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REZENSION/588: Linksjugend ['solid] Hamburg (Hrsg.) - Mit Kapitalismus ist kein Frieden zu machen (SB)


Linksjugend ['solid] Hamburg (Hrsg.)


Mit Kapitalismus ist kein Frieden zu machen



Daß mit dem Kapitalismus kein Frieden zu machen ist, liegt in seiner Natur. Angefangen von der ursprünglichen Akkumulation mit ihren in den südamerikanischen Silberminen der spanischen Konquistadoren zu Tode geschundenen Indianervölkern, dem niederländischen Sklavenhandel und dessen Finanzierung durch das Schweizer Bankkapital über das Ausbeutungsregime des Manchesterkapitalismus bis hin zum Wettlauf der Kolonialmächte um die Ausplünderung des Südens beruhte die sogenannte Wertschöpfung des Kapitalismus stets auf einer ungleich größeren Verelendung und Vernichtung menschlicher Existenzen und natürlicher Sourcen. Die Profite der Kapitaleigner zu generieren, den Besitzstand der Eliten zu sichern und das Konsumptionsniveau der Metropolen zu steigern forciert mithin zwangsläufig einen expansiven Prozeß entgrenzter Verfügung und entufernden Verbrauchs.

Die grundsätzliche Schrankenlosigkeit dieses Übergriffs bringt unablässige Konkurrenzkämpfe und Unterdrückungsstrukturen ökonomischer, politischer und insbesondere auch militärischer Art hervor. Überlegene Waffengewalt, ob als bloßes Potential in Stellung gebracht oder blutig exekutiert, erzwingt als Kernstück der Herrschaftssicherung und Durchsetzung der Produktionsverhältnisse Repression nach innen und imperialistische Kriege nach außen. Milliarden verhungernder Menschen, massenhaftes Elend selbst in den hochentwickelten Industrieländern, verheerende Klimakatastrophen und nie endende Kriegszüge sind keine Kollateralschäden des Kapitalismus, sondern folgerichtige Konsequenz seiner inhärenten Logik und Dynamik. Mit ihm ist kein Frieden zu machen im wortwörtlichen wie übertragenen Sinn: Weder werden die Waffen schweigen, solange er die Menschheitsentwicklung dominiert, noch kann mit ihm übereinkommen, wem Unterdrückung und Ausbeutung wo auch immer unerträglich sind.

Der Geschichtslosigkeit einer jüngeren Generation und deren Akzeptanz des Krieges, der wieder zur zweiten Natur unserer Gesellschaft geworden ist, hat die Linksjugend ['solid] Hamburg bereits 2010 im Rahmen ihrer antimilitaristischen Kampagne eine Veranstaltungsreihe zu drängenden friedenspolitischen Fragen der Zeit entgegengesetzt. Der vorliegende Band ist die aktualisierte Dokumentation dieses Anliegens, verschiedene theoretische, politische und praktische Fragen der Friedens- und Antikriegspolitik zur Diskussion zu stellen. Wie es in der Einleitung heißt, habe sich die geistig-moralische Wende, die die Elterngeneration der heutigen Jugendlichen durchlaufen hat, nicht nur auf die Positionierung zu den Waffengängen der westlichen Staaten beschränkt. Vielmehr seien auch die Koordinaten der Diskussion über Krieg und Frieden, Kapitalismus, Imperialismus und Befreiung verschoben worden. Kriegsgegner der politischen Linken von einst sind in opportunistischem Schulterschluß mit den westlichen Eliten von Washington bis Berlin zu glühenden Verfechtern imperialistischer Waffengänge mutiert.

Die ideologische Roßtäuscherei, unsere Sicherheit, die Menschen- und Frauenrechte, grundlegende westliche Werte und die Rettung schutzloser Bevölkerungen stünden auf dem Spiel, wird weithin als unbestreitbare Begründung, in die Schlacht zu ziehen, kolportiert. Als Terroristen, Diktatoren, ja Abbilder Hitlers bezichtigt werden Kriegsgegner entmenschlicht, um Angriffskriege ungestört als weltpolizeiliche und humanitäre Interventionen legitimieren zu können. Die Genfer Konventionen mit Füßen zu treten, Menschen zu foltern und außergerichtlich hinzurichten, Zivilisten mittels Embargos millionenfach zu töten und soziale Errungenschaften niederzubomben gilt heute im gesamten politischen Establishment Deutschlands und selbst in Teilen der Linkspartei als salonfähig. Die Bundeswehr zieht in die Mitte einer Gesellschaft ein und wird in aller Öffentlichkeit begrüßt, um ökonomische und machtpolitische Interessen militärisch durchzusetzen.

Mit seinem einführenden Beitrag zu den neuen Imperialismustheorien von David Harvey und Leo Panitch liefert der Politikwissenschaftler Klaus Henning die theoretischen Grundlagen für eine den realen Verhältnissen angemessene Debatte über die Ursache von Krieg und Frieden auf der Höhe der Zeit. Autoren wie Panitch und Harvey stützen sich auf die marxistischen Klassiker, wenn sie den Imperialismus aus der inneren Logik des Kapitalismus herleiten, wobei sie eine zeitgemäße Überarbeitung und Weiterentwicklung dieser Analyse für unabdingbar halten. Dabei geht Panitch davon aus, daß der Kapitalismus nicht als rein ökonomisches System existieren kann, sondern zwangsläufig spezifische Formen der Staatlichkeit hervorbringt. Der Staat sei das Instrument, die Interessen der kapitalistischen Klassen nach innen und außen durchzusetzen. Panitch kritisiert jene klassischen Theorien, die Staat und Politik zu abgeleiteten Phänomenen des Überbaus erklärten und die in ihnen begründeten spezifischen Dynamiken ausblendeten. Der Staat versuche nicht nur, das Bedürfnis des Kapitals nach ökonomischer Ausdehnung zu befriedigen, er treibe diese Expansion vielmehr seinerseits voran, um das nationale Kapital gegenüber dem anderer Länder zu stärken. Dies könne auf informellem Wege geschehen, indem führende Mächte ihre ordnungs- und wirtschaftspolitischen Maßgaben durchsetzen, oder formell durch militärische Unterwerfung und territoriale Kontrolle. Wie die Beispiele des britischen Empire und des US-Imperialismus zeigten, führe die Krise informeller Systeme in Folge aufstrebender Konkurrenten oder wachsender Gegenbewegungen häufig zur Herausbildung eines formellen Imperialismus.

David Harvey greift auf die ökonomische Krisentheorie des Kapitalismus zurück, wenn er den Imperialismus als Antwort auf die immanente Überakkumulation ausweist. Er stützt sich auf die Argumentation Rosa Luxemburgs, wonach der Kapitalismus auf die Expansion in nichtkapitalistische Milieus angewiesen sei, um seine Verwertungsschwierigkeiten zu lösen. Entweder durch zeitliche Verschiebung überschüssigen Kapitals in langfristige Investitionen oder dessen räumliche Verlagerung, zumeist aber eine Kombination der beiden wirkt der Kapitalismus laut Harvey seiner Krisenhaftigkeit entgegen. Voraussetzung dafür ist eine weltweite Öffnung der Kapital- und Warenmärkte, die mit ökonomischem Druck bis hin zu militärischer Intervention durchgesetzt wird. In Weiterentwicklung einer weiteren These Luxemburgs stellt er der Ausbeutung durch Lohnarbeit die nach wie vor existierende Akkumulation durch Enteignung zur Seite, die durch die neoliberale Privatisierungswelle vorangetrieben wird. Privatisierung geistigen Eigentums, Kommodifizierung genetischen Materials, Raubbau an Allgemeingütern, Überführung von Kreativität, Internet und öffentlichen Einrichtungen in Warenform stellten gewaltsam durchgesetzte räuberische Prozesse dar, die an die ursprüngliche Akkumulation erinnerten.

Beide Autoren sehen in den USA das Zentrum des weltweiten imperialistischen Systems, wobei Harvey das von dort diktierte internationale Finanzwesen der Akkumulation durch Enteignung zuordnet, Panitch in Globalisierung und Neoliberalismus die Wiederherstellung imperialistischer Dominanz Washingtons verortet. Während jedoch Harvey von virulenten Konflikten zwischen den großen Blöcken ausgeht, weist Panitch die USA als Supermacht aus, der sich alle kapitalistischen Industrienationen unterordnen. Er hält in diesem Zusammenhang die Theorie des Ultraimperialismus von Karl Kautsky für hilfreich, wie sie in jüngerer Zeit auch Michael Hardt und Antonio Negri in ihrem Bestseller "Empire" auf ähnliche Weise vertreten, dabei jedoch von einem heute nicht mehr lokalisierbaren Zentrum der Macht ausgehen. Die These einer transnationalen herrschenden Klasse, die in verschiedenen Theorieansätzen mehr oder minder weit ausgelegt wird, grenzt Panitch dahingehend ein, internationale Zusammenschlüsse und Institutionen als Instrumente der führenden Nationalstaaten zu identifizieren.

David Harvey geht von Widersprüchen zwischen Staat und Kapital aus, die eine Art symbiotisches Verhältnis eingehen, aber nicht identisch sind. Wie sich insbesondere in Krisenzeiten zeigt, tritt nicht nur die Konkurrenz der Nationalstaaten, sondern auch die der ihnen zuzuordnenden Kapitale deutlich hervor. Klaus Henning weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß die USA zwar eine Vormachtstellung einnehmen, doch von einer widerspruchsfreien Subordination aller anderen imperialistischer Mächte keine Rede sein könne. Beispielsweise sei das Integrationsprojekt Europas eine Herausforderung für die USA und deren Beherrschung des Weltfinanzsystems. Als antiimperialistische Strategie kommt für Panitch eine Rückkehr des Staates und die Hoffnung auf dessen Reformpolitik nicht in Frage. Die Krise führe auch in den Zentren der Kapitalakkumulation zu einem dramatischen Rückgang des Massenkonsums, dem der Staat mit einem Ausbau des Repressionsapparats begegne. Nur der Widerstand der Arbeiterklasse könne die Kräfteverhältnisse verschieben. Harvey legt hingegen das Augenmerk auf die Akkumulation durch Enteignung und sieht in der Gegenwehr ihrer Opfer vor allem in der "dritten Welt" das entscheidende Moment des Widerstands, mit dem es sich zu verbünden gelte. Wie Henning abschließend anmerkt, schließe eines das andere nicht aus. Linker Internationalismus stelle grundsätzlich die Verbindung zwischen den Kämpfen im eigenen Land und jenen in anderen Weltregionen her.

Nach der Erörterung des Verhältnisses von Staat und Kapital in Hinblick auf Imperialismustheorien skizziert Jürgen Wagner im darauf folgenden Essay die Kontinuitäten und Transformationen der Kriegspolitik der NATO nach 1990 vor dem Hintergrund der sich verändernden globalen Weltordnung und neuer geostrategischer Einschätzungen. Wenngleich die NATO-Partner das Bestreben eint, westliche Vormachtstellung weltweit durchzusetzen, sind Strategie und Praxis im transatlantischen Binnenverhältnis dennoch Veränderungen unterworfen. Nach dem Triumph im Kampf der Systeme wurde die NATO zu einem globalen Interventionsbündnis umgebaut, während sich zugleich Widersprüche zwischen den Verbündeten schärfer als zuvor abzeichneten. Während die USA auf ihrer Führungsposition beharrten, strebten die Europäer eine gleichberechtigte Partnerschaft an. Inzwischen ist dem westlichen Bündnis jedoch im wieder gefestigten Rußland und dem aufstrebenden China eine Konkurrenz erwachsen, die in anderen Weltregionen zunehmend favorisiert wird. Diese Schwächung der westlichen Vormachtstellung führt beiderseits des Atlantiks dazu, die Zusammenarbeit zu vertiefen, um den befürchteten Niedergang abzuwehren. Die Europäer erhoffen sich eine "Pax Transatlantica", die fortan die neue Weltordnung beaufsichtigt. Washington bietet den EU-Staaten einen "Transatlantischen New Deal" an, der den Europäern substantielles Mitspracherecht einräumen soll, sofern sie adäquat mitkämpfen. Inzwischen ist dieses Projekt jedoch ins Stocken geraten, droht doch insbesondere der inzwischen ausgebrochene innereuropäische Konflikt und die von Deutschland offen beanspruchte Vormachtstellung die EU zu spalten und neu zu definieren.

Längst schlägt die Debatte um ein mögliches Ende der westlichen Vorherrschaft hohe Wellen, zumal dieser Niedergang auch von Strategieschmieden und Geheimdiensten als akute Gefahr an die Wand gemalt wird. Der Westen fürchtet sein Monopol auf den Globalisierungsprozeß, die Weltwirtschaftsordnung und das attraktivere Zukunftsmodell an den sogenannten Staatskapitalismus zu verlieren. Hat das neoliberale Wirtschaftssystem zu einer massiven Verelendung weiter Teile der Weltbevölkerung geführt, so ist diese Armut die wesentliche Ursache ausbrechender Regionalkriege. So liegt die Betonung künftiger EU-Militärpolitik auf dem Schutz der Reichen vor den Problemen und Konflikten der Armen. Es geht jedoch nicht nur darum, die Festung Europa gegen Flüchtlingsströme abzuschotten, sondern darüber hinaus um militärische Interventionen, welche die Ströme der Globalisierung schützen, sozialen Widerstand brechen und unter Umständen einen Regimewechsel in anderen Ländern herbeiführen sollen. Die wachsenden Lasten dieser Expansion an diversen Fronten erheben eine transatlantische Wiederannäherung in den Rang einer Notwendigkeit, will man die gemeinsame Vormachtstellung nicht durch wachsende Zersplitterung preisgeben. So läßt das neue strategische Konzept der NATO, das im November 2010 auf dem Gipfel in Lissabon verabschiedet wurde, auch eigene militärische Wege der EU zu, solange dies zu einer größeren Unterstützung der USA im Rahmen der NATO führt.

Der Realisierung dieses Vorhabens sind angesichts der Weltwirtschaftskrise, die nationale Rettungs- und Durchsetzungsversuche forciert, jedoch Grenzen gesetzt. Während Paris und London im Libyenkrieg und mit bilateralen Rüstungsabkommen die militärische Trumpfkarte auszuspielen versuchten, nutzt Berlin die Eurokrise, um den deutschen Dominanzanspruch in die Tat umzusetzen. Frankreich richtet den Blick nach Süden, wurde aber bei der Mittelmeerunion von Deutschland ausgebremst, dessen Schwerpunkt traditionell im Osten liegt. Das bedeutet nicht zwangsläufig, daß das europäische Projekt gescheitert wäre oder die NATO an Schlagkraft eingebüßt hätte. Es zeichnet sich vielmehr ab, daß die Fiktion eines völkerverbindenden transatlantischen Bündnisses und eines gleichberechtigten europäischen Zusammenschlusses zunehmend gegenüber der Realität in den Hintergrund tritt, daß es sich um imperialistische Projekte der führenden Mächte handelt und alle Ansätze der Krisenbewältigung auf verschärfte Repression nach innen und forcierte Übergriffe nach außen hinauslaufen.

Haben die beiden ersten und umfangreichsten Beiträge der vorliegenden Dokumentation insbesondere Grundsatzfragen diskutiert, so nehmen sich die folgenden, sowohl für sich genommen als auch im Gesamtkontext nicht minder aufschlußreichen Erörterungen eher spezifischen Themen an. Niema Movassat behandelt den Iran im Fadenkreuz westlicher Macht- und Interessenpolitik, die das Atomprogramm Teherans systematisch zum Kriegsvorwand aufbaut. Ausgehend von der neueren Geschichte des Landes, die maßgeblich von Versuchen der Einflußnahme seitens der Großmächte geprägt war, analysiert der Autor Schritt für Schritt die Entwicklung des iranischen Atomprogramms bis hin zum aktuellen Konflikt. Dabei widerlegt er die westlicherseits in Stellung gebrachten Verzerrungen, Täuschungsmanöver und Bezichtigungen anhand international anerkannter Standards und überprüfbarer Fakten. In den reichhaltigen Erdölreserven, der relativen Unabhängigkeit und der geostrategischen Lage des Irans sieht Movassat die wichtigsten Gründe für die Einmischung westlicher Staaten, die eine militärische Eskalation mit unabsehbaren Folgen für die gesamte Region herbeizuführen droht.

Lühr Henken geht der Frage nach, welche Ziele die NATO in Afghanistan verfolgt. Er weist die angeblichen Fortschritte der Besatzungsmächte als Zweckpropaganda aus, die eine fortgesetzte Ausweitung des Krieges zu verschleiern trachtet. Da nicht abzusehen ist, daß die Übergabe der sogenannten Sicherheitsverantwortung gelingt, dürfte dessen Zeitpunkt erneut verschoben und die Dauerpräsenz westlicher Militärs fortgeschrieben werden. Die ungeheueren Aufwände dieses Regimes lassen nur den Schluß zu, daß ein vollständiger Abzug nicht vorgesehen ist. Afghanistan gilt mit seinem Reichtum an Bodenschätzen, als Transitland für Pipelines und insbesondere als Keil zwischen Rußland, China und dem Iran als unverzichtbar für das Dominanzstreben der westlichen Mächte, die sich in dieser Region auf unbegrenzte Zeit festzusetzen hoffen.

In seinem Beitrag zu Judentum und Zionismus skizziert Rolf Verleger die verhängnisvolle Entwicklung, welche eine Koexistenz in Palästina Zug um Zug ausschloß und in die Suprematie des Staates Israel mündete. Der Schulterschluß des zionistischen Entwurfs mit den imperialistischen Interessen westlicher Großmächte führte eine permanente Konfliktlage herbei, deren Folge die dauerhafte Unterwerfung der Palästinenser ist. Um einen friedlichen Ausgleich herbeizuführen legt der Autor insbesondere Deutschland ans Herz, daß die Lehre aus der Ermordung des europäischen Judentums niemals sein könne, daß ein jüdischer Staat außerhalb Europas seine nichtjüdische Umgebung nach Belieben drangsalieren dürfe.

Christine Buchholz und Stefan Ziefle verteidigen das Programm der Partei Die Linke, das einer deutschen Kriegsbeteiligung eine klare Absage erteilt, gegen innerparteiliche Aufweichungstendenzen. Aufgabe der Linken müsse es sein, in jedem einzelnen Fall gemeinsam mit der Friedensbewegung der Offensive der Kriegsbefürworter entgegenzutreten und der Bevölkerung Argumente an die Hand zu geben. So sei die UNO mitnichten das Ergebnis des Bemühens un die Einhegung von Kriegen und die Förderung eines zivilisierten Umgangs miteinander. Sie repräsentiere vielmehr den globalen Hegemonialanspruch der USA und ihrer Verbündeten. So blieb die UNO ein Spielball Washingtons, der entweder marginalisiert oder zur Kriegsvorbereitung instrumentalisiert wird. Intergouvernementale Bühnen, auf denen kapitalistische Staaten ihre diplomatischen Positionen verhandeln, bieten der Linken keine Basis für ihre Politik, so das Fazit dieses Beitrags. Der einzige Weg, die eigenen Argumente handlungswirksam zu machen, bestehe im Aufbau von Gegenöffentlichkeit und Gegenmacht von unten.

Die kriegstreiberische Offensive deutscher Militärs um die Zustimmung der Bevölkerung zu Auslandseinsätzen illustriert Michael Schulze von Glasser anhand der Öffentlichkeits- und Nachwuchsarbeit der Bundeswehr. In einem beispiellosen Werbefeldzug zur Rekrutierung für die Berufsarmee inszenieren sich die Streitkräfte mit Sportfesten, Konzerten und Messeständen als Friedenstruppe. Jugendoffiziere infiltrieren auf Grundlage von Kooperationsabkommen Schulen und Universitäten auf breiter Front. Internet-Websites, Videospiele, Printmedien und Unterrichtsmaterialien produzieren ein geschöntes Bild des Kriegseinsatzes, Werbung in Rundfunk, Fernsehen, Zeitschriften und Filmen komplettiert das ideologische Trommelfeuer. Kriege werden nicht zuletzt an der Heimatfront geführt und entschieden, wissen auch deutsche Politiker und Militärs, wenn sie im Kampf um "Hearts & Minds" zur Tat schreiten.

Die eklatante Schwäche der Friedensbewegung zu beenden bedarf nach Auffassung der Autorinnen und Autoren einer theoretischen und praktischen Neuformulierung antiimperialistischer Politik. Parteipolitisches Taktieren mit Kriegstreibern verhindere klare Positionen, wie sie auf Basis der "Kritik der politischen Ökonomie" im Kontext der aktuellen sozio-ökonomischen und geopolitischen Widersprüche entwickelt werden müßten. Um die Schockstarre angesichts der scheinbar niederschmetternden Macht des politischen Gegners und der beklemmenden Ohnmacht zahlloser Mitmenschen zu überwinden bedürfe es einer friedenspolitischen Opposition, die sich nicht als Korrektiv der herrschenden Politik verstehe, sondern diese als Teil des Problems verwerfe. Zu diesem Anliegen leistet die Dokumentation "Mit Kapitalismus ist kein Frieden zu machen" einen inhaltlich fundierten und durchweg lesenswerten Beitrag, der geeignet sein sollte, zur kritischen Diskussion um Kernfragen von Krieg und Frieden anzuregen und sie auf breitere Füße zu stellen.

31. Juli 2012


Linksjugend ['solid] Hamburg (Hrsg.)
Mit Kapitalismus ist kein Frieden zu machen
PapyRossa Verlag, Köln 2012
136 Seiten, 10 Euro
ISBN 978-3-89438-504-0