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FRAGEN/006: Knut Fleckenstein, SPD - "Nur Sparen wird auf Dauer nicht funktionieren" (DNR EU)


Deutscher Naturschutzring (DNR)
Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände
EU-Koordination

EU-News - Donnerstag, 24. April 2014 / Politik & Recht

Knut Fleckenstein (SPD): "Nur Sparen wird auf Dauer nicht funktionieren"



Der SPD-Verkehrsexperte Knut Fleckenstein hofft auf eine Abkehr von der Lieberalisierungs- und Deregulierungspolitik der EU. Denn es brauche dringend mehr Arbeitnehmerrechte und Sozialstandards im Transportsektor sowie neue Initiativen für nachhaltigen Verkehr.

Was waren für Sie die wichtigsten Themen, für die der Verkehrssauschuss in den letzten fünf Jahre federführend zuständig war? Was konnten Sie und der jeweilige Ausschuss dabei verbessern und verändern?

Zwei der größten Erfolge der letzten fünf Jahre im Verkehrsbereich sind sicherlich die Einigung über den Aufbau und die Priorisierung eines transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V) sowie die Schaffung des neuen Finanzierungsinstruments der "Connecting Europe" Fazilität. Im Rahmen dieser beiden Verordnungen werden nicht nur Lücken zwischen nationalen Infrastrukturnetzen geschlossen und Nadelöhre beseitigt, sondern auch die Verlagerung von der Straße hin zur Schiene und Wasserstraße gefördert und Lärmschutzmaßnahmen für den europäischen Schienengüterverkehr priorisiert.

Ein wichtiger Schritt war auch die Verabschiedung der Richtlinie über den Aufbau von Infrastruktur für alternative Kraftstoffe. Ohne politische Vorgaben können wir den Teufelskreis von fehlender Nachfrage und fehlender Infrastruktur nicht durchbrechen. Eine verbindliche Anzahl von Tankstationen ist zwar nicht vorgegeben, aber immerhin müssen die Mitgliedstaaten binnen zwei Jahren nationale Strategierahmen einführen, um innerhalb verbindlicher Fristen eine europaweite Abdeckung an Infrastruktur für alternative Kraftstoffe zu erreichen.

Bei den Passagierrechten haben wir ebenfalls viel bewirkt. Endlich sind auch die Verordnungen für den See- und den Busverkehr in Kraft getreten. Das bedeutet, dass die Fahrgäste in der EU einheitliche Rechte haben, egal ob sie per Schiff, per Bahn, per Bus oder per Flugzeug reisen. Im Bereich der Fluggastrechte haben wir kürzlich unseren Standpunkt verabschiedet, der den Fluggästen sehr viel mehr Rechtssicherheit und Durchsetzungsvermögen verleiht. Diesen müssen wir allerdings in der kommenden Legislaturperiode noch mit dem Rat und der Kommission verhandeln.

Ein weiteres wichtiges Thema mit großem europäischem Mehrwert ist der einheitliche europäische Luftraum, der sogenannte "Single European Sky (SES). Leider sind wir beim Grenzabbau in der Luft nicht in dem Maße vorangekommen, wie ich mir das gewünscht hätte. Das Projekt besitzt enormes Potential für wirtschaftliche Einsparungen, Verbraucherfreundlichkeit und die Umwelt. Aber bis heute fehlt der nötige politische Wille in den Mitgliedstaaten, direkte Flüge von A nach B möglich zu machen.

Wo sehen sie die Herausforderungen für das kommende Europäische Parlament?

Wir werden uns weiter vor allem mit dem Thema Jugendarbeitslosigkeit auseinandersetzen müssen. Es muss unsere Priorität sein, jungen Menschen eine Perspektive aufzuzeigen und die nötigen Arbeitsplätze zu schaffen. Nur Sparen wird auf Dauer nicht funktionieren, das sehen wir ja heute schon. Wir müssen Einnahmen schaffen und soziale Verantwortung mit wirtschaftlichen Notwendigkeiten eng verknüpfen.

Was wird im kommenden EU-Parlament auf der Agenda des Verkehrsausschuss stehen, das Sie für besonders relevant halten?

Was auf der Agenda des Verkehrsausschusses stehen wird hängt natürlich in erster Linie von der neuen Kommission und dem Verkehrskommissar ab. Im Idealfall wird es eine Kommission unter Martin Schulz sein, die den Schwerpunkt auf die Arbeitnehmerrechte und Sozialstandards im Transportbereich setzen wird. Nach fünfjähriger Liberalisierungseuphorie wäre das eine willkommene und dringend notwendige Richtungsänderung.

Auch die Transeuropäischen Netze, nachhaltiger Verkehr und alternative Kraftstoffe, Passagierrechte sowie Mobilität in den Städten werden weiterhin wichtige Themen sein.

Was haben Sie sich als Volksvertreter vorgenommen, sollten Sie wieder ins Europaparlament gewählt werden?

Wenn wir die Menschen wieder für Europa und den europäischen Gedanken begeistern wollen, müssen wir in den EU-Institutionen eine andere Richtung einschlagen. Dazu gehört auch, dass wir uns in Brüssel auf die Themen konzentrieren, die wirklich auf europäischer Ebene geregelt gehören und alles andere der Subsidiarität überlassen. Aber auf den Gebieten, die wir nur gemeinsam meistern können, müssen wir mutig weitere Schritte der Integration gehen und mehr Demokratie in Europa verankern.

Was möchten Sie den deutschen Umweltverbänden für die kommende Legislaturperiode mit auf den Weg geben?

Natürlich gibt es immer wieder Konfliktpotential zwischen Umweltinteressen und den Verkehrsinteressen. Aber letztendlich haben wir alle das gleiche Ziel, denn nur wenn wir es schaffen das stetig steigende Verkehrsaufkommen nachhaltig zu gestalten, werden wir die Klimaziele erreichen können. Dazu können wir auf europäischer Ebene Anreize schaffen und finanzielle Mittel für Forschung, für Umrüstungen zwecks Emissionsminderung, für die Nutzung alternativer Energien und natürlich für die Verlagerung von der Straße auf umweltfreundlichere Verkehrsträger bereitstellen. Wir müssen vernünftige Wege finden, Verkehr, Industrie und Umwelt unter einen Hut zu bringen. Arbeitsplätze und der Umwelt- und Klimaschutz dürfen dabei nicht gegeneinander ausgespielt werden.

www.knut-fleckenstein.eu

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Quelle:
EU-News, 24.04.2014
Deutscher Naturschutzring e.V. (DNR)
EU-Koordination
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E-Mail: eu-info@dnr.de
Internet: www.eu-koordination.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. April 2014