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EUROPA/461: Deutsche und bosnische Vergewaltigungsopfer gehen an die Öffentlichkeit


Presseerklärung vom 24. Oktober 2008

Nach Kinostart von "Anonyma - Eine Frau in Berlin"

Deutsche und bosnische Vergewaltigungsopfer wenden sich gemeinsam an die Öffentlichkeit!


Der Film "Anonyma" hat das ganze Grauen, das etwa zwei Millionen deutsche Frauen erlitten haben, der Öffentlichkeit näher gebracht. Für die meisten Frauen zu spät wird dieses Verbrechen immerhin jetzt thematisiert. 200.000 der Frauen haben die Vergewaltigung nicht überlebt.(*)

Deutsche Frauen, die vor über 60 Jahren Opfer, waren und bosnische Frauen, von denen 30.000 vor 15 Jahren in serbischen Konzentrations- und Vergewaltigungslagern gelitten haben, appellieren gemeinsam an die deutsche Öffentlichkeit und Bundesregierung, das Schicksal ihrer Leidensgenossinnen zu erinnern, anzuerkennen, den Überlebenden beider Gruppen, auch materiell, beizustehen und weitere Massenvergewaltigungen wie heute in Darfur und im Kongo beenden oder verhindern zu helfen.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) unterstützte bisher die bosnischen Frauenopferverbände, ihre politischen Forderungen und ihre Projekte vor Ort. Sie begrüßt die Initiative des Frauenverbandes im BDV e.V., sich für die Schwestern in Bosnien zu engagieren.

Die folgenden Forderungen der bosnischen Frauen werden von beiden Verbänden, der GfbV und des Frauenverbandes im BDV e.V. unterstützt:

dass alle Täter, insbesondere Ratko Mladic, zur Rechenschaft gezogen werden.

dass wirksame Zeugenschutzprogramme bei den Prozessen bei nationalen und internationalen Gerichten garantiert werden.

dass die Bemühungen der Suche nach Vermissten, der Exhumierungen und Identifizierung stärker unterstützt werden.

dass die Opfer Renten und freie medizinische Betreuung erhalten und ihre Kinder schulisch und finanziell gefördert werden.

"Die Frauensektion beim Verband der ehemaligen Lagerhäftlinge Kanton Sarajevo", die "Frauen-Opfer des Krieges Bosnien-Herzegowina", die Vereinigung "Mit dem Herzen zum Frieden Kozarac / Prijedor" und der "Verein Izvor ("Quelle") / Prijedor.

"Auf keinem Auge blind" ist seit 1968 Leitlinie der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV). Für sie sind Verfolgung, Vernichtung und Vertreibung, die Einrichtung von Konzentrations- und Vergewaltigungslagern immer und überall ein Verbrechen. In der Vergangenheit wie in der Gegenwart. Das Vermächtnis aller Opfer von Gestern muss Anlass sein, den Opfern von heute zur Hilfe zu kommen, auf allen Kontinenten und in allen politischen Systemen, wo immer Verbrechen begangen werden. Zurückliegendes Leid können wir nicht ungeschehen machen. Wir müssen jedoch dieses zum Anlass nehmen, dazu beizutragen heute derartige Verbrechen zu beenden oder zu verhindern.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker hat sich auch immer wieder der Vergangenheitsbewältigung früherer Verbrechen zugewandt. So hat sie den Nazi-Holocaust an den deutschen und europäischen Zigeunern in Deutschland Ende der 70er Jahre zum ersten Mal zum öffentlichen Thema gemacht, Bundespräsident und Bundeskanzler zur Entschuldigung bewegt, den Eigennamen Sinti und Roma durchgesetzt sowie Wiedereinbürgerungen und bescheidene Wiedergutmachung initiiert.


(*) Die Angaben beziehen sich auf Publikationen von Sander und Johr ("Befreier und Befreite", von Reichling ("Die deutschen Vertriebenen") und andere.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen vom 24. Oktober 2008
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
Tel.: 0551/49906-0, Fax: 0551/58028
E-Mail: info@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Oktober 2008