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ITALIEN/328: COVID-19 in Italien - Überraschung, Schreck, Verlauf ... 22.5.2020 (SB)



Der italienische Ministerpräsident Guiseppe Conte ist am Mittwoch knapp an einer Regierungskrise vorbeigeschrammt. Wie die Nachrichtenagentur ANSA meldet, verzichtete Matteo Renzi, Chef der Partei "Italia Viva" (IV, Lebendiges Italien), darauf, den Mißtrauensantrag der Lega gegen Justizminister Alfonso Bonafede von der Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) zu unterstützen, was zu einer Regierungskrise geführt hätte. Ein Mißtrauensantrag der Lega und den Fratelli/Brüdern Italiens (FdI) gegen Conte wurde vom Senat abgelehnt.

Die eigentlich für Mittwoch geplante Abstimmung über das "Dekret für Wiederbelegung" (Decreto Rilancio) des Ministerpräsidenten wurde wohl wegen der massiven Kritik verschoben. Es werde an Nachbesserungen gearbeitet, hieß es. Wie der M5S-Abgeordnete Riccardo Ricciardi warnte, verfolge Lega-Chef Matteo Salvini mit Unterstützung Giorgia Melonis von den Fratelli/Brüdern Italiens (FdI) nach wie vor die "präzise Strategie", seine Partei "zum Aufstieg zu bringen und dann mit der gesamten Mitte rechts" (also einer faschistischen Allianz aus Lega, Forza Italia und Fratelli d'Italia) "die Regierung zu übernehmen". Die Auseinandersetzungen im Parlament waren so heftig, daß es in Abgeordnetenkammer und Senat zu Handgreiflichkeiten zwischen Abgeordneten der Fünf-Sterne-Bewegung und der Lega kam.

Unterdessen stehen weitere Lockerungen der wegen der Corona-Pandemie verhängten Maßnahmen und Einschränkungen bevor. So sollen laut ANSA ab dem 3. Juni die Flughäfen geöffnet und inländische und internationale Reisen wieder erlaubt werden. Italien drängt auf ein "Schengen-Abkommen" im Gesundheitsbereich, um zu verhindern, daß EU-Bürgerinnen und -Bürger, wenn sie von einem EU-Mitgliedstaat in einen anderen reisen, einer Quarantäne unterzogen werden.

"Wer negativ getestet wurde, soll keiner Quarantäne unterzogen werden. Es ist unmöglich, ausländische Touristen zu testen", erklärte Luca Zaia, Regierungschef der Lega in der norditalienischen Region Venetien, dem Online-Portal Südtirol News zufolge. Er sprach sich gegen touristische EU-Korridore aus. Es sei "unannehmbar, daß Österreich und Deutschland touristische Korridore in Richtung Kroatien organisieren, um Italien auszugrenzen", so Zaia. Die Regierung müsse von Österreich ein Ende der Reisebeschränkungen nach Italien fordern. "Italien wie eine einzige Sperrzone zu behandeln", sei diskriminierend, erklärte der Südtiroler Lega-Abgeordnete Filippo Maturi.

Die Zugverbindungen innerhalb Italiens wurden bereits vor einer Woche wieder aufgenommen. Conte gab "grünes Licht für Ferien in Italien, aber nicht für Partys". Die Parade zum Nationalfeiertag der Republik am 2. Juni in Rom wird allerdings abgesagt. Am Donnerstag hielt der Ministerpräsident vor dem Senat eine Rede, in der er den Bürgerinnen und Bürgern "für ihre Disziplin im Kampf gegen das Virus" dankte und versicherte: "Wenn das Schlimmste hinter uns liegt, dann haben wir das den Bürgern zu verdanken, die ihren Lebensstil geändert haben." Er machte auch darauf aufmerksam, daß die Herausforderungen in den nächsten Monaten "noch schwieriger werden". Vor allem die notleidende Wirtschaft müsse in Gang gebracht, so Conte, gleichzeitig die Infektionsrate im Griff behalten werden.

Um die Tourismusbranche zu fördern, rief er die 60 Millionen Bürgerinnen und Bürger zum Urlaub im eigenen Land auf. Besonders an die Jugendlichen gewandt mahnte er allerdings, dass die Zeit noch nicht reif sei für Übermut, Feste und den Neustart des Nachtlebens. Auf Kritik stieß laut Medienberichten, daß in vielen Bars nach der Wiedereröffnung die Preise für Espresso und Cappuccino gestiegen sind, mancherorts um bis zu 20 Prozent pro Tasse. Viele Bars und Restaurants kritisierten auch die Abstandsregelungen.

22. Mai 2020


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