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EUROPA/442: Kritik an der Übersetzung im Prozeß Srebrenica-Überlebender


Presseerklärung vom 25. Juni 2008

Protestnote: Übersetzung für Kläger im Prozess Nuhanovic/Mustafic vs. Niederlande ist unzulänglich!


Göttingen, 25. Juni 2008
An den Präsidenten des Landesgerichtes (Rechtbank) in Den Haag
Rechtbank's - Gravenhage
Paleis van Justitie
Herrn H.F. M. Hofhuis
Prins Clauslaan 60
2595 AJ 2595 AJ's Gravenhage
Den Haag


Sehr geehrter Herr Hofhuis,

bei der Anhörung ihm Rahmen der Klage der Srebrenica-Überlebenden Hasan Nuhanovic und Familie Rizo Mustafic gegen die Niederlande am 16. Juni 2008 vor dem Landgericht in Den Haag konnten sich die bosnischen Kläger nicht auf eine adäquate Übersetzung aus dem Niederländischen ins Bosnische verlassen. Dagegen protestieren die Unterzeichner im Namen der Gesellschaft für bedrohte Völker International mit diesem Schreiben ausdrücklich.

Wir sind in großer Sorge, dass Sachverhalte in dem Verfahren aufgrund der Übersetzung falsch oder unzulänglich dargestellt werden und Richter, Anwälte und Kläger keine ausreichende Grundlage für eine objektive Bewertung erhalten. Darüber hinaus gab es bei den Übersetzungen aus dem Niederländischen viel Leerlauf, und das Bosnische, das verwendet wurde, war zum Teil auf sehr niedrigem Niveau. So wurden "desperate Zustände" beispielsweise als "depressive Zustände" bezeichnet, Daten wurden durcheinander gebracht und Zitate in englischer Sprache wurden nicht übersetzt.

Die Vertreter der Gesellschaft für bedrohte Völker saßen mit etwa 50 Überlebenden des Massakers im Saal und im Videoraum des Landgerichtes. Sie konnten die Anhörung der beiden Kläger und der niederländischen Seite ununterbrochen bis 16.30 Uhr verfolgen. Gegen die Niederlande wurde Klage eingereicht, weil sie es unterlassen haben, die Angehörigen der Kläger und tausende andere Einwohner von Srebrenica vor den mordenden Truppen des Generals Ratko Mladic zu schützen.

Nach Auffassung unserer Menschenrechtsorganisation ist es weder den bosnischen Prozessbeteiligten noch den bosnischen Zuhörern zuzumuten, dass sie sich in so einem delikaten Verfahren nicht auf eine zuverlässige und kompetente Übersetzung verlassen können. Erfreulicherweise konnte Hasan Nuhanovic Englisch sprechen und der Familie von Rizo Mustafic stand für ihre eigenen Äußerungen ein eigener Dolmetscher zur Verfügung.

Trotz allem Verständnis für die schwere Tätigkeit der Dolmetscher, die nicht nur profunde Kenntnisse des Hintergrundes, sondern auch eine große Konzentration erfordert, müssen wir Sie als Präsidenten des Landgerichtes dringend darum bitten, dafür zu sorgen, dass für die bosnische Prozesspartei in Zukunft für eine kompetente Übersetzung ins Bosnische gesorgt wird.

Wir danken Ihnen im Voraus und bitten um Verständnis, dass diese Protestnote heute an die Presse verschickt wird.

Mit freundlichen Grüßen

gez. Tilman Zülch, Präsident der GfbV-International
Jasna Causevic, Südosteuropa-Referentin der GfbV-D


*


Quelle:
Presseerklärung Göttingen vom 25. Juni 2008
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
Tel.: 0551/49906-0, Fax: 0551/58028
E-Mail: info@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Juli 2008