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OFFENER BRIEF/078: Für den Erhalt des City-Hofs in Hamburg (City-Hof e.V.)


Pressemitteilung vom City-Hof e.V. - Hamburg, 4. Oktober 2018

Aktion "Abbruch der Moderne" und offener Brief vom City-Hof e.V. an Bürgermeister Tschentscher


Am 4. Oktober hat der City-Hof e.V. einen offenen Brief an Hamburgs Ersten Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher geschrieben, in dem er von ihm fordert, das Verfahren zur Neugestaltung des Klosterwalls in der Pufferzone zur Welterbestätte Kontorhausviertel einzustellen und den City-Hof zu erhalten.

Vor ein paar Tagen haben Unbekannte ihre Kritik an dem vom Senat geplanten Abriss des City-Hofes in Form des weißen Schriftzuges "Abriss der Moderne" am City-Hof angebracht.


City-Hof mit Schriftzug 'Abriss der Moderne' - Foto: © City-Hof e.V.

Foto: © City-Hof e.V.

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Offener Brief

Offener Brief
an den Ersten Bürgermeister der
Freien und Hansestadt Hamburg
Herrn Dr. Peter Tschentscher
Senatskanzlei
Rathausmarkt 1
20095 Hamburg

City-Hof und Welterbestätte "Speicherstadt und Kontorhausviertel mit Chilehaus"

Hamburg, 04.10.2018

Sehr geehrter Herr Erster Bürgermeister Dr. Tschentscher,

wir wenden uns an Sie in der Sorge um die geplante Neugestaltung des Klosterwalls in der Pufferzone zur Welterbestätte Kontorhausviertel. Nachdem die Freie und Hansestadt den City-Hof über viele Jahre der Verwahrlosung überließ soll nun an dessen Stelle ein übermächtiger Neubau entstehen. Kurzsichtige und kurzfristige wirtschaftliche Interessen haben sich Seitens des Senates gegen die zahllosen Bedenken, welche vom Hamburger Denkmalschutzamt, Denkmalverein, Denkmalrat sowie weiteren renommierten Institutionen gegen den Abriss des City-Hofes formuliert wurden, durchgesetzt. Der Senat suggeriert stattdessen ein vermeintliches öffentliches Interesse, um den Abriss eines Baudenkmals zu legitimieren. Nach der ICOMOS-Beratungsmission am 30. August 2018 sind wir mehr denn je davon überzeugt, dass die UNSESCO unsere Sichtweise bestätigen wird, nämlich dass Abriss und Neubau sehr wohl einen Schaden für das Welterbe bedeuten würde. Darüber hinaus entstehen durch jede weitere Verzögerung des Ausstiegs aus dem Verfahren immer höhere Kosten für die Stadt und somit für die Steuerzahler*innen. Deshalb fordern wir Sie auf, das Verfahren einzustellen und den City-Hof zu erhalten!

Niemand anderes prägte das Kontorhausviertel so sehr wie Rudolf Klophaus, der an diesem Ort sechs Gebäude entwarf - weshalb viele Menschen inzwischen auch vom "Klophaus-Viertel" sprechen. Mit der Aufnahme des Mohlenhofes in das UNESCO-Welterbe geht nach unserer Auffassung auch eine Aufwertung seiner anderen Entwürfe einher. Diese sechs Gebäude stammen aus sehr unterschiedlichen Phasen der Architekturgeschichte des 20. Jahrhunderts, sodass Klophaus' Werke nicht nur den wechselnden architektonischen Zeitgeist, sondern auch grundlegende gesellschaftliche und politische Entwicklungen widerspiegeln. Das Resultat ist ein steinernes Geschichtsbuch, das die frühe Moderne in der Weimarer Republik ebenso umfasst wie den Heimatschutzstil der Nazi-Zeit. Den historischen Abschluss dieser Reihe bildet der City-Hof, der mit seiner städtebaulichen und architektonischen Gestalt für den politischen Neubeginn in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg steht. Die Zerstörung des City-Hofes hieße, dieses einmalige Ensemble für immer zunichte zu machen. Das darf auf keinen Fall passieren.

Immer wieder beklagen die Abriss-Befürworter, dass der City-Hof allzu sehr mit den benachbarten Gebäuden des Kontorhausviertels breche, vor allem, weil er nicht mit Backstein verkleidet sei. Abgesehen davon, dass hier eine realitätsferne Vorstellung von architektonischer Homogenität in einer Großstadt durchschimmert, wird vergessen, dass es eine sehr bewusste Entscheidung des damaligen Oberbaudirektors Werner Hebebrand war, mit der LECA-Platte einen anderen, ideologisch unbelasteten Werkstoff zu verwenden. Der Hintergrund dabei ist, dass im KZ Neuengamme unter dem Missbrauch von Zwangsarbeitern Backsteine hergestellt wurden, ein Baumaterial, welches in zahlreichen repräsentativen Gebäuden der Nazi-Zeit Verwendung fand. Die kontrastierende Oberfläche des City-Hofes ist also ein historisch relevantes Statement aus der Nachkriegszeit, welches dem Senat entweder nicht bekannt oder egal ist. Wir empfinden das als geschichtsvergessen.

Rudolf Klophaus hat erkannt, dass sich das Grundstück am Klosterwall für die traditionelle Blockrandbebauung nicht eignet. Der geplante Neubau dagegen besticht erwartungsgemäß mit tiefen dunklen Schluchten - nach dem Motto: Tradition muss sein, auch wenn das Resultat nicht funktional ist. Dementsprechend gehört gerade die Anordnung der vier Türme quer zum Klosterwall zu den herausragenden gestalterischen Merkmalen des City-Hofes. Abgesehen davon, dass auf diese Weise sämtliche Räume im City-Hof gleichermaßen mit Licht versorgt werden, bedeutet dieses außerdem, dass die dahinter liegenden Gebäude des Kontorhausviertels nicht vollständig verdeckt sind, sondern von Osten aus sichtbar bleiben. Vom Deichtorplatz und Klosterwall sowie vom Arno-Schmidt-Platz aus ergeben sich dementsprechend Sichtbeziehungen auf Chilehaus, Sprinkenhof und Bartholomay-Haus. Der geplante Neubau dagegen bestünde aus einem geschlossenen Riegel, der diese Sichtbeziehungen verstellen und so einen Schaden für das Welterbe Kontorhausviertel bedeuten würde [...]. Das gilt es auf jeden Fall zu verhindern.

Trotz dieser zahlreichen fachlichen Bedenken vermittelt der Senat in der Öffentlichkeit den Eindruck, als bestünde die Gruppe der Abrissgegner nur aus einer kleinen Schar Ewiggestriger, die man dementsprechend vernachlässigen könne. Deshalb sei an dieser Stelle noch einmal an die Sachverständigen-Anhörung des Stadtentwicklungsausschusses der Bürgerschaft am 1. März 2016 erinnert. Alle sechs von den Fraktionen benannten Experten sprachen sich zu diesem Anlass für eine Neuausschreibung des Verfahrens aus, fünf sogar gegen einen Abriss. Dazu gehörte auch der von der SPD berufene Hermann Hipp, welcher sich außerdem gegen die Privatisierung der städtischen Immobilie aussprach. Eine schallende Ohrfeige, die der Senat geflissentlich verschweigt.

Neben den geschichtlichen gibt es aber auch noch ganz andere Argumente, die für den Erhalt des City-Hofes sprechen, beispielsweise den Aspekt der ökologischen Nachhaltigkeit, da beim Abriss und Neubau so großer Gebäude sehr viel "graue Energie" verschwendet wird. Um Ressourcen zu sparen und den Ausstoß an CO2 zu reduzieren wäre also eine Sanierung des Bestandes sehr viel vernünftiger. Wer wenn nicht die Stadt sollte beim Thema Umwelt mit gutem Beispiel vorangehen?

Ein großes Ärgernis ist außerdem die Tatsache, dass eine für die Freie und Hansestadt und die Menschen derart weitreichende Entscheidung wieder einmal unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden hat. Zu keinem Zeitpunkt gab es für die Bürger*innen Hamburgs eine Möglichkeit, sich an der Gestaltung des Areals am Klosterwall zu beteiligen. Die Gewinninteressen der Investoren scheinen dem Senat wichtiger zu sein als die Bedarfe der Menschen. Wir finden, dass diese Haltung nicht mehr zeitgemäß ist.

Vor allem jedoch ist das vom Hamburger Senat immer wieder implizierte höhere öffentliche Interesse an einem Neubau sachlich nicht nachvollziehbar, vielmehr wird dieses Scheinargument nur deshalb bemüht, weil man eine formale Legitimation für die Aushebelung des Denkmalschutzes benötigt. Die Stadt untergräbt hier also bewusst ihre eigenen Gesetze und sendet somit ein katastrophales Signal, mit der Konsequenz, dass zukünftig auch Besitzer*innen von privaten Denkmälern auf Abriss ihrer Immobilien bestehen könnten. Dieses Verhalten ist schlicht verantwortungslos.

Ein wichtiges Argument, mit dem der Neubau gerechtfertigt werden soll, ist die Schaffung von Wohnraum. Wie der Senat jedoch weiß, wäre diese auch im Bestand möglich, wie der Entwurf von Gerkan, Marg und Partner gezeigt haben, welcher sogar deutlich mehr Wohnungen vorsah als der geplante Neubau! An diesem Punkt wird die Öffentlichkeit also bewusst in die Irre geführt.

Auch die vom Senat vorgeschobene "städtebauliche Neuordnung" rechtfertigt den Abriss des City-Hofes nicht. Mit dem geplanten Neubau entstünde kein schönerer Stadteingang, sondern vielmehr eine abweisende Stadtmauer. Ein sanierter City-Hof wäre dementsprechend die einladendere Geste und der angemessenere Umgang mit unserem baukulturellen Erbe.

Das bedeutet unterm Strich: Es gibt kein einziges rationales Argument, mit dem sich der Abriss des denkmalgeschützten City-Hofes legitimieren ließe.

Und schließlich bestünde auch noch die Möglichkeit, dass die Stadt Hamburg den City-Hof nicht verkauft, sondern ihn stattdessen zu einem urbanen Leuchtturmprojekt entwickelt, in dem man dort sozialen Wohnungsbau, soziale Einrichtungen, alternative Wohnkonzepte sowie Unterkünfte bzw. Galerien für Künstler*innen schafft. Ein städtisches Projekt, welches beweist, dass Hamburg nicht nur schick und vornehm kann, sondern genauso sozial und kreativ, und das nicht etwa am Rande der Stadt, sondern mitten in ihrem Herzen. Nicht weniger also als ein soziales Äquivalent zur Elbphilharmonie.

Aus all diesen Gründen appelieren wir an Sie, sehr geehrter Herr Erster Bürgermeister, den Plan zum Verkauf des Areals am Klosterwall an Aug. Prien aufzugeben und den City-Hof zu erhalten!

Mit freundlichen Grüßen

Amelie Cassada, Christoph Duwe, Marius Geisler, Marco Alexander Hosemann und Tuo Li im Namen vom City-Hof e.V.


Der offene Brief ist als PDF-Datei zu finden unter:
http://www.city-hof.org/wp-content/uploads/2018/10/Offener-Brief-vom-City-Hof-e.V.-an-B%C3%BCrgermeister-Tschentscher-1.pdf

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Quelle:
City-Hof e.V. - Für gelebte und gebaute Kultur
Hanssensweg 9, 22303 Hamburg
E-Mail: info@city-hof.org
Internet: www.city-hof.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Oktober 2018

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