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ITALIEN/285: Stürzt Italiens Premier Conte? (Gerhard Feldbauer)


Stürzt Italiens Premier Conte?

Was steckt hinter den Anschuldigungen der Financial Times, er sei in einen Finanzskandal des Vatikans verwickelt?

von Gerhard Feldbauer, 31. Oktober 2019


Die Londoner Financial Times (FT) schrieb am Montag, Premier Giuseppe Conte könnte in einen Finanzskandal des Vatikans in Millionenhöhe verwickelt sein. Wenn das stimme, müsse der Regierungschef sofort zurücktreten, forderte der Chef der faschistischen Lega, Matteo Salvini, der seit seinem Fall als Vizepremier vor über zwei Monaten pausenlos trommelt, die von Conte geführte Regierung davonzujagen, und Neuwahlen fordert. Die FT griff einen Bericht der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA) vom 22. Oktober auf, der enthüllte, dass der Kurienkardinal Giovanni Angelo Becciu den Vatikan in London mit Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe an der geplanten Errichtung einer Immobilie mit 49 Luxus-Apartments beteiligten wollte, die anschließend mit sattem Gewinn verkauft werden sollte. Manager des Objekts war der italienische Geschäftsmann Raffaele Mincione, der dazu eine Firma 60SA mit Sitz am Offshore-Finanzplatz Jersey gründete, in die der Vatikan 2014 mit 45 Prozent einstieg. Die Zahlungen gingen an einen fiktiven Investmentfond Athena Capital, dessen Anlage praktisch allein aus der Immobilie bestand, und über eine Luxemburger Holding im Besitz von Mincione. Dann habe der Vatikan Mincione auch noch seine restlichen 55 Prozent von 60SA abgekauft. Laut FT seien für diesen dabei 128 Millionen rausgesprungen. Mit der Immobilie habe der Vatikan auch die darauf lastenden Schulden übernommen.

FT bringt - was im Bericht der KNA fehlte - nun ins Spiel, dass der parteilose Premier Conte als Jura-Professor und Anwalt für Mincione "als Konsultant" tätig gewesen sei. Die römische La Repubblica vermerkte dazu am Dienstag zunächst, dass es nichts Neues gebe. Sie habe darüber bereits am 23. Mai 2018 berichtet und da sei Conte noch kein Premier gewesen, sondern Kandidat für die Berufung in das Amt. Conte habe, so das Blatt weiter, vorgeschlagen, dem Prinzip "golden Power" zu folgen, das der Regierung ermöglicht hätte, die Konzession von strategischen Gesellschaften an ausländische Aktionisten zu blockieren. Das Blatt erinnert daran, dass das Kabinett unter Conte dann zur Anwendung des "Golden Power" ein Dekret erließ, was verhindert habe, dass Mincione die Kontrolle über die Firma übernehmen konnte. Bei der Abstimmung über das Dekret habe sich Conte enthalten.

Während Salvini im Mai 2018, als er in der Regierung von Conte dann zum Vize-Premier aufstieg, keinerlei Einwände gegen dessen bekannte Tätigkeit hatte, erklärt er jetzt, "wenn das, was FT schreibt, wahr ist, muss Conte sofort zurücktreten", wie ihn die Nachrichtenagentur ANSA am Dienstag zitierte.

Nun wird gerätselt, was die FT veranlasste, ausgerechnet am Montag, einen Tag, nachdem die Lega in der Region Umbrien (Schattenblick berichtete) mit ihrer Kandidatin einen triumphalen Wahlsieg erzielt hatte, den Salvini erneut zum Anlass nahm, die Regierung Conte stürzen zu wollen und Neuwahlen zu fordern, den Machtkampf in Rom anzuheizen? Insider meinen dazu, wenn Conte tatsächlich zurücktreten müsste, könnte als ein neuer Kandidat auch der "arbeitslos" gewordene frühere EZB-Präsident Draghi in Frage kommen.

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Quelle:
© 2019 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. November 2019

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