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AFRIKA/618: Äthiopien - Menschenrechtler berichten von Klima der Angst


Presseerklärung vom 28. November 2016

50 Tage Ausnahmezustand in Äthiopien:

Menschenrechtler berichten von Klima der Angst und Einschüchterung in der Region Oromia


50 Tage nach der Ausrufung des Ausnahmezustands in Äthiopien berichtet die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) von einem Klima der Angst und Einschüchterung in ländlichen Gebieten der besonders von Protesten gezeichneten Region Oromia. "Die Menschen fürchten weitere willkürliche Verhaftungen. Fast jeder kennt jemanden, der wegen der öffentlichen Proteste gegen die Regierungspolitik festgenommen wurde und seither verschwunden ist", berichtete die Menschenrechtsorganisation unter Berufung auf einen zwölfseitigen Bericht, der Eindrücke von einer Reise in das Hochland Äthiopiens nach der Verhängung des Ausnahmezustands am 9. Oktober 2016 beschreibt und den die GfbV am Montag veröffentlichte. "Spitzel der Staatssicherheit, Zensur und die Blockade sozialer Medien, vieler Fernsehsender sowie des Internets schüren das Gefühl der Menschen, einer Kontaktsperre zu unterliegen und von der Außenwelt isoliert zu sein", sagte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius. So müssen auf Anordnung der Behörden auch Satellitenschüsseln abgebaut werden.

Der Bericht beschreibt die Eindrücke eines mit Oromia vertrauten Reisenden über seine Rückkehr in eine Region, die sich seit dem Beginn der nun schon seit November 2015 andauernden Proteste tiefgreifend verändert hat. Angst und Misstrauen vor Nachbarn und Polizei bestimmen das Leben. Selbst Kinder werden dazu angehalten, mit spielerischem Verhalten nicht die Familie zu gefährden. So sollen sie auf keinen Fall die Geste der überkreuzten, hoch erhobenen Arme zeigen, mit der der Marathonläufer Feyisa Lilesa bei der Olympiade in Rio de Janeiro den Widerstand der Oromo weltweit bekannt gemacht hat. Die Geste wird inzwischen mit fünf Jahren Gefängnis geahndet, heißt es in der Bevölkerung.

Viele Menschen sind verängstigt, weil Sicherheitskräfte willkürlich junge Oromo aufgreifen und festnehmen. Sie gelten in den Augen der Polizei potentiell als verdächtig, weil sich viele Oberschüler und Studenten an den Protesten beteiligten. Die Verhafteten sollen in Militärlagern in Tolay, Awash Arba, Huriso und Dhedhessa festgehalten werden. Viele Angehörige sind verzweifelt, weil sie seit Monaten vergeblich auf ein Lebenszeichen der Festgenommenen warten. Doch niemand beschwert sich, weil man nicht auffallen und in den Fokus der Sicherheitskräfte geraten möchte.

Nach offiziellen Angaben wurden seit der Verhängung des Ausnahmezustandes bereits mehr als 11.000 Oromo verhaftet. Doch die tatsächlichen Zahlen sollen deutlich höher sein. Seit Beginn der Proteste wurden Schätzungen zufolge rund 50.000 Personen festgenommen. Zwischen August und Ende Oktober 2016 kamen mindestens 1.218 Oromo bei der Niederschlagung von Protesten gewaltsam zu Tode.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 28. November 2016
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Telefon: 0551/499 06-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. November 2016

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