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STELLUNGNAHME/061: Wird ein auf Europa begrenzter Atomkrieg wieder denkbar? (Grundrechtekomitee)


Komitee für Grundrechte und Demokratie - Pressemitteilung vom 4. Mai 2015

Modernisierung der Atomwaffen in Büchel:

Wird ein auf Europa begrenzter Atomkrieg wieder denkbar?


Mit völlig modernisierten Atomwaffen in Büchel/Eifel und anderswo in Europa entsteht erstmals seit den 1980er Jahren eine Konstellation, die einen Atomkrieg in Europa möglich erscheinen lässt. Die Bundesregierung beteiligt sich an diesem gefährlichen Projekt. Dagegen protestieren wir und rufen die Öffentlichkeit zu bundesweiten Diskussionen auf. Das Grundrechtekomitee wird sich am 9. Mai 2015 an den Protesten der Friedensbewegung in Büchel beteiligen.

Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit planen die USA die verharmlosend "Modernisierung" genannte Stationierung neuester Atomwaffen (B 61-12) in Europa. Mit diesen Atombomben, neuen strategischen Nuklearwaffen, zielgenauen konventionellen Hyperschallwaffen und dem Ausbau des Raketenabwehrsystems wird eine bedrohliche Erstschlagskapazität gegenüber Russland aufgebaut: ein Szenario, bei dem im Kriegsfall das US-Territorium verschont und der Nuklearkrieg auf Europa begrenzt werden soll. Die USA hatten den ABM-Vertrag zur Begrenzung von Raketenabwehrsystemen einseitig gekündigt. Nach dem Vorwurf, Russland habe den INF-Vertrag verletzt, wird in den USA die Stationierung neuer nuklearer Mittelstreckenwaffen in Europa, sogar in den neuen östlichen NATO-Staaten, erwogen. Auch Russland reagiert mit der Modernisierung seiner Nuklearwaffen. Das Grundrechtekomitee fordert, statt des Aufbaus neuer Drohkulissen die aktuell beschädigten Dialog-Strukturen zwischen NATO und Russland wiederzubeleben und Wege neuer politischer Annäherung zu suchen.

Auf der am 27. April in New York begonnenen Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag (NPT) wurden bereits starke Besorgnisse über ein neues nukleares Wettrüsten geäußert. Die vom Vertrag geforderte weltweite Abrüstung der Atomwaffen ist nicht in Sicht, obwohl inzwischen 125 Staaten eine entsprechende Konvention fordern. Die Bundesregierung hat sich dieser Position nicht angeschlossen, sondern bleibt mit ihrem Beschluss vom 24.4.2015 (BT-Drs. 18/4681) weit hinter den Forderungen von 2010 zurück. Damals hatte der Deutsche Bundestag mit großer Mehrheit beschlossen, "einen wirksamen Beitrag zu einer Welt ohne Atomwaffen leisten" zu wollen (BT-Drs. 17/1159) und sich für den Abzug der in Deutschland verbliebenen Atomwaffen einzusetzen. Die nukleare Teilhabe Deutschlands wie auch anderer NATO-Staaten bedeutet einen permanenten Verstoß gegen den Atomwaffensperrvertrag.

Die Bundesregierung will sich durch die Modernisierung ihrer Atomwaffen-Trägerflugzeuge, die in Büchel stationierten Tornado-Jagdbomber, an der neuen Aufrüstungsrunde auch direkt beteiligen. Die geplanten B 61-12-Bomben sind zielgenauer und hinsichtlich der Sprengladung verschieden ausrüstbar, so dass Einsatzhemmschwellen sinken. Der Unterschied zwischen taktischen und strategischen Bomben wird durch die B 61-12, die für verschiedene Trägersysteme geeignet ist, aufgehoben. Dadurch werden künftige Abrüstungsverhandlungen schwerwiegend beeinträchtigt.

Die Umrüstung auf B 61-12-Bomben kommt wegen deren völlig neuer Qualität einer Neu-Stationierung von Atomwaffen auf dem Boden der Bundesrepublik gleich. Deshalb ist eine breite politisch-demokratische Debatte notwendig, zu der wir dringlich aufrufen. Der Deutsche Bundestag muss diese Neustationierung ablehnen. Wir fordern den endgültigen Abzug der in Deutschland verbliebenen Atomwaffen, die Beendigung der nuklearen Teilhabe Deutschlands in der NATO und ein stringentes Hinwirken der Bundesregierung auf die weltweite Abschaffung und Ächtung aller Atomwaffen. Dafür muss sich die Bundesregierung bei der bis zum 22.5.2015 tagenden NPT-Überprüfungskonferenz in New York einsetzen.

Prof. Dr. Andreas Buro
Martin Singe

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Quelle:
Pressemitteilung vom 4. Mail 2015
http://www.grundrechtekomitee.de/node/690
Komitee für Grundrechte und Demokratie
Aquinostr. 7 -11, 50670 Köln
Telefon 0221 97269 -30; Fax -31
E-Mail: info@grundrechtekomitee.de
Internet: www.grundrechtekomitee.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Mai 2015

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