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GRENZEN/112: Berufungsinstanz auf Lesbos stoppt Abschiebungen in die Türkei (Pro Asyl)


Pro Asyl - Pressemitteilung vom 1. Juni 2016

Berufungsinstanz auf Lesbos stoppt Abschiebungen in die Türkei

PRO ASYL fordert: Ende des menschenverachtenden Großversuchs in der Ägäis - Abschiebungen in die Türkei stoppen!


Am gestrigen Abend wurden drei positive Entscheidungen des Asylkomitees[1] auf Lesbos veröffentlicht. Anwältinnen des PRO ASYL - Projekts "RSPA" haben neun syrische Schutzsuchende in den Anhörungen in der 2.Instanz am 20. und 21.April 2016 vertreten. Mit großer Erleichterung haben die betroffenen Asylsuchenden die Nachricht aufgenommen, dass ihre Abschiebung in die Türkei nunmehr gestoppt ist. Mittlerweile gibt es zehn veröffentlichte Entscheidungen der 2.Asylinstanz, in denen festgestellt wurde, dass die Türkei kein "sicherer Drittstaat" für syrische Flüchtlinge ist. Darüber hinaus liegen zahlreiche weitere positive Entscheidungen vor, die bislang noch nicht zugestellt wurden. Trotz massiven Druckes der EU-Kommission und des zuständigen griechischen Migrationsministers haben die Mitglieder des Asylkomitees standgehalten und zugunsten der Schutzsuchenden entschieden.

"Wir danken unseren Rechtsanwältinnen und unserem gesamten RSPA-Team für die aufopferungsvolle Arbeit. Seit Inkrafttreten des zynischen Deals mit Erdogan arbeiten unsere Projektpartner Tag und Nacht, um Schutzsuchenden in einem als rechtsstaatswidrig angelegten Verfahren, dennoch zu ihrem Recht zu verhelfen", so Karl Kopp, Europareferent von PRO ASYL.

PRO ASYL fordert, dass dieser zynische Großversuch endlich gestoppt wird. Die Abschiebungen in die Türkei müssen beendet werden. "Der EU-Türkei-Deal hat ein menschenrechtliches Desaster in der Ägäis verursacht", so Kopp.

Tausende Schutzsuchende wurden seit dem 20. März inhaftiert, es fehlt an Essen, es mangelt an medizinische Versorgung. Die Haftlager und provisorischen Unterkünfte sind völlig überfüllt und die hygienischen Verhältnisse katastrophal. In den sogenannten Hotspots gelangen Schutzsuchende kaum an Informationen zum Verfahren. Lediglich wenige spendenfinanzierte Anwältinnen versuchen unter widrigsten Bedingungen gegen ablehnende Entscheidungen der ersten Instanz vorzugehen. In dieser Situation, in der Flüchtlingen weder eine geregelte Basisversorgung, noch ihre Sicherheit in den Lagern gewährleistet wird, kann es kein rechtsstaatliches Verfahren geben.

Dies war der EU, der Bundessregierung und allen Beobachtern vorher klar. Da es den politischen Verantwortlichen in Brüssel, in Berlin nicht mehr um Menschenrechte und Flüchtlingsschutz geht, sondern lediglich um Vollzug der Abschiebungen in die Türkei, wurde das Chaos billigend in Kauf genommen. PRO ASYL wird Klagen bis zu den höchsten europäischen Gerichten unterstützen, damit die Rechtlosigkeit von Schutzsuchenden auf den griechischen Inseln beendet wird.


Anmerkung:
[1] Das "Administrative Appeals Comittee" ist kein Gericht, sondern ein dreiköpfiges Komitee. Dort kann Widerspruch gegen die erstinstanzliche Ablehnung durch die griechischen Asylbehörden eingelegt werden. In diesen Fällen ging es ausschließlich um die Feststellung der Zulässigkeit eines Asylantrags in Griechenland im Zusammenhang mit der Frage, ob die Türkei ein "sicherer Drittstaat" ist.

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Quelle:
Pro Asyl - Pressemitteilung vom 1. Juni 2016
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Telefon: +49 069 - 23 06 88, Fax: +49 069 - 23 06 50
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Internet: www.proasyl.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juni 2016

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