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ITALIEN/106: Italiens Linke lehnt Renzis Haushalt für 2016 ab (Gerhard Feldbauer)


Italiens Linke lehnt Renzis Haushalt für 2016 ab

Ein Budget zugunsten der Konzerne

Von Gerhard Feldbauer, 26. Oktober 2015


Der von der Regierung Premier Renzis vergangene Woche verabschiedete Haushaltsentwurf für 2016 stößt auf scharfe Kritik der Linken. Das "Stabilitätsgesetz" getaufte Budget umfasst ein Volumen von 36 Mrd. Euro, von denen elf neue Staatsschulden sind. Die linke Minderheit der regierenden sozialdemokratischen Partito Democratica (PD) die Partei Linke und Umwelt (SEL) und die Partei der Kommunisten (PCdI), linke Zeitungen wie Unità, Manifesto und selbst die regierungsnahe Repubblica halten die Vorgaben meist für unrealistisch, Fakten geschönt und auch manipuliert, werfen dem Premier Euphorie vor, vieles seien Versprechungen.

Mit Schulden von über 130 Prozent liegt Italien bereits deutlich über dem EU-Limit von 60 Prozent. Nach Griechenland ist es das am höchsten verschuldete EU-Land. Der Schuldenberg von knapp 2,2 Billionen Euro kostet den Staat jährlich 70 bis 80 Mrd. Euro an Zinsen, die im Haushaltsentwurf gar nicht auftauchen. Um durch die Ankurbelung des Konsums und der Investitionen endlich wieder ein Wirtschaftswachstum zu erreichen, das seit 2011 stagniert, sollen die Haushaltskürzungen auf sechs Mrd. Euro beschränkt bleiben. Damit wird die Brüssel gegebene Zusage, das Bruttoinlandsprodukt (BIP auf 1,8 Prozent zu senken, nicht erreicht. Geplant werden jetzt 2,2 Prozent. Mit der Neuverschuldung würden jedoch die EU-Vorgaben von drei Prozent eingehalten, versicherte Finanzminister Padoan. Vier Milliarden soll der Kampf gegen die Steuerhinterziehung bringen. Drastisch senken will Renzi die sogenannten Spending Review. Hier sollen in Zukunft 15 Milliarden eingespart werden. Wie und wo liegt im Dunklen.

Bei der Vorstellung des Budgetentwurfs sparte Renzi wieder einmal nicht mit Superlativen, so wenn er die vorgesehenen Steuersenkungen "die größten jemals von einer Regierung beschlossenen" nannte, die zusammengerechnet 18 Mrd. Euro betragen soll, oder an anderer Stelle von einer "grundlegenden Neuerung der öffentlichen Finanzen Italiens" sprach. Beim genaueren Hinsehen stellt sich schnell heraus, dass es für die Masse der Italiener, sprich die Arbeiter, Rentner, nicht zu sprechen von den Arbeitslosen Brosamen gibt, während die Reichen, die Unternehmer großzügig beschenkt werden. 1,9 Mrd. Euro sind beispielsweise vorgesehen, um Unternehmen drei Jahre lang von den Sozialabgaben zu entlasten, wenn sie unbefristete Arbeitsplätze schaffen. Es ist, so Gewerkschaftsvertreter, generell ein Budget zugunsten der Konzerne. Sonst würde Confindustria-Präsident Giorgio Squinzi den Haushalt wohl kaum in höchsten Tönen loben. Gravierend zeigt sich das beim Erlass der Steuern auf das erste Haus. Der Mehrzahl der Betroffenen, das heißt den kleinen Leuten mit der bescheidenen Eigentumswohnung, bringt das im Durchschnitt monatlich 180 Euro, während es für die Wohlhabenden mit ihren prunkvollen Villen im Monat 2.500 Euro sind. Eine für 2016 geplante Erhöhung der Mehrwert- und Benzinsteuer wird gestrichen und auf 2017/18 hinaus verschoben. Familien unter der Armutsgrenze werden wieder einmal "soziale Hilfsmaßnahmen" versprochen.

La Repubblica zitierte am Sonntag aus einer Analyse der CGIL, in der die Zahl der Beschäftigten im September nach oben manipuliert wurde, während sie in Wirklichkeit gegenüber dem Vormonat um über die Hälfte sank. In der Landwirtschaft gab es unverändert 400.000 Tagelöhner, die schwarz und zu Dumpinglöhnen arbeiten, die 60 Prozent unter den Regellöhnen liegen. Die schärfste Kritik kommt vom Nationalen Sekretariat der PCdI. Der vorgesehene Haushalt "verstärke die Ungerechtigkeit" und sei "rechte Politik", die heuchlerisch "als linke ausgegeben" werde. "Die sehr zur Schau gestellte Revision der Ausgaben ist, unabhängig davon ob es Sinn macht oder nicht, quantitativ weit weg von dem was die Regierung noch vor einigen Monaten kundgegeben hat." Die PCdI-Erklärung stellt den scharfen Kontrast zur "sehr zur Schau gestellten Aufwertung der Arbeit" gegenüber der Einschränkung "der Rechte und des Schutzes der Arbeit" heraus.

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Quelle:
© 2015 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Oktober 2015

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