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REZENSION/580: Axel Bojanowski - Nach zwei Tagen Regen folgt Montag (Phänomene der Erde) (SB)


Axel Bojanowski


Nach zwei Tagen Regen folgt Montag

und andere rätselhafte Phänomene des Planeten Erde



Himmlische Eisbomben, gewaltige Wasserfälle inmitten des Atlantiks, Schüsse aus dem Nebel - der Hamburger Journalist Axel Bojanowski hat rätselhafte, skurrile und teils unerklärliche Phänomene aus dem Gebiet der Geowissenschaften zusammengetragen und daraus eine angenehm zu lesende Anekdotensammlung gemacht. Für den Neugier weckenden Titel "Nach zwei Tagen Regen folgt Montag" hatten Wissenschaftler allerdings schon gewissermaßen die Steilvorlage geliefert, indem sie sich überhaupt der Frage widmeten, ob es am Wochenende, wenn die Leute ihre Freizeit genießen wollen, tatsächlich häufiger regnet als an Werktagen. Und falls die "gefühlte" Wochenendbewölkung empirisch belegt werden könne, was wohl der Grund für dieses Phänomen sei.

Bojanowski schreibt zwar, daß es für einen Wissenschaftler nicht sonderlich karrierefördernd ist, sich mit solchen Fragen zu befassen, aber so ganz mag der Leser das nicht glauben, nennt der Autor doch den einen oder anderen Forscher, der in der Tat bestätigen kann, was die Menschen, die einen Kurztrip an die See, in den Harz oder an die schöne blaue Donau planen, kennen: Der Himmel bewölkt sich und mit ihm die Laune, je näher der Zeitpunkt der Abreise rückt. Eine mögliche Erklärung: Abgase und Partikel von Autos und Industrie sammeln sich im Laufe der Woche an und bilden Kondensationskerne, mit der Folge, daß es vorzugsweise am Wochenende regnet.

Am Montag, wenn die Leute, genervt vom Schietwetter, hängenden Hauptes wieder zur Arbeit schlurfen, herrscht eitel Sonnenschein, da es sich ja am Sonnabend und Sonntag ausgeregnet hatte. Der Effekt sei klein, aber regional durchaus spürbar, schreibt Bojanowski. Auch ist es am Wochenende in Mitteleuropa statistisch geringfügig kühler als in der übrigen Woche. Gleiches wird aus den USA berichtet, wobei das dort nicht mit vermehrtem Regen einhergeht, wie man eigentlich erwarten könnte. Vielmehr "verdunkelt und kühlt der feine Staub die Luft (...), die Wassertröpfchen, die sich um die feinen Partikel in Wolken sammeln, scheinen jedoch zu klein, um als Regen zur Erde zu fallen - es ist bewölkt, ohne dass es regnet" (S. 24/25). Die Luftverschmutzung habe in Nordamerika sogar gravierende Dürreperioden verursacht, weiß der Wissenschaftsjournalist zu berichten.

Die (bequem einfache) Theorie von der Partikelhäufung zum Wochenende kann allerdings nicht aufrechterhalten werden. Denn sie erklärt laut Bojanowski nicht, warum es auch über dem Nordatlantik in Island und Grönland am Wochenende mehr regnet - die Region ist nun wirklich nicht für regen Autoverkehr und Schwerindustrie bekannt.

Die streunenden Felsen im Tal des Todes in Kalifornien liefern eine der sonderbarsten Geschichten, die der Diplom-Geologe ausgebuddelt hat. Selbst die Experten der US-Raumfahrtagentur NASA haben (bislang) keine abschließende Erklärung dafür, warum in der 4,5 mal 2,2 Kilometer großen Racetrack Playa (dt. "Rennbahn-Ebene") zentnerschwere Felsbrocken vagabundieren. Ein regelrechter Schnelläufer in dieser entlegenen Salz- und Sandwüste ist der Fels, dem die Forscher den Namen "Diane" verliehen haben. Er schafft im Monat 880 Meter, wohingegen der 320 Kilogramm schwere Brocken "Karen" auf gerademal 18 Meter im gleichen Zeitraum kommt. Aber immerhin, die Forscher können nicht einmal schlüssig erklären, wie sich so ein Stein auch nur einen Meter weit bewegt!

Niemand hat je einen wandernden Fels gesehen, und Kameras aufzustellen ist in dem Nationalpark verboten. Vielleicht machen die Parkwächter irgendwann einmal eine Ausnahme von der Regel. Es wäre so einfach: Eine an einen hochsensiblen Bewegungsmelder gekoppelte Kamera aufstellen, Diane in den Fokus nehmen und warten, bis es Zoom macht ...

Komisch ist jedenfalls, daß einige Steine parallel wandern, andere im Zickzack, die meisten sogar bergauf. Wobei die Steigung sehr gering ist, weniger als ein Zentimeter pro Kilometer. Manche Schleifspuren enden im Nichts, das heißt, es gibt weit und breit keinen Fels, von dem sie hätten erzeugt werden können.

Vor zwei Jahren unternahmen 17 Wissenschaftler und Studierende, unter anderem der Slippery Rock Universität - der Name verpflichtet, könnte man die Einrichtung doch mit Rutschiger-Fels-Universität (S. 79) übersetzen - eine Expedition in die raue Gegend, die im Sommer extrem heiß wird, im Winter von heftigen Schneestürmen, zu anderen Jahreszeiten von Starkregen und meist von kräftigen Winden heimgesucht wird. Aber die erreichen keine 800 Stundenkilometern, die erforderlich wären, um Diane und ihre ganze Sippschaft in Bewegung zu setzen.

Der NASA-Forscher Gunther Kletetschka scheint, unter anderem aufgrund seiner Laborversuche, die bislang schlüssigste Theorie für das Phänomen zu liefern. Demnach frieren die Felsen im Winter im Eis fest, dann bricht das Eis in einzelne Schollen, und die werden mitsamt Fels aufgrund des glitschigen Bodens, nachströmenden Regenwassers und des kräftigen Winds bewegt. Ein letztgültiger Beweis für diese Erklärung steht noch aus.

Nicht alle Geschichten sind so spannend wie die der wandernden Steine. Gegen Ende des Buchs fällt der Unterhaltungswert deutlich ab. Da stößt Bojanowski das gelungene Konzept über den Haufen und beschreibt keine sonderbaren Phänomene aus dem Bereich der Geowissenschaften mehr - was sicherlich auf keinen Mangel an abenteuerlichen Geschichten zurückgeht. Statt dessen wird der Autor politisch - klimapolitisch, um genau zu sein. Das vorletzte Kapitel ist mit "Climategate: Heißer Kampf ums Klima" (S. 163) überschrieben und handelt von einer seit Jahren laufenden Auseinandersetzung zwischen selbsternannten Klima"skeptikern", von denen zumindest einige von der Erdölindustrie bezahlt werden, und der Mehrheit der Klimaforscher, die maßgeblich die vom Weltklimarat IPCC herausgegebenen Berichte bestimmen und den gegenwärtigen Klimawandel als mit hoher Wahrscheinlichkeit menschengemacht bezeichnen.

Das Magazin "Der Spiegel", für das Bojanowski die Kolumne "Graf Seismo" schreibt, hat die rund 1000 E-Mails, die britischen Klimaforschern gestohlen und von Unbekannten im November 2010 veröffentlicht wurden, um zu belegen, daß die Klimaforscher die Öffentlichkeit täuschen, gesichtet. Womöglich wollte der Autor aus der vielen Mühe mit der Sichtung noch mehr Gewinn herausschlagen, dabei ist das Erzählerische jedoch verloren gegangen. Bedauerlich. So bleibt nur zu vermuten, daß Bojanowski noch irgendwas mit den Kritikern seiner Berichterstattung über den sogenannten "Climategate"-Skandal, zu denen beispielsweise Prof. Stefan Rahmsdorf vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung zählt [1], auszutragen oder - wer kennt schon die Motive eines Autors - für sie wiedergutzumachen hat.

Im letzten Kapitel, dem 33., erreicht der Unterhaltungswert vollends die Nullinie. Da schreibt Bojanowski über "das wahre Klima" (S. 177). Dazu gibt er die Klimaentwicklung für 19 Städte bzw. Regionen Deutschlands sowie für Österreich und die Schweiz wieder, wobei er jede Seite zur Hälfte mit einer Klimadaten-Tabelle versehen hat. In anderen Zusammenhängen mag das spannend sein, aber, pardon, dann sollte man sich gleich umfassender und vor allem didaktisch besser aufbereitet mit der wissenschaftlichen Darstellung der Klimaentwicklung befassen.

Was bleibt? 162 Seiten durchaus Unterhaltsames aus der Rubrik "rätselhafte Phänomene des Planeten Erde", das man sich gerne zu Gemüte führen kann, wenn draußen wieder einmal die Naturgewalten toben, und der Rest ... naja.

Fußnoten:

[1]‍ ‍http://www.pik-potsdam.de/~stefan/bojanowski.html

10.‍ ‍April 2012


Axel Bojanowski
Nach zwei Tagen Regen folgt Montag
und andere rätselhafte Phänomene des Planeten Erde
Deutsche Verlags-Anstalt, Münschen 2012
224‍ ‍Seiten, 14,99 Euro
ISBN: 978-3-421-04534-8