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NAHOST/107: Blockade des Gaza-Streifens ist verbotene Kollektivbestrafung


Pressemitteilung vom 15. Januar 2010

Blockade des Gaza-Streifens ist verbotene Kollektivbestrafung

Deutsch-Israelische Regierungsverhandlungen am 18. Januar in Berlin müssen Blockade und fehlende Untersuchung möglicher Kriegsverbrechen im Gaza-Krieg behandeln


BERLIN, 15.01.2010 - Samir al-Nadim, Vater von drei Kindern aus dem Gaza-Streifen, starb am 1. November 2009 in einem Krankenhaus in der palästinensischen Westbank an Herzversagen. Er hatte 22 Tage auf die Genehmigung der israelischen Behörden warten müssen, den Gaza-Streifen zu verlassen - eine tödliche Verzögerung. Der Grund: Ein Jahr nach der israelischen Militäroperation im Gaza-Streifen, die am 18. Januar 2009 endete, konnten die Krankenhäuser des Gaza-Streifens bisher nicht repariert oder funktionstüchtig gemacht werden, da Israel so gut wie kein Baumaterial und medizinische Güter und Geräte in das Gebiet lässt.

Israel hatte 2007 eine Blockade des Gaza-Streifen verhängt. 2009 wurde der Import von Lebensmitteln, medizinisch notwendigen Gütern oder Baumaterial nochmals drastisch eingeschränkt. Auch Lieferungen von Hilfsgütern internationaler Organisationen wie der Weltgesundheitsorganisation WHO lassen die israelischen Behörden zumeist nicht zu. Sie begründen die Blockade mit fortgesetzten Angriffen bewaffneter palästinensischer Gruppen auf israelisches Gebiet.

"Die Blockade bedeutet nichts anderes als eine kollektive Bestrafung der Zivilbevölkerung im Gaza-Streifen. Das ist nach dem Völkerrecht verboten", sagte Monika Lüke, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland. "Die Bundeskanzlerin muss die deutsch-israelischen Regierungsverhandlungen am 18. Januar in Berlin nutzen, um die israelische Regierung zur sofortigen Aufhebung der Blockade zu bewegen. Seit dem Ende der israelischen Militäroperation vor einem Jahr kritisieren die internationale Gemeinschaft, die EU und die Bundesregierung die Blockade des Gaza-Streifens. Es ist höchste Zeit, dass die Worte in sichtbare Initiativen umgesetzt werden." Lüke forderte die bewaffneten palästinensischen Gruppen auf, ihre Raketenangriffe auf Israel sofort zu beenden. Die Hamas hatte im November 2009 eine Einstellung der Raketenangriffe bekannt gegeben. Andere bewaffnete Gruppen haben mehrfach dagegen verstoßen und Raketen auf Südisrael abgefeuert.

Ein Jahr nach dem Ende der bewaffneten Kämpfe sind Hinweise auf Kriegsverbrechen von beiden Konfliktparteien weiterhin nicht angemessen untersucht worden. Bei der Hamas gibt es für solche Untersuchungen nicht das geringste Anzeichen, und auf israelischer Seite hat es bisher lediglich Untersuchungen hinter verschlossenen Türen durch das Militär selbst gegeben, die nicht internationalen Standards entsprechen. "Es besteht der begründete Verdacht, dass beide Seiten Kriegsverbrechen begangen haben", sagte Lüke." Dafür müssen die Verantwortlichen belangt werden. Israel und die Hamas sollten endlich unabhängige Untersuchungen nach internationalen Standards, die für solche Untersuchungen gelten, durchführen."


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Quelle:
ai-Pressemitteilung vom 15. Januar 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Januar 2010