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ITALIEN/028: Berlusconi spaltet Rechte endgültig (Gerhard Feldbauer)


Berlusconi spaltet Rechte endgültig

Dissidenten bereiten eigene Parteigründung vor

von Gerhard Feldbauer, 18. November 2013



Zwar strahlte der sonst fast nur noch mit zerfurchtem Gesicht zu sehende Berlusconi noch einmal, als er am vergangenen Sonnabend [15.11.13] die Tagung des Nationalrates seiner Partei eröffnete, aber die Ergebnisse waren nicht zum Lachen, denn er musste eine weitere schwere Niederlage einstecken. Die Tagung beschloss zwar der 2007 von Berlusconi selbst Volk der Freiheit (PdL) getauften Partei ihren Gründungsnamen von 1994, Forza Italia, zurückzugeben, aber eine Mehrheit der Führungselite mit dem bisherigen PdL-Chef und Vizepremier Agelino Alfano lehnte ab. Die Dissidenten sind gegen die Rückkehr zur Forza Italia als "extremistischer Partei" und wollen die PdL in eine "moderate" Rechtspartei umwandeln. Noch während der Tagung gaben die Alfanianer die Bildung einer Nuovo Centrodestra ("Neues Rechtes Zentrum") bekannt, die, wie Alfano betonte, "die Zukunft sei".

Die Spaltung scheint endgültig. Damit verpufft auch die Ankündigung Berlusconis, nun tatsächlich mit der von Enrico Letta von der Demokratischen Partei (PD) geführten Regierung Schluss zu machen und in die Opposition zu gehen. "Die Stunden der Regierung Letta sind gezählt", hatte der Ex-Premier in seinem Hausblatt "Il Giornale" gedroht. Doch der Medientycoon kann derzeit den Sturz der Regierung gar nicht mehr bewerkstelligen, da seine Widersacher etwa 60 Senatoren und Abgeordneten der Partei hinter sich haben, die dem Kabinett eine solide Mehrheit sichern. Auch alle fünf Minister der PdL verbleiben auf ihren Posten. Die Dissidenten wollen die Koalition auch nach dem als sicher geltenden Senatsausschluss Berlusconis (die Sitzung ist für den 27. November angesetzt) fortsetzen. Berlusconi, der vorher die Alfanianer aufgefordert hatte, die Partei zu verlassen, machte nun eine seiner Kehrtwenden und sprach sich für ihr Verbleiben in der Partei aus, um bei immer noch möglichen künftigen Neuwahlen nicht gespalten, sondern in einer Koalition anzutreten. In Rom wird die Existenz zweier sich gegenseitig ausschließender "moderater" und "extremer" Optionen der Rechten in einer Partei jedoch für wenig wahrscheinlich gesehen. Zumal Berlusconi die Alfanianer anklagte, sie beteiligten sich mit dem Verbleib in der Regierung am "politischen Mord" an ihm und stünden an der Seite der PD, die "seinen Kopf auf einem silbernen Tablett servieren will."


Sozialdemokraten als "kriminellste Kommunisten" beschimpft

In seiner Rede vor dem Nationalrat wiederholte der Ex-Premier seine bekannten Angriffe auf die Justiz, die ein Handlanger der Linken sei und ihn "eliminieren" wolle. Er beschwor die Rückkehr zum Start der Forza Italia 1994, die das "Gespenst des Kommunismus" bekämpfte und die Linken von der Regierung fernhielt, und forderte auch heute zum Kampf gegen "den Kommunismus, der kriminellsten Ideologie der Geschichte" auf. Das richtet sich wohlgemerkt gegen die sozialdemokratische PD, denn die Kommunisten sind seit 2008 nicht mehr im Parlament vertreten. Seine Anhänger rief er auf, für die Forza Italia auf die Straße zu gehen. Berlusconi bekräftigte seinen "Anti-Merkel-Kurs" mit Attacken gegen die EU-hörige Wirtschaftspolitik der Regierung, Letta sei "vor Deutschland auf die Knie gefallen". Der 77jährige musste, wie Medienberichte erwähnten, seine Rede wegen eines offensichtlichen Schwächeanfalls unterbrechen und ein Medikament zu sich nehmen.


Konzernblatt stärkt Premier Letta den Rücken

Die Turiner "Stampa", Zeitung des Fiat-Konzerns und Sprachrohr der Berlusconi-Gegner, konstatierte das "Ende Berlusconis" und kommentierte, die Spaltung sei von ihm mit "den extremistischsten Kräfte" vollzogen worden. Mit der jetzigen Mehrheit, die ihm die Alfanianer verschafften, sei "Letta stärker geworden". Das Unternehmerblatt stärkte am Montag Alfano den Rücken und berichtet ausführlich über die Aktivitäten der Abtrünnigen, die offensichtlich bereits auf eine Parteigründung hinarbeiten. Sie bildeten in Senat und Abgeordnetenkammer ihre eigenen Fraktionen, gründeten Regional (Landes)- und Provinzorganisationen und riefen ihre Anhänger auf, sich als Mitglieder einschreiben zu lassen. "La Repubblica" schätzt, dass wenigstens die Hälfte der PdL-Gefolgschaft sich der neuen "Centrodestra" anschließen werden. Alfano fordert auch einen Anteil am Parteivermögen der PdL, was kaum realisierbar sein dürfte, denn in die Kassen der PdL flossen nicht wenige Gelder aus Berlusconis Fininvestholding. Für den 30. November, drei Tage nach der anberaumten Senatssitzung, die den Ausschluss Berlusconis beschließen soll, ist eine Tagung der Gruppe Alfanos einberufen, auf der möglicherweise bereits die neue Parteigründung proklamiert werden könnte.


Kapitalkreise setzen auf Sozialdemokratie

Den Hintergrund der jüngsten Entwicklung bildet, dass führende Kapitalkreise wie der Agnelli-Erbe und Ferrari-Chef, Cordero di Montezzemolo, und die alteingesessene Benedetto-Familie (die gegen Berlusconi gerade einen Prozess über Entschädigungsforderungen von knapp einer halben Million Euro gewonnen hat), zur besseren Ruhigstellung der Arbeiter auf einen sozialdemokratisch verbrämten Kurs der PD setzen, um so den von der EU geforderten Kurs der Sanierung des Haushalts durch weiteren Sozialabbau besser realisieren zu können. Dazu werde die PD, wie befürchtet wird, aber auch nach Neuwahlen wegen einer fehlenden Mehrheit allein nicht in der Lage sein. Deshalb soll die jetzige "Große Koalition" fortgesetzt werden. Ein Bündnis mit der rechtsextremen Forza Italia und einem faschistoiden Berlusconi und seiner Bewunderung für Mussolini würde die linke PD-Basis, die schon jetzt ein Ende der Regierungskoalition fordert, kaum hinnehmen. Diese Kreise setzen auf Alfanos Nuovo Centrodestra. Sie wollen auch den mit weiteren Prozessen belasteten Berlusconi, in dem diesem neue mehrjährige Haftstrafen drohen, endlich loswerden. Sein als sicher geltender Ausschluss aus dem Senat, dem folgenden Verbot, politische Ämter auszuüben, und der dem 77jährigen statt Gefängnishaft zugestandene "Sozialdienst", machen ihn nicht gerade zur "bella Figura", die man in Italien für ein öffentlich wirksames Auftreten als Parteiführer wieder braucht.

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Quelle:
© 2013 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. November 2013