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EUROPA/575: Bosnien brennt - und Berlin und Brüssel schauen nur zu


Presseerklärung vom 8. Februar 2014

Bosnien brennt!
Berlin und Brüssel - schauen nur zu!

- Bosnien brennt, und die Bundesregierung in Berlin sowie wie die EU in Brüssel schauen zu - schon wieder!
- Erstmals seit dem Krieg gegen Bosnien brennen wieder Regierungsgebäude in Sarajevo!



Von Tuzla über Zenica bis Sarajevo haben Menschen aus blanker Verzweiflung und steigender Wut die Sitze der Regierung belagert. Sie haben sie beschädigt und in Brand gesteckt, weil ihre Not wirtschaftlich und gesundheitlich das nackte Überleben gefährdet - und die korrupten Eliten dies kalt ignorieren.

Die Eskalation wurde von Beobachtern vorher gesagt. Die Regierung in Berlin und die EU waren gewarnt - Bundeskanzlerin Merkel und andere Regierungschefs in Europa haben dies geduldet. Auch während des brutalen Krieges gegen die Zivilbevölkerung von 1992 - 1995 mit über 100.000 Ermordeten, zehntausenden vergewaltigten Frauen, Millionen Vertriebenen, grausamsten Konzentrationslagern und zerstörten Städten und Dörfern - hat Europa dem Genozid tatenlos zugesehen.

Bosnien, dem Opfer von Angriffskrieg und Völkermord, wurde nur halbherzig geholfen. Bosnien wurde ein ungerechter Frieden und der Kompromiss mit den Kriegsverbrechern Milosevic, Karadzic und Mladic aufgezwungen. Das Land wurde aufgeteilt, politisch amputiert, erhielt eine Verfassung aufgezwungen, die jedes Land, auch Deutschland, unregierbar machen würde. Ein Skandal: das erst 1990 wiedervereinigte Deutschland beteiligte sich 1995 daran, den hilflosen Staat aufzuteilen. Der heutige Chef der Münchner "Sicherheitskonferenz", Ischinger, rühmt sich sogar, als führender Diplomat daran mitgewirkt zu haben.

Über 20 Jahre hat die politische Elite Europa die Opfer des Genozides in Bosnien auch nach Kriegsende kalt ignoriert. Sie ein von totalem Krieg zerstörtes Land mit zerstörter Basis und verstörten und verzweifelten Überlebenden sich selbst überlassen - und in die Verelendung gedrängt. Die Menschen, dem Völkermord knapp entronnen, blieben ohne ausreichende Hilfe völlig auf sich gestellt. Vergewaltigte Frauen, kriegsversehrte Männer, elternlose Kinder und Witwen wie Rentner und Arbeiter mit zerstörten Fabriken: der Zynismus der Sieger und der Eliten Europas hat Bosnien nie eine Chance gelassen.

Deutschland selbst hat hunderttausend Kriegsflüchtlinge nach dem Ende dieses totalen Krieges zurück in ein völlig zerstörtes Land geschickt und weitere hunderttausend sind von deutschen Behörden zur Emigration nach Amerika und Australien gezwungen worden. Für die Verantwortung Europas an dem schlimmsten Krieg seit Hitler haben sich die europäischen Diplomaten und Politiker nie wirklich interessiert. Es ist höchste Zeit, diesen Zynismus zu stoppen.

Die GfbV fordert:
  • Bundeskanzlerin Merkel muss ihren Einfluss in der EU und in Bosnien geltend machen, damit der bitterarmen Bevölkerung eine akute Nothilfe gewährt wird - das geht zu einem Bruchteil dessen, was die EU im Kampf mit Russland dem ukrainischen Regime anbietet.
  • Die Bundesregierung muss in der EU darauf drängen, der völlig korrupten Elite Bosnien-Herzegowinas mit Sanktionen zu drohen, von Reisebeschränkungen bis Kontensperren. Nur so werden sich die politischen Eliten bewegen. Dazu muss es einen klaren Katalog der zu erfüllenden Bedingungen geben, was für die völlig verarmte Bevölkerung mit Einkommen weit unter der Armutsgrenze und einer Arbeitslosenquote von 50 % getan werden muss.
  • Die EU muss gemeinsam mit den USA endlich Bosnien aus dem damaligen Kompromiss mit Kriegsverbrechern heraus helfen und die politische Blockade durch den von EU und USA verursachten Vertrag von Dayton beenden. Nur so erhält Bosnien die Chance, sich aus dem politischen und wirtschaftlichen Elend zu befreien. Die EU-Beitrittsverhandlungen mit Serbien müssen dazu genutzt werden, die offene Unterstützung Serbiens für eine weitere Aufteilung Bosniens gegenüber der Führung der Republika Srpska zu beenden und im Gegenteil auf eine moderne europäische Verfassung für Bosnien hinzuwirken. Das niemals aggressive und dennoch durch Völkermord aufgeteilte Bosnien hat ein Recht auf zivile Wiedervereinigung.
  • Die der Korruption verdächtigen politischen Eliten müssen von der EU und den USA dazu gezwungen werden, ihre Konten offen zu legen. Sie müssen mit individuellen Sanktionen belegt und nach Möglichkeit unter Anwendung internationalen Rechts auch zur Verantwortung gezogen werden.
  • Die EU muss ihren Hohen Beauftragten dazu zwingen, endlich seine Haltung der absoluten Passivität aufzugeben und seine Vollmachten zum Durchgreifen zu nutzen. Der völlig überforderte Hohe Beauftragte Valentin Inzko muss so rasch wie möglich ersetzt, nachdem er die Entwicklung jahrelang hat geschehen lassen, ohne einzugreifen.
  • Europa muss deshalb rasch handeln, bevor schon jetzt aktive gewaltbereite und fundamentalistische Kräfte das Vakuum völlig gefüllt haben, dass die Ignoranz der Eliten in der EU über Jahre hat wachsen lassen.
Erstunterzeichner:

Tilman Zülch, Generalsekretär der GfbV, Träger des Menschenrechtspreises Sloboda des Antikriegszentrum Sarajevo 2006, "Srebrenica Award against Genocide" der Mütterbewegungen von Srebrenica 2006, 1996 Silberorden des Wappens des (multiethnischen) Präsidiums der Republik Bosnien und Herzegowina Stefan Schwarz, ehem. Mitglied des Deutschen Bundestages, Ehrenbürger von Sarajevo 1993

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 8. Februar 2014
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Telefon: 0551/499 06-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Februar 2014