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ARTIKEL/337: Gegen Kampf-Drohnen bei der Bundeswehr (ZivilCourage)


ZivilCourage - Nr. 4 / 2018
Magazin der DFG-VK

Gegen Kampf-Drohnen bei der Bundeswehr
Einzigartig in der Nato: Deutsches Parlament muss rechtlich und ethisch prüfen

Von Elsa Rassbach


Schon im Sommer 2012 verkündete das Verteidigungsministerium die Absicht, bis 2014/15 die Bundeswehr mit gemieteten Kampfdrohnen auszustatten und längerfristig an einer eigenen, europäischen Drohne zu arbeiten. "Ethisch ist eine Waffe stets als neutral zu betrachten", meinte der damalige Verteidigungsminister und Christdemokrat de Mazière.

Erst nach einer sechsjährigen Auseinandersetzung mit einer engagierten, hartnäckigen und relativ breit getragenen Bewegung gegen Kampfdrohnen hierzulande konnte das Verteidigungsministerium den ersten Schritt in den Drohnenkrieg machen. Am 14. Juni wurde ein neunjähriger Leasingvertrag mit der Firma Airbus für fünf bewaffnungsfähige israelische Drohnen des Typs Heron TP und zwei Simulatoren unterzeichnet.

Die Auseinandersetzung über die Bewaffnung der neuen Drohnen steht noch bevor. Wie im Koalitionsvertrag vom März 2018 festgelegt, darf die Bundeswehr die teuren neuen Heron TPs zunächst nur als Aufklärungsdrohnen einsetzen, so, wie sie die geleaste und viel preiswertere nichtbewaffnungsfähigen Drohnen des Typs Heron 1 seit 2010 in Afghanistan und seit 2014 in Mali verwendet.

Im Vergleich mit anderen europäischen Ländern ist der Widerstand in Deutschland gegen die Kampfdrohnen-Beschaffung ohnegleichen gewesen. In den letzten zwölf Jahren haben Großbritannien, Italien, Frankreich, Spanien, Holland und Belgien bewaffnungsfähige bzw. bewaffnete US-Drohnen ohne größere öffentliche Debatten bestellt.

Die CIA hatte schon während der Amtszeit von Präsident Clinton heimlich mit der Bewaffnung von Drohnen für "Terroristenbekämpfung" experimentiert. Die USA waren das erste Land, das Kampfdrohnen anschaffte und zum Töten einzusetzte, seit 2001 in Afghanistan. Der US-Drohnenkrieg ist jedoch erst 2009 durch den zivilen Ungehorsam einer kleinen Gruppe von US-Pazifist*innen in die Öffentlichkeit gebracht worden. Danach entwickelte sich in den USA eine intensive Widerstandsbewegung, die durch Recherchen von führenden NGOs in den USA und in Europa unterstützt wurde. 2010 kritisierte der Sonderberichterstatter der Uno die "gezielten" Tötungen der USA durch Drohnen.

Vor diesem Hintergrund gab es in Deutschland gleich nach Verkündung der Drohnenkriegs-Ambitionen 2012 auch in den Leitmedien eine kritische Diskussion. Darauf aufbauend haben die DFG-VK und etwa 150 weitere Organisationen im März 2013 das Netzwerk "Drohnen-Kampagne" gegründet und den Appell "Keine Kampfdrohnen!" unterstützt, den auch etwa 30 Menschen unterzeichnet haben. Die Linke und die Grünen sowie einige bekannte SPD-Persönlichkeiten haben damals den Appell mitunterzeichnet.

In mehreren SPD-Orts- und Landesverbänden wuchs in den folgenden Jahren der Widerstand gegen das Waffensystem. Die SPD-Führung positionierte sich zwar in der Wahlkampagne von 2013 gegen Kampfdrohnen, jedoch unterstützten führende SPD-Verteidigungspolitiker*innen spätestens ab Anfang 2016 das Projekt einer "Euro-Drohne" und die Einführung der Heron TP Drohnen als "Übergangslösung". Nach einer zweimonatigen intensiven Lobby-Kampagne aus der Friedensbewegung gegen Ende der letzten Legislaturperiode hat die SPD-Fraktion im Juni 2017 dann überraschend die Unterzeichnung eines Leasingvertrages für die Heron TP Drohnen mit der Begründung abgelehnt, dass die Munition und die dazu gehörenden Trainingsmaßnahmen für die Bundeswehr schon mitgekauft werden sollten. Im Wahlkampf 2017 äußerte sich die SPD nochmals kritisch zu Kampfdrohnen.

Während der Koalitionsverhandlungen haben Kampfdrohnen-Gegner*innen erneut eine intensive Lobby- und Öffentlichkeitskampagne lanciert. Sie argumentierten, dass es sinnlos und verschwenderisch wäre, bewaffnungsfähige Drohnen anzuschaffen bevor die seit 2013 vorgesehene gesellschaftliche und parlamentarische Debatte über die grundsätzliche Frage der Bewaffnung stattgefunden hatte.

In einem Kompromiss zwischen Union und SPD im aktuellen Koalitionsvertrag wurde das Leasen der Heron TP Drohnen festgelegt, aber ähnlich wie im Koalitionsvertrag von 2013 wurde nochmals versprochen: "Über die Beschaffung von Bewaffnung wird der Deutsche Bundestag nach ausführlicher völkerrechtlicher, verfassungsrechtlicher und ethischer Würdigung gesondert entscheiden. Hierzu wird die Bundesregierung eine gesonderte Vorlage erstellen und dem Deutschen Bundestag zuleiten. Vor einer zukünftigen Beschaffung von bewaffnungsfertigen Drohnen sind die konzeptionellen Grundlagen für deren Einsatz zu schaffen".

In den Bundestagsausschüssen für Verteidigung und Haushalt am 13. Juni bewilligte die Koalition ein Leasing der Heron TP Drohnen für 1.2 Milliarden Euro als Teil der massiven Erhöhung des Militärhaushalts. Noch mehr muss später für die Einsatzkosten der teuren Drohnen bezahlt werden. Linke und Grüne stimmten gegen die Vorlage. Die FDP enthielt sich der Stimme, und die AfD stimmte gegen die Vorlage: Beide Fraktionen sagten, dass sie nur einer schon bewaffneten Drohne zustimmen wollten.

Die Koalitionspartner legten fest, dass vorläufig keine Munition für die Heron TP gekauft werden darf und dass keine Waffenausbildung für Bundeswehrpersonal mit den Heron TP Drohnen stattfinden darf.

Die Anordnung einer ethischen und rechtlichen Prüfung des neuen Waffensystems durch die regierenden Parteien in Deutschland ist unter den Nato-Mitgliedstaaten einzigartig. Sie bietet eventuell eine Möglichkeit für die schon lange benötigte internationale Expertenanhörung und gesellschaftliche und parlamentarische Debatten über den Einsatz von bewaffneten Drohnen, was besonders in Europa eine internationale Ausstrahlung haben könnte. Es besteht jedoch durchaus auch eine Gefahr, dass das Verteidigungsministerium einen Anlass findet, um die Bewaffnung schnell durchzuschieben und "die Würdigung" dementsprechend als ein oberflächliches Durchwinken zu gestalten.

Um dieser Gefahr entgegen zu wirken, müssen wir unser Nein zu einer Bewaffnung der Drohnen weiterhin durch Veranstaltungen und Aktionen aktiv in die Öffentlichkeit tragen und die Lobbyarbeit fortsetzen. Für die neue Situation sind neue Anregungen und neue Diskussionen in der Friedensbewegung nötig. Eine neue Aktionsplanung ist für den Herbst anvisiert.


Elsa Rassbach vertritt die DFG-VK bei der Kampagne "Stopp Air Base Ramstein: Kein Drohnenkrieg!"

www.ramstein-kampagne.eu

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Quelle:
ZivilCourage - das DFG-VK Magazin, Nr. 4 / 2018, S. 22 - 23
Herausgeberin: Deutsche Friedensgesellschaft -
Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen e.V. (DFG-VK)
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Redaktion: ZivilCourage - das DFG-VK-Magazin,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Oktober 2018

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