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MARKT/052: Zum Vorschlag der EU über eine gemeinsame Marktorganisation ab 2014 (DBV)


Deutscher Bauernverband - Pressemitteilung vom . Februar 2012

DBV fordert wirksames Sicherheitsnetz

Präsidium verabschiedet Stellungnahme zur gemeinsamen
Marktorganisation


Das Präsidium des Deutschen Bauernverbandes (DBV) hat in seiner Sitzung am 7. Februar 2012 eine Stellungnahme zu dem Vorschlag der EU über eine gemeinsame Marktorganisation ab 2014 gefasst. Im Kern fordert der DBV von der EU-Kommission, dass die künftige gemeinsame Marktordnung schnelle und wirksame Instrumente zur Bewältigung von Marktkrisen bereithält, um somit ein funktionierendes und dauerhaftes Sicherheitsnetz zu etablieren. Die Forderung des DBV schließt einen rechtlich verlässlichen Fonds für Krisenfälle ein. Weiter setzt sich der DBV für eine Verlängerung der Marktordnungsmaßnahmen bei Zucker bis mindestens bis 2020 und für eine Fortführung der Pflanzrechteregelung beim Weinbau ein.

Der volle Wortlaut der Stellungnahme:

DEUTSCHER BAUERNVERBAND

Stellungnahme des Präsidiums des Deutschen Bauernverbandes vom 07. Februar 2012 zum Vorschlag der EU-Kommission für eine Verordnung über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse (Einheitliche GMO)

Die Kommission stellt in ihrem Vorschlag heraus, mit der Gemeinsamen Marktorganisation (GMO) die Bestimmungen für alle Produktbereiche soweit wie möglich zu harmonisieren, zu rationalisieren und zu vereinfachen. Alle technischen Elemente der GMO sollen dabei der Europäischen Kommission im Wege der "delegierten Rechtsakte" übertragen werden. Grundsätzlich muss die EU-Kommission gewährleisten, dass die künftigen Instrumente schnell und wirksam eingesetzt werden können, um Marktkrisen entgegenzuwirken und somit ein funktionsfähiges Sicherheitsnetz zu haben.

Der DBV setzt auf eine konkurrenz- und zukunftsfähige bäuerliche Landwirtschaft. Die Maßnahmen der Gemeinsamen Marktorganisation der EU müssen die Bauern bei der Profilierung am Markt flexibel unterstützen. Der DBV unterstützt grundsätzlich den politisch eingeschlagenen Weg der Marktorientierung in allen Bereichen der landwirtschaftlichen Produktion. Bei einzelnen Produktbereichen brauchen die Bauern allerdings angemessene Übergangsphasen von ehemals strikten Marktordnungen hin zu einer größeren Marktöffnung. Ein effizientes und rasches Eingreifen im Falle von Marktkrisen muss aber unbedingt möglich sein.

Der DBV nimmt zum Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse "GMO" wie folgt Stellung:

1. Der DBV begrüßt die geplante Stärkung der Erzeugerorganisationen durch ein EUweit allgemeines Regelwerk für anerkannte Erzeugerorganisationen für alle landwirtschaftlichen Bereich (Art. 106 - 116). Die Ausdehnung des Geltungsbereiches von Erzeugergemeinschaften im Rahmen der Gemeinsamen Marktorganisation auf alle Erzeugnisse ist wichtig, um die die Position der Landwirte im Markt durch die Bündelung des Angebotes zu stärken.

Neben der Anerkennung von Erzeugerorganisationen ist die finanziell zuverlässige Ausstattung der Erzeugerorganisationen erforderlich, damit sie ihre Marktverantwortung wahrnehmen können. Dazu ist es unerlässlich, zuverlässig finanzierte Maßnahmen und einen klaren Rechtsrahmen zu definieren. Diese Verlässlichkeit ist in Deutschland Dank der Unterstützung durch das Marktstrukturgesetz zu großen Teilen bereits gegeben und mit einem finanziellen Förderrahmen verbunden. Bei Obst und Gemüse, aber auch beim Wein - wenn auch in unterschiedlicher Ausgestaltung - geschieht dies auf EU-Ebene bereits beispielhaft und gut. Die geplante Erweiterung des Geltungsbereiches sollte sich hieran orientieren. In diesem Zusammenhang sind auch die bereits bestehenden Regelungen für Erzeugergemeinschaften in der vorläufigen Anerkennung und der Förderung als Vorstufe zu anerkannten Erzeugerorganisation im Bereich Obst und Gemüse in der GMO beizubehalten.

Erzeugerorganisationen müssen aus Erzeugern bestehen, auf Initiative von Erzeugern gegründet sowie durch diese kontrolliert werden. Die derzeit vorgeschlagenen Größenrestriktionen müssen den jeweiligen Branchenstrukturen angepasst sein.

2. Die Möglichkeit zur Gründung von stufenübergreifenden Branchenorganisationen wird unterstützt, soweit diese dazu dienen, die Erzeugung und die Nachfrage über Qualitätsabsprachen und Bedarfsabstimmungen in besseren Einklang zu bringen. Die Autonomie der Landwirte und ihrer Erzeugerorganisationen darf durch Branchenorganisationen nicht eingeschränkt werden! Wichtig ist, dass Zusammenspiel zwischen Erzeugern und Erfassungshandel bzw. Verarbeitern so zu gestalten, dass die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Branche gestärkt wird.

Eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung (Art. 110) bis hin zu Pflichtbeiträgen für Nichtmitglieder wird aus grundsätzlichen Erwägungen strikt abgelehnt. Die diesbezüglich vorgeschlagenen Inhalte (z. B. bei den Erzeugungsvorschriften oder der Vermarktung) greifen in die unternehmerische Freiheit der nicht angeschlossenen Landwirte ein, ohne einen erkennbaren Nutzen im Markt zu erreichen. Dies gilt insbesondere bei Branchenorganisationen, die keine Verfügungsgewalt über die Produkte haben. Aber selbst bei Erzeugerorganisationen würde die vorgeschlagene Allgemeinverbindlichkeit eher die Innovationstätigkeit, die Diversifikation und die Marktorientierung der Branche behindern. Sie steht damit dem Ziel einer marktorientierten, und zukunftsfähigen Landwirtschaft entgegen. Sie erweckt die irrige Hoffnung, über Standardverträge und Pflichtbeiträge ließen sich Preisniveaus gegen die Markttrends festsetzen. Solche Maßnahmen würden lediglich zu einer Bürokratisierung und Verkomplizierung der Geschäftsbeziehungen führen.

3. Der DBV begrüßt die Beibehaltung der Marktintervention als Kriseninstrument (Art. 8 - 20). Dabei ist die Intervention oder die private Lagerhaltung allein als unteres Sicherheitsnetz im Falle von Marktkrisen vorzuhalten und entsprechend auszugestalten. Es sollte keine mengen- oder zeitmäßige Begrenzung der Intervention geben. Ebenso können Verarbeitungsbeihilfen in Krisenzeiten eine Marktentlastung bewirken. Die geplante Streichung der Beihilfen für Magermilchpulver zu Fütterungszwecken wird deshalb abgelehnt. Die private Lagerhaltung sollte künftig auch für Kartoffelstärke Anwendung finden.

Ergänzend zum Instrument Marktintervention ist ein geeignetes Regelwerk für die Rückführung der Ware in den Markt zu schaffen, um eine erneute Marktbelastung durch die rückströmende Ware zu verhindern.

4. Die Beibehaltung der Beihilfen für Obst und Gemüse über die Betriebsfonds und die operationellen Programme bei der finanziellen Unterstützung der Erzeugerorganisationen wird begrüßt. Die Beibehaltung und der Ansatz der Flexibilisierung der Schulmilch- und Schulobstprogramme sind gut. Damit die Beihilfeprogramme effizienter werden, sind weitergehende administrative Vereinfachungen gerade bei den Beziehungen zwischen Lieferant und Schule dringend erforderlich. Beim Schulmilchprogramm ist darüber hinaus eine Anhebung der Förderbeträge sinnvoll. Auch die geplanten Beihilferegelungen und die Stützungsprogramme für Wein und den Bienensektor finden die Zustimmung des DBV.

Die Einstellung der finanziellen Unterstützung für anerkannte Hopfenerzeugerorganisationen lehnt der DBV ab. Die Hopfenbeihilfe ist für die Erzeugerorganisationen im Hopfenbereich wichtig, insbesondere hinsichtlich der Aufgabenbereiche Zertifizierung und Forschung, um auch künftig auf dem hart umkämpften Weltmarkt für Hopfen bestehen zu können. Der bisherige Artikel 185 der GMO von November 2007 (Registrierung von Verträgen im Hopfensektor) muss fortbestehen, da er die Entschädigungsmöglichkeit für Nachteile von indirekt betroffenen Betrieben vorsieht.

5. Der DBV begrüßt die von der Kommission vorgeschlagenen neuen Maßnahmen zum Krisenmanagement einschließlich eines dafür zu schaffenden Fonds (Art. 154 bis 156). Hierfür gilt es, klare Details sowohl im Ratsrecht als auch im Kommissionsrecht festzulegen und eindeutige Rechtsgrundlagen für die Entschädigung im Krisenfall zu schaffen. Vergangene Krisen (Dioxin, EHEC) haben deutlich gemacht, wie wichtig Stützungsmaßnahmen im Zusammenhang mit Tierseuchen und dem Verlust des Verbrauchervertrauens sind. So beliefen sich Kosten beispielsweise der Dioxin- und der EHEC-Krise auf dreistellige Millionenhöhe, die der BSE-Krise seinerzeit sogar auf Milliardenhöhe. Der Deutsche Bauernverband begrüßt ausdrücklich den Vorschlag zur Errichtung eines neuen Krisenmanagements, einschließlich eines verlässlichen und finanziell ausreichenden Krisenfonds. Damit können im Krisenfall schnell und schlagkräftig Stützungsmaßnahmen für die betroffenen Erzeuger in Gang gesetzt werden. Neben dem Schadensausgleich sind die Mittel auch auf den Wiederaufbau des Verbrauchervertrauens nach Krisen auszurichten.

Der Krisenmechanismen muss grundsätzlich für alle landwirtschaftlichen Erzeugnisse einsetzbar sein, auch für die bisher nicht einbezogenen Kartoffeln und Kartoffelprodukte.

Eine Krise erfordert schnelles Handeln! Insofern sollte die EU-Kommission ermächtigt werden, durch delegierten Rechtsakt, den Krisenfall festzustellen und die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Diese Entscheidungsbefugnisse sollten durch die EUMitgliedstaaten und das Europaparlament begleitet werden können.

6. Die Beibehaltung des Sektorfonds Obst und Gemüse sowie Weinbau wird explizit begrüßt. Weitere Maßnahmen zur Förderung des Risikomanagements im Pflanzenbau und in der Tierhaltung finden grundsätzlich die Unterstützung des landwirtschaftlichen Berufsstandes - sie sollten jedoch in der zweiten Säule über ELER verankert sein. Auf jeden Fall dürfen mit den Maßnahmen zum Risikomanagement keine neuen Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Mitgliedstaaten entstehen.

7. Einheitliche Vermarktungsnormen gelten in der EU derzeit für frisches Obst und Gemüse, Trocken- und getrocknete Früchte, Hopfen, Eier und Fischereierzeugnisse. Diese Vermarktungsnormen haben sich sowohl für die Erzeuger, den Handel als auch für die Verbraucher bewährt. Sie sind deshalb auch in der Zukunft fortzuführen. Insbesondere für Obst und Gemüse fordert der DBV die Beibehaltung der allgemeinen und der spezifischen Vermarktungsnormen, einschließlich der obligatorischen Angabe der Herkunft bei allen frischen Obst- und Gemüseerzeugnissen. Da es sich hierbei um Produkte handelt, die in der Regel im unverarbeiteten Zustand abgegeben werden, haben sich diese Normen bewährt. Sie geben dem Verbraucher Orientierung.

Der Vorschlag der EU-Kommission zur Einführung einer allgemeinen Vermarktungsnorm für alle Erzeugnisse wird vom DBV abgelehnt (Art. 55 - 105). Vielmehr sollte dies sektorspezifisch und der Vermarktungsform entsprechend erfolgen. Insbesondere bei Milch, Fleisch und Getreide lehnt der DBV entsprechende Vermarktungsnormen ab, da es sich um Produkte handelt, die überwiegend verarbeitet in den Markt gelangen.

Die Verpflichtung zur Herkunftskennzeichnung für alle Erzeugnisse, insbesondere für Erzeugnisse, die überwiegend be- und verarbeitet vermarktet werden, ist nicht praktikabel und sehr aufwändig. Eine zunehmend internationale Marktintegration und Arbeitsteilung machen eine Ursprungsangabe sehr aufwendig.

8. Der DBV begrüßt, dass die Regelungen im Handel mit den Drittländern unverändert fortgeführt werden sollen, zumal diese im GATT bzw. der WTO ratifiziert wurden. Insbesondere der Beibehaltung der bestehenden Bestimmungen bei Ein- und Ausfuhrlizenzen, Einfuhrzöllen, Zollkontingenten, Eintrittspreisen etc. wird zugestimmt.

9. Die Europäische Union hat die Exporterstattungen bereits in hohem Maße abgebaut, so dass diese nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Der DBV setzt sich dafür ein, dass Exporterstattungen im Rahmen der Weiterentwicklung der GAP nach 2013 auslaufen. Für den Fall von Marktkrisen muss aber ein adäquates Instrument (zum Beispiel Hermesbürgschaften) als Sicherheitsnetz zur Binnenmarktstabilisierung erhalten bleiben. Zugleich muss die EU in den internationalen wie bilateralen Handelsvereinbarungen durchsetzen, ein gleichgerichtetes Verhalten von allen Industrieländern wie auch Schwellenländern einzufordern und damit Exporthilfen vollständig abzuschaffen

10. Der DBV fordert eine Verlängerung der Marktordnungsmaßnahmen bei Zucker bis mindestens 2020. Auch bei Zucker benötigen die Landwirte die Möglichkeit der Krisenabsicherung bzw. eines funktionierenden Sicherheitsnetzes. Der DBV fordert die Verlängerung der Pflanzrechteregelung im Weinbau mindestens bis 2020 und Maßnahmen zur Sicherung des Steillagenweinbaus.

11. Der DBV begrüßt die Zielsetzung, durch eine entsprechende Ausgestaltung der GMO, insbesondere durch eine klare Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen den europäischen Institutionen, im Bedarfsfall eine flexible und zügige Anwendung von Maßnahmen zu erreichen. Eine abschließende Festlegung, welche Maßnahmen die EUKommission durch delegierte Rechtsakte regeln kann, sollte erst im Anschluss an die Reform der GMO erfolgen. Zunächst bedarf es der Diskussion und Festlegung der politischen Inhalte. Dann sollte entschieden werden, welche Maßnahmen im Rats- und Parlamentsrecht oder durch "delegierte Rechtsakte" zu regeln sind. Die Durchführungsbefugnisse sollten davon unberührt bleiben. Diese Vorgehensweise trägt dem Umstand Rechnung, dass sowohl das Qualitätspaket als auch der Verordnungsvorschlag zur "Lissabonisierung" der GMO aus dem Jahr 2010 noch in den Beratungen zwischen Europäischem Parlament und Europäischem Rat sind.


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Quelle:
Pressemitteilung vom 9. Februar 2012
Deutscher Bauernverband, Pressestelle
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Mail: presse@bauernverband.net
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Februar 2012