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STANDPUNKT/138: Reden auf dem Ostermarsch nach Bramstedtlund (DFG-VK Gruppe Flensburg)


Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegenerInnen
Gruppe Flensburg

Ostermarsch von Ladelund nach Bramstedtlund

am Karfreitag, den 25. März 2016


Ostermarschierer mit Transparent 'Bundeswehr abschaffen' und Fahnen mit der Friedenstraube - Foto: DFG-VK

Ostermarschierer an der Gedenkstätte Ladelund
Foto: DFG-VK

Etwa 35 Teilnehmer aus dem nördlichen Schleswig-Holstein beteteiligten sich am diesjährigen Ostermarsch von der Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslager Ladelund zum EloKa Standort Bramstedtlund.

Die Redebeiträge von Siglinde Cüppers beim Auftakt in Ladelund und von Ralf Cüppers vor dem EloKa-Standort in Bramstedtlund folgen nach dieser kleinen Einleitung.

Darüber hinaus sprachen Ludwig Hecker von der VVN-BdA und Pastor i.R Harald Richter, mit 91 Jahren der älteste Teilnehmer, bei der Abschlußkundgebung, bei der auch ein Blumengesteck für die Opfer des Konzentrationslagers niedergelegt wurde. Harald Richter berichtete von seinem Kampf gegen die Remilitarisierung 1952-1956 bis zum Widerstand gegen die heutige Kriegführung der Bundeswehr.

Vor dem Tornado- und Drohnenstandort Jagel wird am Sonnabend, 2.4.2016 um 11.57, "drei vor zwölf" die nächste Mahnwache gegen die Kriegführung der Bundeswehr stattfinden, die übernächste dann am 30.4.2016, ebenfalls "drei vor zwölf".

Siglinde Cüppers zum Auftakt in Ladelund:

Im etwa monatlichen Abstand finden Mahnwachen in Jagel statt. Die nächste ist am 2. April um 3 Minuten vor 12 Uhr vor dem Eingang zum Fliegerhorst in Jagel. Informationen gibt es im Fahrradanhänger.

Es ist die Frage gestellt worden, wieso macht Ihr denn dann den Ostermarsch nach Bramstedtlund?

Die Elektronische Kampfführung der Bundeswehr in Bramstedtlund und der Drohnen- und Tornadostandort in Jagel gehören zusammen.

In Bramstestlund wird militärische Aufklärung also Militärspionage schon lange vor dem Kriegseinsatz betrieben. Von hier aus kann flächendeckend der Funkverkehr und der Mobilfunkverkehr von Ländern und Regionen abgehört und auch gestört und unterbunden werden. Von Bramstedtlund aus wurde in Syrien Jahre vor dem Kriegseinsatz der NATO der Funkverkehr von Assads Regierungstruppen, der Mobilfunkverkehr der unterschiedlichen oppositionellen Gruppen abgehört und an die Oppositionsgruppen weitergegeben, die von den NATO Staaten unterstützt worden sind. Dadurch ist Deutschland nicht erst seit dem Tornado-Beschluß des Bundestages, sondern von Anfang an seit mehr als vier Jahren am Krieg in Syrien beteiligt gewesen. Das mußte die Bundesregierung nach einer Anfrage von Ulla Jelpke (Linke) zugeben. Die militärische Aufklärung aus Bramstedtlund geschieht flächendeckend, rund um die Uhr und langfristig, ist aktive Kriegsvorbereitung. Sie geschieht vom sicheren Bunker aus ist für die Soldatinnen und Soldaten ungefährlich.

Wenn die NATO sich dann aktiv am Krieg beteiligt, ist diese Form der militärischen Aufklärung nicht mehr ausreichend. Denn im Gefechtsgebiet, in dem sich die militärische Lage immer wieder verändert kommt es darauf an, kurzfristig und schnell Informationen direkt vor Ort zu bekommen. Die militärische Aufklärung im unmittelbaren Gefechtsgebiet ist die Spezialisierung der Drohnen und Tornados aus Jagel. Nach ihrem Einsatz und ihren Informationen folgt der Kampfeinsatz.

Selbstverständlich steht dann auch im aktiven Kriegseinsatz die Elektronische Kampfführung als zusätzliche militärische Option weiterhin zur Verfügung, ergänzt und unterstützt.

Militärische Aufklärung und Elektronische Kampfführung wie sie hier in Branstedtlund und durch die Drohnen und Tornados in Jagel betrieben werden, ist aktive Kriegsbeteiligung.

Wir haben uns hier versammelt, um an den Gräbern von Opfern des Zweiten Weltkriegs daran zu erinnern, dass dieses Land wieder Krieg führt.


Ralf Cüppers:

Wir haben hier in Bramstedtlund die "Kastagnette", eine von zwei oder drei Anlagen der Elektronischen Kampfführung, die kleinere Schwesteranlage "Anterra" ist in Daun in der Eifel, einem ebenso strukturschwachen Gebiet. Dann gibt es in Gablingen den "Drehpunkt" oder "Elefantenkäfig" 400 Seemeilen südlich von Bramstedtlund, diese Anlage wurde von der amerikanischen Besatzungsmacht an den Bundesnachrichtendienst übergeben und jetzt als Fernmeldestelle Süd von der Bundeswehr genutzt. Mit technologischer Überlegenheit will die Bundeswehr in asymmetrischer Kriegführung Kriege gewinnen. Die Aufklärung und Ortung macht die EloKa mit ihren Antennenanlagen, die Drohnen, unbemannte autonom computergesteuerte Militärroboter, übernehmen dann die Exekution. Bislang waren dies amerikanische Drohnen, jetzt werden bewaffnete Kampfdrohnen der Bundeswehr dem "Immelmann"-Standort Jagel zugeordnet, dann könnte die Bundesregierung sogar unabhängig von den USA Krieg auf hohem technologischen Stand und mit wenig Personal führen.

Wozu der technische Aufwand, was ist das Ziel? Elektronische Kampfführung (EloKa) ist der Beitrag der Bundeswehr zu den neokolonialen Kriegen der NATO

Die Kriege der NATO unterscheiden sich von den historischen Kolonialkriegen nur durch wenige Merkmale. Als Eroberungskriege wären sie demokratisch nicht zu legitimieren, verstießen gegen das Verbot von Angriffskriegen, das in der UN-Charta verankert ist und gegen das Völkerecht. Um sie dennoch als "gerechte Kriege" zu rechtfertigen, werden sie als "humanitäre Interventionen" zur Durchsetzung von Demokratie und Menschenrechten, zur Unterstützung und zum Schutz verfolgter Minderheiten, zur Stabilisierung und zur Ermöglichung von humanitären Hilfsmaßnahmen dargestellt.

Die neokolonialen Kriege können nicht räumlich begrenzt werden. Sie weiten sich auf die Nachbarstaaten und ganze Regionen aus. Zunächst wurde Saddam Hussein im Irak beseitigt, jetzt gibt es Krieg im gesamten arabischen Raum, in Jemen, Libyen, Syrien. Keines dieser Länder hatte auch nur versucht, ein NATO-Land anzugreifen.

Die neokolonialen Kriege können nicht zeitlich begrenzt werden. Die NATO-Kriege gegen Afghanistan, Irak, Syrien hören nicht auf. Dass ein Krieg durch die übermächtige militärische Gewalt der NATO als "internationaler Völkergemeinschaft" beendet werden könnte, erweist sich als Irrglaube.

Die Kriegsziele sind dieselben wie in den historischen Kolonialkriegen: Ausbeutung von Mensch, Natur und Rohstoffen dieser Ländern, in den VPR festgelegt als "freier Zugang". Gemeinsamkeit aller Länder, die Opfer der NATO-Kriegführung wurden, ist, daß sich deren Regierung zuvor gegen Ausbeutung durch NATO-Länder, Welthandelsorganisation (WTO) und Weltbank abgegrenzt hatten. Die jeweiligen Regierenden wollten den Reichtum ihrer Länder lieber selber ausbeuten und sich daran bereichern. Deshalb wurde ihnen auch Korruption vorgeworfen. Getragen von sozialistischer oder islamischer Ideologie ließen sie aber die Bevölkerung mehr oder weniger daran teilhaben, nur die internationalen Konzerne profitierten davon wenig. Die Regierungen, die nach den NATO-Invasionen installiert wurden, liefern die Reichtümer den internationalen Konzernen aus und für die Bevölkerung blieb danach so wenig übrig, daß sie jetzt massenhaft ihr Land verlassen und nach Europa flüchten. Wir haben die Flüchtlinge aus den arabischen Ländern bekommen, dafür den Ölpreis für Benzin, Diesel und Heizöl um ein Viertel gesenkt, der ist so billig wie seit Jahren nie.

Erstmalig wurde die Strategie des neokolonialen Krieges gegen Jugoslawien angewendet, das sich zuvor geweigert hatte, die Produktionsmittel zu privatisieren und sich den Regeln von Weltbank und WTO zu unterwerfen. Die alte Regierung wurde abgesetzt, die Nachfolger streben in die EU und unterwerfen sich deren internationalen kapitalistischen Interessen. Der Krieg gegen Jugoslawien war die Generalprobe für die Kriege gegen die arabischen Länder: Zunächst wird eine regierungsfeindliche "prowestliche Demokratiebewegung" aufgebaut, auch mit geheimdienstlichen Mitteln. Wenn der Protest gegen die Regierung dann gewalttätig eskaliert und die Regierung dann auch Gewalt anwendet, spricht man von Bürgerkrieg, in den die NATO dann eingreifen "muß". Wenn diese Kriege weiter eskalieren und die Zivilbevölkerung bedrohen, werden die Versorgung und das Lenken der Flüchtlingsströme zur humanitären Aufgabe. Die zunächst kostenlose Hilfe aus den NATO-Staaten zerstört die einheimische Wirtschaft. Danach müssen Güter und Dienstleistungen nach den Regeln der WTO importiert werden und das Land ist in neokolonialer Abhängigkeit.

Für eine im Sinne der NATO erfolgreichen "humanitären Intervention", einen Gewinn des neokolonialen Krieges, bedarf es einer strategischen Aufklärung, elektronischer Kampfführung, informationstechnologischer und waffentechnologischer Überlegenheit in asymmetrischer Kriegführung und die Zusammenarbeit von Militär und Geheimdienst. Die Spionage der EloKa und des Bundesnachrichtendienstes BND sind notwendig, um die Besatzung aufrecht zu erhalten, Aufstände rechtzeitig zu erkennen und im Keim zu ersticken.

Die Bundeswehr hat mit der Aufklärung nun eine Spezialkompetenz erreicht, die innerhalb der NATO unverzichtbar scheint. Damit kann sie einen wichtigen, eigenständigen Beitrag zu den Kriegsverbrechen der NATO leisten.

Die Bundeswehr und die militärbefürwortenden Politiker können sich an allen Kriegen beteiligen, ohne dass die Soldaten im Krieg umkommen oder sichtbar an den Kriegsverbrechen beteiligt sind. Auch die Bevölkerung, die Kriegseinsätze mit deutlicher Mehrheit ablehnt, kann mit dieser Art von Kriegseinsätzen leichter an Krieg gewöhnt werden und belogen werden, wenn die Krieg befürwortenden Politiker behaupten, dass es keine Beteiligung deutscher Soldaten an aktiven Kriegseinsätzen gibt. Mit der Elektronischen Kampfführung werden die Truppenbewegungen und militärischen Strategien der Gegner ausspioniert, die Ziele ausgesucht, die dann von den NATO-Truppen militärisch angegriffen werden.

Die Spezialisierung der elektronischen Kampfführung führt zur Zunahme von hochspezialisierten Fachleuten, die auch als Zivilisten bei der Bundeswehr tätig sind und zur Abnahme von Soldaten. Das aktuelle Investitionsvolumen für den Ausbau der elektronischen Kampfführung beträgt 3,3 Millionen Euro jährlich.

Aufgrund dieser Spezialisierung hat sich die Bundeswehr innerhalb der NATO eine Sonderstellung gesichert, ist in der Kriegsbeteiligung unverzichtbar geworden und in der Kriegsführung gleichberechtigt mit dem Militär der westlichen Siegermächte des Zweiten Weltkriegs beteiligt, ohne deren bisherigen militärischen Einschränkungen weiter ausgesetzt zu sein. So kann die Bundeswehr innerhalb der NATO auch eigene nationale militärische Interessen und Ziele verfolgen. Wenn wir diese Kriegsbeteiligung und eigenständige Kriegführung nicht wollen, müssen wir die Bundeswehr abschaffen.

Krieg beginnt hier, der Widerstand auch. Wir machen heute den Ostermarsch nach Bramstedtlund und am nächsten Sonnabend, am 2. April die nächste Mahnwache in Jagel.

General, der Mensch ist sehr brauchbar,
er kann fliegen und er kann töten,
aber er hat einen Fehler: Er kann denken.

Bertolt Brecht

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Quelle:
DFG-VK-Gruppe Flensburg
Postfach 0112, 24904 Flensburg
E-Mail: flensburg(at)dfg-vk(Punkt)de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. März 2016

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