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STELLUNGNAHME/143: Es geht um die Menschenwürde - Einmalzahlungen sind nicht ausreichend (RAV)


Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V. - 07.09.2022

Es geht um die Menschenwürde - Einmalzahlungen sind nicht ausreichend

Stellungnahme des RAV zur sozialen Krise und zum Dritten Entlastungspaket der Bundesregierung


Es gibt ein Existenzminimum; ein Mindestmaß an Einkommen, was jeder und jedem zusteht, um ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Dieses zu gewährleisten ist zentraler Leitpunkt des Grundgesetzes, Ausgangspunkt sämtlichen staatlichen Handelns. So das Idealbild. Schon das vom Bundesverfassungsgericht als noch zulässig erachtete Minimum dessen, was einer Person im Monat zustehen muss, ermöglicht in der Praxis nur schwer ein menschenwürdiges Leben. Eine Vielzahl der Einkommen - Hartz IV, Mindestlöhne, Renten, Asylbewerberleistungen, BAföG - werden bei den jetzigen Preissteigerungen und den kommenden Gas-, Energie- und Heizkostenrechnungen das Minimum, das allen zusteht, nicht mehr gewährleisten.

Es geht um die Existenz

Die Lebenshaltungskosten steigen rasant. Kosten für Lebensmittel, Benzin, Fortbewegung und Miete steigen in einem lang nicht gekannten Maße. Die Kosten für Energie und Heizung treiben die Inflation in die Höhe und sind dabei noch nicht mal richtig bei den Verbraucher*innen angekommen. Das wahre Ausmaß der Preissteigerungen wird erst im Herbst und bei den nächsten Betriebskostenabrechnungen erkennbar werden.

Besonders hart treffen die explodierenden Kosten Leute mit geringem Einkommen: Empfänger*innen von Transferleistungen, Rentner*innen und Geringverdienende. Mit den jetzigen Einkommen werden die Preissteigerungen nicht kompensiert werden können. Millionen haben kein Vermögen, keine Rücklagen, die angezapft werden können, um Engpässe zu überbrücken. Für sie geht es um die Existenz.

Es geht um Gerechtigkeit

Das menschenwürdige Existenzminimum ist nicht verhandelbar. Es steht nicht zur Disposition der Regierung. Es stellt eine Grenze dar, die nicht unterschritten werden kann.
Diese Grenze, das Mindeste, was der Staat zu gewährleisten hat, diese Grenze wird gerade massiv unterschritten - für einen immer größeren Teil der Bevölkerung. Sämtliche Maßnahmen, die auf Einmalzahlungen hinauslaufen oder auf die Deckelung bestimmter Kosten, wie bspw. bei Energie und Gas, können nur Teile der Last minimieren und auch nur für einen bestimmten Zeitraum.

»Die jetzige Situation macht grundsätzliche Änderungen nötig. Ein menschenwürdiges Leben setzt ein menschenwürdiges Einkommen voraus. Hierzu bedarf es einer sofortigen und strukturellen Änderung der Einkommenslage großer Teile der Bevölkerung« sagt Dr. Peer Stolle, Vorsitzender des RAV. Einmalzahlungen, wie sie jetzt im Dritten Entlastungspaket der Bundesregierung vorgesehen sind, reichen nicht aus. Es bedarf weiter auch einer gerechten Verteilung der Lasten. Während Teilen der Bevölkerung die Verelendung droht, machen einige Unternehmen Milliardengewinne. Der Übergewinn muss - wie es auch in anderen Ländern passiert - abgeschöpft und zur Finanzierung von Ausgleichmaßnahmen herangezogen werden.

Die Notlage tritt nicht erst ein, wenn die Energierechnungen kommen, die Notlage ist schon jetzt da. Die Inflation macht für viele schon jetzt ein Leben in Würde unmöglich. Anpassender Maßnahmen bedarf es jetzt und nicht erst im Herbst.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband fordert die Umsetzung der folgenden Maßnahmen:

  • Erhöhung der Grundsicherung auf 678 Euro
  • Erhöhung des BAföG auf 678 Euro
  • Übernahme der Stromkosten für Grundsicherungsbeziehende
  • Deutliche Erhöhung und Ausweitung des Wohngeldes insbesondere für Geringverdiener*innen bereits zum jetzigen Zeitpunkt.

Diese Maßnahmen müssen jetzt erfolgen. Sollte dies zeitnah nicht möglich sein, sind Sofortzahlungen zu leisten, um unverzüglich eine menschenwürdige Existenz für alle zu gewährleisten.

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Quelle:
Stellungnahme vom 7. September 2022
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V.
Haus der Demokratie und Menschenrechte
Greifswalder Straße 4 | 10405 Berlin
Telefon +49 (0)30 417 235 55 | Fax +49 (0)30 417 235 57
E-Mail: kontakt@rav.de
Internet: www.rav.de

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 7. September 2022

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