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MARKT/023: EU-Agrarminister trauen dem Markt nicht ganz (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 331 - März 2010,
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

EU-Agrarminister trauen dem Markt nicht ganz
Mehrheit für Interventionen, Prüfung neuer Instrumente und Stärkung der Marktstellung der Erzeuger

Von Ulrich Jasper


Die Mehrzahl der Agrarministerinnen und Agrarminister aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) ist der Meinung, dass die EU-Agrarpolitik nicht noch weiter liberalisiert werden sollte, als schon beschlossen ist. Aus ihrer Sicht ist die EU-Agrarpolitik schon "genug marktorientiert". Das wurde in der jüngsten Sitzung des EU-Agrarrates am 22. Februar sehr deutlich. Die spanische Ministerin hatte in ihrer Funktion als derzeitige Ratspräsidentin die "Marktverwaltungsmaßnahmen nach 2013" auf die Tagesordnung gesetzt, um die Reform der EU-Agrarpolitik für die Zeit nach Ablauf der laufenden EU-Finanzperiode (2007-2013) vorzubereiten. Während in Deutschland im Zusammenhang mit der Reform der EU-Agrarpolitik vor allem über die Zukunft der EU-Direktzahlungen und die Mittelausstattung der zweiten Säule gesprochen wird, setzt Spanien bewusst offensichtlich einen Schwerpunkt auf direkte Markt-Maßnahmen.


Intervention

In der Ratssitzung fand sich nach Angaben von Teilnehmern kein Land, das für die vollkommene Abschaffung der Intervention eintrat. Mindestens als so genanntes "Sicherheitsnetz" für krisenhafte Ausnahme-Situationen wollen alle Regierungen das Instrument des staatlichen Aufkaufs, der Einlagerung und des späteren Verkaufs beibehalten. Es gibt aber viele Länder, die das Instrument nicht nur in absoluten Krisen, sondern auch "vorbeugend" anwenden wollen, um z.B. durch permanente Lagerbestände auf Angebotsknappheiten (preisdämpfend) reagieren zu können.

Vor allem aber zeichnet sich eine Mehrheit unter den EU-Ländern ab, die die Intervention nicht für ausreichend halten, um die negativen Auswirkungen der erwarteten zunehmenden Preisschwankungen auf die Erzeugereinkommen abfedern zu können.


Versicherungen

Besonders süd- und osteuropäische Länder sprechen sich dafür aus, zusätzlich Versicherungen gegen Ertrags- und Einkommensausfälle durch die EU fördern zulassen. Spanien stellte sogar die Frage, ob dazu neue Finanzierungsmechanismen der EU eingerichtet werden sollten. Die deutsche Ministerin Aigner sprach sich als Vertreterrn des größten Nettozahlers der EU dagegen aus.


Erzeuger stärken

Aber nicht nur Maßnahmen, die dem EU-Haushalt Geld kosten, wurden in Brüssel diskutiert. Insbesondere Frankreich und Spanien haben die Stärkung der Marktstellung der Bauern angesprochen. Spanien hatte das schon im Vorbereitungspapier vorgebracht: "Abkommen und Vereinbarungen der Branchenverbände oder Marktteilnehmer-Organisationen" sollten geprüft werden. Dabei ist es aus spanischer Sicht erforderlich, dass sich erstens die Erzeuger stärker bündeln und dass zweitens das Wettbewerbsrecht der EU daraufhin überprüft wird, dass Vereinbarungen von Erzeugerzusammenschlüssen oder Branchenorganisationen auch zulässig sind.


Vorstoß Frankreichs

Frankreich ist laut Teilnehmern auf der Ratssitzung noch deutlicher geworden. Es forderte nicht nur, dass die Bündelung der Erzeuger und die Gründung von Branchenorganisationen (vom Erzeuger bis zum Vermarkter) durch die EU gefördert werden. Frankreich ging noch weiter und regte an, dass eine EU-weite Stelle eingerichtet werden solle, die die Preise und Mengen beobachte, um daraus "Indikativ-Preise" als Richtschnur für die Branche abzuleiten. Zudem könnten die Ergebnisse dieser Markt-Beobachtungs-Stelle auch dazu beitragen, um die Erzeugung von Überschüssen zu vermeiden. Ob Frankreich damit auch mengenregulierende Maßnahmen gemeint haben könnte, blieb offen. In dem Zusammenhang, die Position der Erzeuger in der Lebensmittelkette über Erzeugerzusammenschlüsse oder Branchenorganisationen zu stärken, regten mehrere Länder an, die besonderen Regeln bzw. Rechte, die die EU für Erzeugergemeinschaften im Bereich Obst und Gemüse eingerichtet hat, auch auf andere Sektoren auszudehnen.


Gegen Spekulation

Nicht zuletzt sprachen sich mehrere Minister dafür aus, die Börsen-Spekulationen mit Lebensmitteln bzw. Agrarerzeugnissen zu bekämpfen. Das trug nicht nur Frankreich vor, sondern sehr stark auch Österreich. Dessen Minister Berlakovich sprach sich gegenüber der Presse mit Nachdruck "gegen das Zocken mit Ernährungsgütern und entsprechenden Rohstoffen" an den Börsen aus. Er forderte die EU-Kommission auf, nach Wegen zu suchen, um stabilisierend auf die Börsen (und damit auf die Preise) einzuwirken. Das könne nur international und nicht im nationalen Alleingang erreicht werden.

Nach der Diskussion im Rat kündigte die spanische Ministerin an, die Ergebnisse der Debatte in einem Papier zusammenzustellen, um es letztlich als gemeinsames Ratsdokument zur Abstimmung zu stellen. Die EU-Kommission hätte es dann schwer, bei ihren eigenen ersten Vorschlägen für die Reform der EU-Agrarpolitik, die für Herbst diesen Jahres erwartet werden, darüber hinweg zu gehen. Da hat sich Spanien einiges vorgenommen.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 331 - März 2010, S. 4
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Mai 2010