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MARKT/010: Milcherzeugung steigt, Absatz sinkt, Preis fällt (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 324 - Juli/August 2009,
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Milcherzeugung steigt, Absatz sinkt, Preis fällt
Schlaglichter auf Entwicklungen am Milchmarkt

Von Ulrich Jasper


Die Milcherzeugung in der Europäischen Union steigt im Vergleich zum Vorjahr wieder, nachdem im Winter die Erzeugung kurzzeitig nicht nur saisonbedingt, sondern auch im Vorjahresvergleich zurückgegangen war. Nach Zahlen der EU-Kommission bzw. dem Statistischen Amt der EU (Eurostat) stieg die Anlieferung an die Molkereien im Monat April für die gesamte EU-27 um 1,8 Prozent. Bezogen auf das gesamte erste Drittel des Jahres, also die Monate Januar bis April zusammen, war die Bilanz noch negativ mit - 1,1 Prozent (siehe Grafik: Entwicklung der Milch-Anlieferung EU 2009).


Steigende Anlieferung

In der Grafik sind neben der EU auch die größten EU-Länder mit der größten Milcherzeugung aufgeführt. Davon ging nur in Frankreich (- 1,4 %), Spanien (- 0,9 %) und Irland (- 2,6 %) die Milcherzeugung im April zurück, in allen anderen stieg sie. In Deutschland - dem grüßten Milcherzeugerland in der EU - stieg sie nach den Zahlen sogar um über 5 Prozent (+5,7 %), ebenso wie in Italien, Polen und Dänemark. In den meisten Ländern weisen auch die Balken für den gesamten Zeitraum Januar bis April eine höhere Milchproduktion aus (D: + 0,8 %). Wenn die Zahlen einigermaßen stimmen, sind die Aussagen einiger Marktbeobachter mit Vorsicht zu genießen, die aktuell von einem Rückgang der Milcherzeugung sprechen.


Exporte weiter rückläufig

Bei den Exporten von Molkerei-Produkten aus der EU in Drittländer sieht die Entwicklung etwas anders aus, denn hier hat schon das Jahr 2008 insgesamt rückläufige Exporte (Mengen) gegenüber dem Vorjahr 2007 gezeigt. Mit Ausnahme von Vollmilchpulver (+ 32 %) galt das sowohl für Butter (- 28 %), Magermilchpulver (- 1 %) als auch für Käse (- 7 %).

Nun, im ersten Drittel 2009, hat sich diese Entwicklung nach den Brüsseler Zahlen in etwa fortgesetzt. An Vollmilchpulver wurde in Drittländer EU-weit etwas mehr ausgeführt (+ 3 %), auch bei Butter stieg der Export etwas (+ 7 %), aber bei Magermilchpulver (- 8 %) und Käse (- 6 %) sanken die Ausfuhren weiter.

Die Exporte der EU-Milchindustrie gehen zurück, obwohl die EU seit Ende Januar 2009 die Ausfuhren wieder mit Exportsubventionen verbilligt, so dass sie auf den Drittlands-Märkten verbilligt angeboten werden können.

Für Deutschland stellt sich die Situation laut der nach Brüssel gemeldeten Zahlen so dar: Der Drittlands-Export von Vollmilchpulver brach bei uns - gegen den Trend - im ersten Drittel des Jahres 2009 um 43 Prozent ein, aber die Menge spielt bei uns nicht die große Rolle. Butter stieg in der Ausfuhr um 16 %, bei Magermilchpulver (- 12 %) und Käse (- 10 %) gingen die Ausfuhren dagegen zurück. Die Verluste konnten zwar etwas durch Ausfuhren an Milch (nicht konzentriert: + 19 %, Konzentrat: + 34 %) und Molkepulver (+ 13 %) ausgeglichen werden. Aber unter dem Strich bleibt wertmäßig beim Verkauf von Molkereiprodukten in Drittländer deutlich weniger hängen. Laut Bundesministerium ging der Drittlands-Export-Wert der deutschen Milchindustrie im ersten Quartal 2009 um über ein Fünftel zurück.


Inlands-Absatz sinkt

Eine Entwicklung auf dem heimischen Milchmarkt ist besonders auffällig, dass nämlich bei uns selbst weniger Milchprodukte verkauft werden. "Für den Liter Milch zahlten die Haushalte in den ersten vier Monaten dieses Jahres 20 Prozent weniger als vor Jahresfrist. Gleichzeitig ist die Nachfrage um knapp drei Prozent zurückgegangen", schreibt die neue Agrar-Markt-Informations-GmbH auf Grundlage von GfK-Erhebungen.

Das verwundert so stark, weil die Verkaufspreise für Trinkmilch so niedrig sind wie seit Jahren nicht mehr. Als der Handel in Folge des Milchstreiks im letzten Jahr die Preise angehoben hatte, versuchten Einige die Verkaufsrückgänge in einigen Monaten auf die gestiegenen Preise zurückzuführen. Offenbar sollte damit der Erfolg des Streiks bei den Preisen in Misskredit gebracht werden. Doch diese Theorie, dass steigende Preise die Nachfrage nach unten und fallende Preise die Nachfrage ankurbeln würden, scheint für das Grundnahrungsmittel Milch nicht aufzugehen. Nur bei Butter und dem Ausweichprodukt Magarine scheint die Theorie mit der Wirklichkeit übereinzustimmen: Das Milchprodukt sank im Preis laut GfK um 17 Prozent und wurde um 5 Prozent mehr verkauft, wogegen Magarine um 10 Prozent teurer war und im Absatz um 5 Prozent zurückging.


Mehr Quoten, weniger Absatz

All diese Zahlen haben eine große politische Bedeutung. Denn auf diese insgesamt sinkenden Absatzzahlen - also eine gesunkene Nachfrage - treffen die Quotenerhöhungen, die im März und November 2008 beschlossen worden sind.

Im März 2008 wurde - wie von der EU Kommission im Dezember 2007 vorgeschlagen - von den Agrarministern der EU beschlossen, die Milchquoten EU-weit zum 1. April 2008 um 2 % auszudehnen. In knapp einem Dutzend Ländern wie Deutschland kam zu dem Termin ohnehin 0,5 Prozent mehr Quote und damit die letzte Stufe der Quotenerhöhungen hinzu, die beim Mid-term Review 2003 beschlossen worden war.

Im November 2008 beschlossen dann die Agrarminister weitere Quotenerhöhungen, und zwar für 5 Jahre um jeweils 1 Prozent, beginnend zum 1. April 2009. Zusätzlich beschlossen sie eine änderung beim Fettkorrektur-Faktor, der sich faktisch wie eine weitere Quotenerhöhung um rund 1,8 Prozent auswirkt. Diese änderung der Fettkorrektur ist seit 1. April 2009 unmittelbar geltendes Recht und bedarf keiner nationalen Umsetzung. Die 1-Prozent-Quotenerhöhung ist in einigen EU-Ländern schon an die einzelnen Milcherzeuger ausgeteilt, in Deutschland noch nicht, und es ist zu erwarten, dass das erst nach der Bundestagswahl passieren wird.

Insgesamt ergibt sich damit in der EU eine Ausdehnung der Rechte zur Milchproduktion um rund 5 Prozent seit April 2008. Dass die erhöhten Quoten laut Prognosen der EU-Kommission im zurückliegenden Wirtschaftsjahr (1.4.08-31.3.09) nur in fünf EU-Ländern voll ausgeschöpft bzw. überliefert worden sind, ist dabei nicht entscheidend. Für den Markt und die Preisgestaltung ist entscheidend, dass das Angebot weit über der sinkenden Nachfrage lag und liegt. Und es ist festzuhalten, dass die Nachfrage schon zu der Zeit sank, als an den Brüsseler Verhandlungstischen die Erhöhungen der Milchquoten beschlossen worden sind.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Entwicklung Milch-Anlieferung EU 2009
(Größte Erzeugerländer und EU gesamt, in %)


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 324 - Juli/August 2009, S. 11
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. September 2009