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AUTOREN/048: Salut für Arno Schmidt und Alfred Andersch (NG/FH)


Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte Nr. 1+2/2014

Zwei Hundertjährige
Salut für Arno Schmidt und Alfred Andersch

von Hanjo Kesting



Dass er, wie sein Freund und Förderer Alfred Andersch ihm nachrief, "einer der größten Meister deutscher Sprache und Dichtung" war, ist erst spät ins öffentliche Bewusstsein gedrungen - als nämlich die Verleger, Schmidts lebenslänglicher Gram, sich postum um ihn zu streiten begannen. Die Konjunktur des Schriftstellers begann im Gerichtssaal. Heute ist er längst in das Dichterelysium eingezogen, das er einst nicht ohne Ironie beschrieben hat.

Arno Schmidt, geboren im Januar 1914 in Hamburg, früh zum Schreiben, aber (kriegsbedingt) spät zum literarischen Publizieren gekommen, lange Zeit wenig gelesen, ein Geheimschreiber, öffentlich umstritten, früh bewundert und propagiert von wenigen Eingeweihten, ein grimmiger Humorist und unstillbarer Aufklärer, ein Wortwerker und Magier, bibliomaner Schatzgräber und Wünschelrutengänger im babylonischen Bücherturm, norddeutsch-provinziell und kosmopolitisch, unermüdlich schweifend zwischen den Polen des Populären und des Hermetischen, zwischen Jules Verne und James Joyce, Karl May und Edgar Poe, ein Großmeister der Übersetzungskunst und Virtuose der Sprache, Fürst und leibeigener Sklave in seinem Reich, der Litteratur, die er stets mit zweifachem tt, nach lateinisch "littera", der Buchstabe, schrieb: Arno Schmidt war schon zu Lebzeiten eine Legende, als Sonderling und Solipsist in der Heide, als siebenfach versiegelter Großschriftsteller von einem fernen, doch leuchtkräftigen literarischen Planeten.

Seine Bücher, heute begehrte Objekte und bibliophile Raritäten, galten einst als ebenso schwer zugänglich wie der Autor selbst hinter den Zäunen und Hecken seiner Bargfelder Enklave. Undurchdringlich erschien auch die Dornenhecke der Deutungen, die das Heer der Interpreten um sein Werk errichtet hatte. Heute beschert uns die Bargfelder Ausgabe die originalen Texte seiner Werke, auch jener Bücher, in denen früher der Hochmut oder Kleinmut der Zensoren wütete, und eine Stiftung, gegründet von Alice Schmidt, der Witwe des Schriftstellers, und dem Schmidt-Bewunderer Jan Philipp Reemtsma, hütet den heiligen Hort. Arno Schmidt, Prophet seiner selbst, schrieb aus Anlass des Steinernen Herzens: "... wahrscheinlich wird dereinst der Augenblick kommen, wo man die Kreditive für die Textvarianten verlangt". Der Augenblick ist längst da, und nicht nur Textvarianten, auch Miszellen und sogenannte "Juvenilia" sowie Fotoarbeiten beflügeln ein Unternehmen, bei dem vormals selbst mit Geniestreichen das tägliche Brot nicht zu verdienen war.

Ein Gegenstand lebenslanger Beschäftigung für Schmidt war der Großschriftsteller der deutschen Literatur Karl May. Der meistgelesene aller deutschen Autoren, oft geringgeschätzt, hat immer gewichtige Fürsprecher gehabt: Ernst Bloch, Carl Zuckmayer, Hans Wollschläger oder eben Arno Schmidt. Dessen Verhältnis zu dem Produktionsgenie aus Radebeul war zwiespältig. Schmidt hat Bewunderndes und drastisch Abfälliges über May gesagt, aber auffällig bleibt unabhängig von aller Bewertung, dass Schmidt sich mit keinem anderen Autor so ausführlich und kontinuierlich auseinandergesetzt hat wie mit dem Erfinder von Old Shatterhand und Winnetou, Kara ben Nemsi und Hadschi Halef Omar. Es macht ja auch keine geringe Mühe, die 70 Bände der Karl May-Gesamtausgabe mit kritischen Augen zu durchpflügen. Nicht weniger als zehn Aufsätze, Glossen, kritische Streifzüge und Funkdialoge hat Arno Schmidt Karl May gewidmet. Die Gründe dafür wird man mindestens ebenso in der Faszination des Lesers Arno Schmidt zu suchen haben wie in seinem Bemühen, die Rolle Karl Mays im Seelenhaushalt der Nation zu ergründen. Im deutschen "Normalgehirn", schrieb er, finde man neben Karl dem Großen und dem alten Fritz, neben Schneewittchen und den sieben Zwergen unweigerlich auch Old Shatterhand vor. Man darf vermuten, dass auch in seinem - Schmidts - deutschen Mehr-als-normal-Gehirn Old Shatterhand eine wichtige Rolle spielte.

Sein Weg zum Ruhm war lang, den Erfolg hat er nicht erlebt, die Lebensform war entsprechend eingeschränkt. Lange Jahre musste er von Brotarbeiten für den Rundfunk leben. Die meisten davon entstanden in den 50er und frühen 60er Jahren, überwiegend beim damaligen Süddeutschen Rundfunk in Stuttgart, wo Alfred Andersch, der Jahrgangsgenosse, als Redakteur tätig war und Schmidts Arbeit unermüdlich zu fördern suchte. Notgedrungen wurde Schmidt zum "Funkautor": Im Nachprogramm durfte man "schwierig" sein. Doch ist bei der sogenannten Brotarbeit etwas Einzigartiges entstanden: eine "Funkliteratur" von großem Reiz und medialer Eigenart - rund drei Dutzend Dialoge und Debatten, Streitgespräche und Wechselreden über Gegenstände der Literatur. Diese Dialoge - über englische Autoren wie Dickens, Bulwer, Wilkie Collins, James Joyce oder die Schwestern Bronte, über deutsche Autoren wie Klopstock, Wieland, Moritz, Tieck, Stifter oder eben Karl May, oder auch über weithin vergessene Autoren wie Gustav Frenssen, Karl Gutzkow, Johannes von Müller, Heinrich Albert Oppermann oder Carl Spindler -, diese Dialoge - nur ein Teil ist hier aufgezählt - werden noch für lange das Entzücken der Literaturfreunde sein mit ihren schrägen Erkenntnisblicken, asymmetrischen Klugheiten und humoristischen Respektlosigkeiten - die Marotten und Manierismen, bizarren Vorlieben und pedantischen Schulmeistereien eingeschlossen.

Das ist aber nur die eine Seite. Die andere besteht darin, dass Sprechen und Schreiben, Hören und Lesen in diesen kunstvoll inszenierten Hör-Texten geschwisterlich verbunden, ja zwillingshaft ähnlich erscheinen. Es sind Hör-Feste eines impulsiven, reizbaren Intellekts, der antithetisch, dialektisch, sokratisch operiert und die Langeweile der Besserwisserei mit selbstironischen Geistesblitzen würzt. War der Funkautor Schmidt für das Radio ein Glücksfall, so wurde das Radio mit seinem akustischen Imaginationsraum zum Glücksfall auch für ihn. Dieses Medium hat seine Prosa geprägt, vielleicht ihre innere Vielstimmigkeit erst richtig entfesselt. Schmidts Bücher waren - und wurden es immer mehr - Partituren. Der Leser muss sie akustisch, d.h. hörend und sprechend, mitinszenieren, mitinstrumentieren. Man denke an Schmidts skurril-tiefsinnige Zeichensetzung: seine atmenden Gedankenstriche, hämmernden Ausrufungszeichen, seufzenden Doppelpunkte, an die Echowirkungen seiner Fragezeichen und die Klangregisterwechsel seiner Parenthesen, diese ganze komplexe Choreografie phonetischer und mimetischer Zeichen, mit denen seine Leseprosa durchsetzt ist, durch die sie Atem gewinnt, in vielen Zungen spricht. Bei Arno Schmidt sind Schreiben und Lesen nicht, wie Goethe sagte, ein trauriges Surrogat von Sprechen und Reden: dieser wunderlich-obsessive Büchermensch reizt listig alle unsere Sinne.

So ist er einzig und einmalig mit seiner lebenslangen Fron im Dienst an der "Litteratur", ihr Zauberer, Berserker und Luftgeist. Sein Werk stellt noch heute eines der größten Leseabenteuer dar, die man haben kann. Wer einen Weg zu ihm sucht, beginne am besten nicht mit den großen Typoskriptromanen des Spätwerks wie Zettels Traum und Abend mit Goldrand, sondern den in jeder Hinsicht - formal, sprachlich, politisch - aufsässigen Werken der Frühzeit: Brand's Haide, Schwarze Spiegel, Die Umsiedler, Das steinerne Herz und der hinreißenden Erzählung Seelandschaft mit Pocahontas. Oder mit der allerersten, 1949 erschienenen Erzählung Leviathan oder Die beste aller Welten, einem düsteren Meisterwerk im Schatten von Weltkrieg und Drittem Reich. Es war diese Erzählung, die Alfred Andersch in einer der ersten Besprechungen, die Arno Schmidt zuteilwurde, den Ausruf entlockte: "Ein Genie!" Bereits mit ihr wurde Schmidt zum großen Außenseiter der "Nachkriegsliteratur". Und noch heute, da diese Nachkriegsliteratur historisch geworden ist, hat sich an diesem Befund nichts geändert.

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Als sich im März 1979 zur Feier seines 65. Geburtstags seine Freunde in Zürich um ihn versammelten, war es Alfred Anderschs letzter Auftritt im literarischen Gruppenbild. Elias Canetti, Martin Walser, Adolf Muschg waren gekommen, Max Frisch hielt die Laudatio. Er sagte: "Jede Würdigung seines literarischen Werkes, die Alfred Andersch als einen Meister deutscher Prosa entpolitisiert, wäre ein Hohn."

Andersch dankte seinen Ärzten, die ihn mit einer Nierentransplantation dem sicher scheinenden Vergiftungstod entrissen hatten. Doch der medizinische Triumph war, wie viele ahnten, die ihm in das von langer Krankheit gezeichnete Gesicht blickten, von kurzer Dauer. Nur ein Jahr später, am 21. Februar 1980, ist Andersch in Berzona gestorben, in dem Tessiner Bergdorf, wo er mit seiner Frau, der Malerin Gisela Andersch, lebte, in gelegentlicher Nachbarschaft von Max Frisch und Golo Mann.

Er war einer der bestimmenden Autoren der deutschen Nachkriegsliteratur. Geboren im Februar 1914 in München, im ersten Jahr des Ersten Weltkriegs. Nach dem Schulabgang von Arbeitslosigkeit betroffen - es war die Zeit der großen Weltwirtschaftskrise -, schloss er sich mit 16 Jahren den Kommunisten an und war für zwei Jahre Leiter des Kommunistischen Jugendverbandes in Bayern. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde er einige Monate in Dachau inhaftiert, nach der Entlassung unter Gestapo-Aufsicht gestellt. Als Soldat der Hitler-Armee desertierte er im Juni 1944 an der italienischen Front und geriet in amerikanische Kriegsgefangenschaft.

Nach Deutschland zurückgekehrt, gab Andersch, zusammen mit Hans Werner Richter, die Zeitschrift Der Ruf heraus. Diese Zeitschrift war eine der Keimzellen der Gruppe 47, die dann zwei Jahrzehnte lang das literarische Leben in Westdeutschland entscheidend prägte. Andersch arbeitete als Publizist und Kritiker, als Rundfunkredakteur (unter anderem beim Nordwestdeutschen Rundfunk in Hamburg, später beim Süddeutschen Rundfunk in Stuttgart), als Herausgeber der Zeitschrift Texte und Zeichen, er förderte Autoren (etwa Arno Schmidt und Wolfgang Koeppen) und entdeckte bedeutende Talente (etwa Hans Magnus Enzensberger, Helmut Heißenbüttel und Martin Walser).

Sein Debüt als Erzähler hatte Andersch 1953 mit dem autobiografischen Roman Die Kirschen der Freiheit, der in der Beschreibung seiner Desertion gipfelt. Heinrich Böll nannte das Buch, das zur Debatte um die Wiederbewaffnung der jungen Bundesrepublik erschien, einen "Trompetenstoß in schwüler Stille". Max Frisch schrieb: "Die Kirschen der Freiheit" ... berichten von einer Handlung, die der Verfasser nicht erfunden hat, sondern geleistet; es ist ... das literarisch-öffentliche Bekenntnis eines Mannes, der in der Uniform begriffen hat, wo der Feind steht, der Menschenfeind, nämlich nicht vor ihm, sondern hinter ihm. Desertion: das ist die Vokabel aus der Herrschaftssprache für eine Haltung, die unter Umständen moralisch die einzigverantwortbare ist."

Nach seiner Übersiedlung in die Schweiz 1958 entstanden vier Romane, ferner Reiseberichte, Hörspiele, Essays sowie mehrere Bände mit Erzählungen. Anderschs Hauptthema war, wie bei den meisten Schriftstellern seiner Generation, die Erfahrung des Nationalsozialismus. Über seinem Altersroman Winterspelt steht das Motto: "Das Vergangene ist nicht tot; es ist nichteinmal vergangen." Aber nicht nur dieser Roman, sondern alles, was Andersch geschrieben hat, ist bestimmt von dieser Erfahrung. Über die Absichten seines Schreibens bemerkte er: "Damit ich mein Métier ausüben kann, schreibe ich Texte, von denen ich mir einbilde, sie verhinderten, dass ich eines Tages wieder eine Straßenwalze in einem KZ ziehen muss. Auch wenn ich über Bibliophilie oder Poliakoff oder eine Straße in London schreibe, (ziehe ich) eine unsichtbare Perspektive bis zu jener Straßenwalze hin..."

Solche Sätze werden heute zuweilen höhnisch zitiert, seit der Schriftsteller W.G. Sebald 1993, dreizehn Jahre nach dem Tod Anderschs, diesen in der Zeitschrift Lettre vehement angriff. Er warf ihm moralisches Versagen vor, weil er sich 1942 von seiner ersten Frau, "Halbjüdin" nach den Nürnberger Rassegesetzen, getrennt hatte. Die dadurch ausgelöste Debatte über Andersch ist bis heute den Fakten nach nicht völlig geklärt, und die Deutung der Fakten folgt oft allzu rasch und reflexartig dem Impuls moralischer Empörung. So wurden einige Texte Anderschs aus der frühen Nachkriegszeit, für die Zeitschrift Der Ruf geschrieben, gegen ihren Verfasser ausgespielt, obwohl dieser in seiner Selbstkritik später viel weiter ging und 1979 öffentlich erklärte, die meisten dieser Texte seien ihm "heute ganz unerträglich geworden". In Anderschs Bericht Die Kirschen der Freiheit über seine Zeit in Dachau entdeckte ein Kritiker "in erschreckender Weise Stereotypen aus der antisemitischen Vorratskammer", nur weil darin jüdische Häftlinge aus der Sicht des jungen Kommunisten mit den Worten beschrieben werden: "lauter Kaufleute und Ärzte und Rechtsanwälte, Bourgeoisie"; so habe Andersch die Juden aus dem Kreis der "edlen Widerständler" aussondern wollen. Derselbe Kritiker fand in Anderschs Buch "einen hohen Grad an ästhetischer Stilisierung", als sei dies bei einem Werk der Literatur etwas Verwerfliches. Willi Winkler warf Andersch vor, er habe 1945 beim Verhör durch die Amerikaner die Unwahrheit gesagt, da er sich nicht als Leiter einer kommunistischen, sondern einer sozialdemokratischen Jugendorganisation ausgegeben habe. Wie viel Wahrheit darf man von einem Kriegsgefangenen in einer Zeit erwarten, in der die Jagd auf Kommunisten und "unamerican activities" in den USA bereits begonnen hatte? Festzuhalten ist schließlich, dass Angelika Andersch und ihre Tochter Susanne weder inhaftiert noch deportiert wurden und den Krieg überlebten. Es scheint, als wollten die Nachgeborenen - erst recht die der zweiten Generation - einem Autor, der bei Beginn des "Dritten Reiches" 19 Jahre alt war und 31 bei dessen Ende, Lernprozesse nicht zugestehen. So offenbart die Andersch-Debatte, nach dem Urteil Hans Magnus Enzensbergers, vor allem einen bedenklichen "Mangel an moralischer Phantasie". Leider hat sie ausgereicht, einen Schriftsteller nach dem Muster des bedingten Reflexes dauerhaft zu stigmatisieren und ein bedeutendes literarisches Werk ins Zwielicht zu tauchen. Der Kritiker Dieter Hildebrandt nannte Andersch bei Erscheinen der Werkausgabe einen "Klassiker der Nachkriegsliteratur" und schrieb: "Es lohnt sich, ihn wieder zu lesen." Wer es tut, wird die Erfahrung machen, dass dieses Werk in erstaunlicher Weise dem raschen Verfall widerstanden hat. Wenigstens zwei der Romane, Efraim, worin Andersch die Kühnheit besitzt, einen jüdischen Intellektuellen als Ich-Erzähler einzuführen, und der Weltkriegsroman Winterspelt sind Meisterwerke, und das gilt auch für einige von Anderschs Erzählungen. Sechs davon sind autobiografischer Natur und bilden eine Art Zyklus: die "Franz-Kien-Geschichten", so genannt, weil ihre Hauptfigur ein junger Mann namens Franz Kien ist, leicht erkennbar als das andere Ich des Schriftstellers. Wir erleben Franz Kien auf sechs wichtigen Stationen seines Lebens, die zugleich Knotenpunkte deutscher Geschichte sind. Die erste und umfangreichste Geschichte heißt Der Vater eines Mörders und erzählt, wie der 14-jährige Schüler Kien am Wittelsbacher Gymnasium in München seine Griechisch-Prüfung nicht besteht und von der Schule fliegt. Sein Schuldirektor ist der "alte Himmler", der Vater des späteren Massenmörders. Die letzte der sechs Geschichten spielt fast 20 Jahre später in amerikanischer Kriegsgefangenschaft, wo der aus der Hitler-Armee desertierte Soldat Franz Kien die Anfangsgründe der Demokratie lernt. Sechsmal erzählt Andersch in seinem autobiografischen Zyklus von deutscher Geschichte im 20. Jahrhundert und ihren "verspielten Möglichkeiten".

Marcel Reich-Ranicki hat Andersch einen "geschlagenen Revolutionär" genannt. Tatsächlich wirkte er in seiner späten Zeit zuweilen wie der resignierte Intellektuelle im Elfenbeinturm der Kunst. Doch war der Eindruck trügerisch. Politisches Engagement und künstlerische Autonomie: Andersch ließ solche Unterscheidungen nicht gelten. Er war ein politischer Autor, aber kompromisslos verfocht er die Autonomie der Kunst, verlangte die "Befreiung der Texte vom Zweck". Moral und Vergnügen - er schrieb beides in eine Zeile und nannte danach das letzte Buch, das zu seinen Lebzeiten erscheinen konnte: den Gedichtband empört euch der himmel ist blau. Das Titelgedicht endet mit den Worten: "viele sagen / moral und /vergnügen / schließen sich aus//ich aber schreib's in/eine/ zeile//empört euch der himmel ist blau".



Hanjo Kesting ist Kulturredakteur dieser Zeitschrift. Zuletzt erschien bei Wallstein: Grundschriften der europäischen Kultur. Erfahren, woher wir kommen.

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Quelle:
Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte Nr. 1+2/2014, S. 78-82
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Klaus Harpprecht, Jürgen Kocka, Thomas Meyer, Bascha Mika
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. April 2014