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PREIS/112: Oswald Egger erhält den Oskar Pastior Preis 2010 am 28.05.2010 (Literaturhaus Berlin)


Literaturhaus Berlin Newsletter - 25. Februar 2010

Den mit 40.000 Euro dotierten Oskar Pastior Preis 2010 erhält der Dichter Oswald Egger.


Für ihre Entscheidung gab die Oskar Pastior Stiftung, die den Preis in diesem Jahr zum ersten Mal vergibt, folgende Begründung: Die Oskar Pastior Stiftung verleiht den Oskar Pastior Preis 2010 Oswald Egger, der in seinem Werk die vielstimmigen Erscheinungs- und Wahrnehmungsformen von Welt in Sprache erkundet. Mit Spielwitz und Risikofreude macht er noch die entlegensten Vokabularien und Wortschätze zum Material seiner mathematisch-poetischen Versuchsanordnungen und treibt so die Traditionen experimentellen Schreibens voran.

Verliehen wird der Preis am 28. Mai 2010 im Berliner Rathaus; die Laudatio hält der Lyriker Ulf Stolterfoht.

Die Preisverleihung wird begleitet von einem öffentlichen Symposion zu den Möglichkeiten experimentellen Schreibens am 29. Mai 2010 im Literaturhaus Berlin; neben dem Preisträger werden daran die Autoren Franz Josef Czernin und Michael Donhauser sowie der Literaturwissenschaftler Martin Endres teilnehmen. Die Veranstaltung schließt mit einer Lesung der beteiligten Autoren.


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Der 2006 gestorbene Dichter Oskar Pastior hatte die Stiftung zur Förderung aller Spielarten experimenteller Literatur, in deren Tradition er stand, testamentarisch verfügt. Herta Müller, die eng befreundet war mit Oskar Pastior und zwischen 2002 und 2006 mit ihm an einem gemeinsamen Erzählprojekt über seine Deportation in den Donbass gearbeitet hat, beschreibt die Beweggründe für seine Stiftung so:

"Dieses Geld ist keine Erbschaft, sondern Seelengeld - in lebenslang gesparten kleinen Summen. Das Sparen war, auch wenn er nie darüber sprach, kein Geheimnis, sondern Selbstverständlichkeit. Und es war nicht Verzicht, sondern Bescheidenheit. Und komplementär zu seiner Literatur eine Vorarbeit für die Literatur, die nach ihm kommt."

Wichtigste Aufgabe der Stiftung ist die Vergabe des Oskar Pastior Preises, der mit Euro 40.000 ausgestattet ist und alle zwei Jahre vergeben wird. Außerdem fördert die Stiftung Arbeiten und Veröffentlichungen experimenteller Literatur und Kunst sowie wissenschaftliche Forschung auf diesem Gebiet. Ihr obliegt auch die Pflege und Vermittlung des Werks von Oskar Pastior. Die ehrenamtlichen Mitglieder des Stiftungsrats hatte Oskar Pastior selbst bestimmt: Prof. Dr. Klaus Ramm (Vorsitz), Ernest Wichner (stellv. Vorsitz), Marianne Frisch, Herta Müller, Dr. Dierk Rodewald, Ulf Stolterfoht und Prof. Dr. Christina Weiss.

Oskar Pastior, geboren 1927 im siebenbürgischen Hermannstadt (Sibiu), wurde 1945 für fünf Jahre in sowjetische Zwangsarbeiterlager deportiert (Donbass/Ukraine). Nach dem rumänischen Militärdienst und Tätigkeiten als Kistennagler und Betonbautechniker studierte er Germanistik in Bukarest (1955-1960); nach dem Examen wurde er Rundfunkredakteur beim deutschsprachigen Programm von Radio Bukarest. Seit 1957 veröffentlichte er Lyrik. Von einer Studien- und Lesereise nach Österreich und Deutschland 1968 kehrte er nicht mehr nach Rumänien zurück. Seit 1969 lebte er als Autor und Übersetzer in Berlin; er starb am 4. Oktober 2006 in Frankfurt. Pastior war Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, der Berliner Akademie der Künste, des Bielefelder Colloquiums Neue Poesie und - als einziger deutscher Dichter - der internationalen Autorengruppe OULIPO. Unter seinen zahlreichen Auszeichnungen findet sich neben dem Preis für Europäische Poesie (1999) oder der Ehrendoktorwürde der Universität Hermannstadt (2001) auch der Georg Büchner Preis (2006), den er nicht mehr entgegennehmen konnte.

Die Ausgabe seiner gesamten Werke erscheint im Carl Hanser Verlag; bislang sind vier Bände erschienen.


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Oswald Egger, geboren 1963 in Lana (Südtirol), hat in Wien Philosophie und Literatur studiert und lebt als freier Autor auf der Raketenstation Hombroich. Von 1986 bis 1995 leitete er die Kulturtage Lana in Südtirol. Bis 1998 gab er die Zeitschrift »Der Prokurist« in der edition per procura heraus; 2006 hat er Oskar Pastiors »Gewichtete Gedichte« herausgegeben und verlegt. (Das böhmische Dorf).

Zuletzt erhielt er den Peter Huchel-Preis 2006 und den H.C. Artmann-Preis 2008.

Veröffentlichungen:
»Die Erde der Rede. Gedicht« Kleinheinrich Verlag, Münster 1993
»Gleich und Gleich« Edition Howeg, Zürich 1995
»Blaubarts Treue« Edition Howeg, Zürich 1997
»Juli, September, August« Edition Solitude, Stuttgart 1997
»Der Rede Dreh. Poemanderm Schlaf« Edition Howeg, Zürich 1999
»Herde der Rede. Poem« Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 1999
»Nichts, das ist. Gedichte« Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 2001
»-broich. Homotopien eines Gedichts« Edition Korrespondenzen, Wien 2003
»Prosa, Proserpina, Prosa« Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 2005
»Tag und Nacht sind zwei Jahre. Kalendergedichte« Verlag Ulrich Keicher, Warmbronn 2006
»nihilum album. Lieder & Gedichte« Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 2007
»Diskrete Stetigkeit. Poesie und Mathematik« Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 2008

Im Frühjahr 2010 erscheint sein Buch »Die ganze Zeit« im Suhrkamp Verlag.


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Quelle:
Literaturhaus-Newsletter Berlin - 25. Februar 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. März 2010