim demokratisch-revolutionären "Rollback" in Osteuropa und Zentralasien bis heute eine führende Rolle spielt, zu den frühesten Gönnern Obamas gehörte.

Hinter der Wahl Obamas zum US-Präsidenten meint Tarpley die Handschrift des heute 80jährigen Zbigniew Brzezinskis, des neben Henry Kissinger einflußreichsten außenpolitischen Experten Amerikas, zu erkennen. Der einstige Nationale Sicherheitsberater Jimmy Carters gilt als unerschrockener Kritiker der Israel-Lobby in den USA, weshalb sich Obama in der ersten Jahreshälfte 2008, als er sich einen heftigen Kampf mit Hillary Clinton um die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten der Demokraten lieferte, öffentlich von ihm distanzierte. Hatte Obama Brzezinski ein Jahr zuvor noch als jemanden bezeichnet, "von dem" er "ungeheuer viel gelernt" habe, so hieß es plötzlich, jener sei lediglich ein "Anhänger", der zu keinem Zeitpunkt ein "Berater" gewesen sei. [1]

Andererseits führt Tarpley zahlreiche Hinweise an, die Obama als politischen Zögling Brzezinskis - ähnlich Madeleine Albright - erscheinen lassen. Anfang der achtziger Jahre studierte Obama internationale Politik an der New Yorker Columbia University. Sein Spezialgebiet war die nukleare Abrüstung. Zur gleichen Zeit arbeitete dort Brzezinski als führender Sowjetexperte. Bei so einer Konstellation fällt es einem schwer, sich vorzustellen, die beiden wären sich nicht begegnet. Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb spielt Obama diese Phase seiner akademischen Laufbahn stets herunter, was Tarpley zu der nicht ganz unbegründeten Spekulation verleitete, daß Brzezinski schon damals den heutigen Heilsbringer Amerikas für höhere Aufgaben auserkoren hat.

Ob dies tatsächlich so geschehen ist, wird man vermutlich niemals erfahren. Doch auch ohne einen entsprechenden Beweis ist unbestreitbar, daß Brzezinski ein wichtiger Berater Obamas gewesen ist und daß Amerikas 44. Präsident bereits begonnen hat, die Vorstellungen des Gründers der Trilateral Commission und führenden Mitglieds des New Yorker Council on Foreign Relations (CFR) zu verwirklichen. Nur kurz nachdem Obama im Februar 2007 seine Bewerbung um die Präsidentschaft bekanntgab, wartete der Washington-Post-Kolumnist David Ignatius mit der Nachricht auf, daß sich das gerade erschienene Buch Brzezinskis mit Namen "Second Chance" wie das "außenpolitische Manifest" eines künftigen Präsidenten Obama lese. In dem Buch empfielt Brzezinski, Amerika müsse weniger auf Waffenstärke setzen und statt dessen mittels Diplomatie und geschicktem Multilateralismus wieder die moralische Führung der Welt übernehmen. Wenige Tage nach der Präsidentenwahl ließ Ignatius in seiner Washington-Post-Kolumne die Katze aus dem Sack. Ihm zufolge hat sich Obama im Juli 2007 mit Brzezinski getroffen, um sich von ihn beraten zu lassen. Was wollte Obama von dem alten Staatsmann wissen? Dazu schreibt Ignatius:

... es ging ihm nicht um die üblichen Positionspapiere oder Sprechblasen für den Wahlkampf. Obama dachte bereits in größeren Zusammenhängen. Was kann ein neuer Präsident in seinen ersten zwölf Monaten außenpolitisch erreichen, was er später nicht schafft? Das wollte Obama wissen. Wie sollte ein neuer Präsident seine nationale Sicherheitsmannschaft reorganisieren, damit die Struktur den Problemen des 21. Jahrhunderts gerecht wird?

Spätestens von diesem Zeitpunkt an war Brzezinski Obamas Berater. Die Angaben Ignatius' sind deshalb von Bedeutung, weil dieser neben seinem Kollegen Bob Woodward als einer der Journalisten in Washington mit besten Verbindungen zum Pentagon und zur CIA gilt. Als Kommentator genießt er hohes Ansehen. Ende Januar hat er selbst für Schlagzeilen gesorgt, als es bei einer von ihm moderierten Diskussion zum Thema Gazastreifen auf dem Weltwirtschaftsforum im Schweizer Davos zu einem heftigen Meinungsaustausch zwischen dem israelischen Präsidenten Shimon Peres und dem türkischen Premierminister Recep Erdogan kam. Seit der Wahl zum Präsidenten hat Obama viele Empfehlungen Brzezinskis in die Tat umgesetzt. Mit Ex-General James Jones hat er einen Nationalen Sicherheitsberater an seine Seite geholt, der ihm erlauben soll, die Außen- und Sicherheitspolitik vom Weißen Haus aus direkt zu steuern. Er hat der Beilegung des Nahostkonflikts zwischen Israelis und Palästinensern höchste Priorität eingeräumt und eine Aussöhnung mit Syrien und dem Iran in Aussicht gestellt. Ob dies nun bedeutet, daß die USA - wie von Tarpley Brzezinski unterstellt - zunehmend die Konfrontation mit Rußland und China suchen werden, muß sich noch zeigen.

19. Februar 2008

1. Tom Baldwin, "Can Barack Obama be a friend of Israel if he talks to Iran?", Times Online, 3. Juni 2008


Webster Griffin Tarpley
Barack Obama
Wie ein US-Präsident gemacht wird (Aus dem Englischen "Obama: The
Postmodern Coup" übersetzt von Ortrun und Hartmut Cramer)
Kopp Verlag, Rottenburg, 2009 (3. Auflage)
221 Seiten
ISBN: 978-3-938516-74-4