Schattenblick → INFOPOOL → EUROPOOL → POLITIK


ITALIEN/176: Ex-Premier Matteo Renzi bei Vorwahlen des Partito Democratico wieder zum Parteichef gewählt (Gerhard Feldbauer)


Ex-Premier Matteo Renzi bei Vorwahlen des Partito Democratico wieder zum Parteichef gewählt

Bei Parlamentswahlen will er auch wieder Regierungschef werden


Erwartungsgemäß ist der umstrittene Matteo Renzi bei den Primarie des regierenden sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) wieder zum Sekretär gewählt worden. Zu den Vorwahlen, an denen auch Nicht-Parteimitglieder teilnehmen konnten, hatten sich gegen Zahlung von zwei Euro zwei Millionen Bürger eingefunden, von denen etwas mehr als 71 Prozent für Renzi stimmten. Seine beiden Konkurrenten, Justizminister Andrea Orlando, und der Regierungschef der Region Apulien, Michele Emiliano, landeten abgeschlagen bei 21,1 bzw. 7,8 Prozent. Die Teilnehmerzahl blieb hinter den über 2,5 Millionen bei den letzten Vorwahlen 2013 zurück. Damals hatten 67,8 Prozent Renzi gewählt. Die niedrige Beteiligung ergab sich daraus, dass ein Großteil der Linken des PD im Februar die Partei verlassen hat und nicht an die Urnen ging.

Im Dezember war Renzi im Referendum mit seiner Reform über die Abschaffung des Senats als zweiter Parlamentskammer gescheitert und danach als Premier zurückgetreten und hatte im Februar auch seinen Posten als Parteichef geräumt. Aus den Vorwahlen geht er nun, wie die linke L'Unità ihm bescheinigt, gestärkt hervor.

Renzi hatte nach seinen Rücktritten keinen Zweifel daran gelassen, dass er zurückkehren werde. Es ging, wie die Mailänder Wochenzeitschrift L'Espresso in ihrer Ausgabe am Montag schrieb, also nicht nur um einen neuen Parteichef, sondern auch um die Bewerbung für den Posten des Premiers bei den Parlamentswahlen, für die Renzi bereits seine Kandidatur angemeldet hat. Planmäßig geht die Legislaturperiode erst im Frühjahr 2018 zu Ende. Aber um den Effekt seiner Wiederwahl zum Parteichef auszunutzen, peilt er noch immer ein vorgezogenes Votum für den Herbst dieses Jahres an.

Nach seinem triumphalen Wahlsieg kündigte er, wie die staatliche Nachrichtenagentur ANS berichtete, "einen Neubeginn" an. Die regierungsnahe La Repubblica zitierte ihn Montag: "Wir werden in Italien den Sumpf trockenlegen". Dazu wolle er "eine große Koalition" bilden - nicht mit den Parteien, sondern mit den Bürgern. Dem amtierenden Premier Paolo Gentiloni sicherte er seine volle Unterstützung zu. An seine Widersacher gerichtet erklärte er, es werde "keine Revanche" geben und versprach, "die Partei zu einigen". La Repubblica hebt dazu hervor, dass er betonte, seine Wahl habe am Todestag des 1982 von der Mafia ermordeten Pio La Torre stattgefunden, eines IKP-Parlamentariers, der die damalige Komplizenschaft der regierenden Democrazia Cristiana (DC) mit der Mafia entlarvt hatte. Selbstkritisch bekannte Renzi, die Partei zu sehr personalisiert zu haben.

Wie der wiedergewählte PD-Chef seine Pläne verwirklichen will, bleibt offen. Nach der Parteispaltung im Februar, bei der der PD etwa 100.000 Mitglieder verloren haben soll, ist ein Wahlsieg von 40 Prozent, den er unter Renzi bei den EU-Wahlen 2014 einfuhr, von ihm allein kaum noch zu erwarten. Dieser sicherte dem PD aber den Siegerbonus von 340 der 630 Sitze in der Abgeordnetenkammer. Bleibt abzuwarten wie die demnächst anstehende Änderung des Wahlgesetzes ausfallen wird. Wie La Repubblica durchblicken ließ, werde eine Herabsetzung der Prozentklausel für den Bonus auf 35 Prozent erwogen. Wenn Wahlbündnisse, wie Renzis Absage an Parteien-Koalitionen verdeutlicht, weiter nicht zugelassen und keine Stichwahl mehr stattfindet, würde das dem PD einen Vorteil sichern und sowohl den in drei Parteien (Lega Nord, Forza Italia Berlusconis und die faschistischen Fratelli/Brüder Italiens) gespaltenen extremen Rechten als auch der Protestbewegung Fünf Sterne (M5S) einen Wahlsieg erschweren.

Gegen einen Alleingang des PD haben sich Vertreter der noch verbliebenen Minderheit in der Partei als auch Linke ausgesprochen. Der parteilose Linke und frühere Bürgermeister von Mailand, Giuliano Pisapia, appellierte zur "Einheit mit den Linken", anderenfalls werde das "das Ende" für den PD sein. Der frühere PD-Sekretär Gianni Cuperlo äußerte, für die Pläne Renzis bestünden "keine guten Aussichten".

*

Quelle:
© 2017 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Mai 2017

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang