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ITALIEN/329: COVID-19 in Italien - Überraschung, Schreck, Verlauf ... 25.5.2020 (SB)



Wie die Nachrichtenagentur ANSA und weitere italienische Medien am heutigen Montag melden, haben sich nach weitgehender Aufhebung der wegen der Corona-Pandemie verhängten Einschränkungen am Wochenende auf den Zufahrtsstraßen zu den Stränden kilometerlange Staus gebildet. Die Badeorte wurden regelrecht gestürmt. In Palermo hat es den Berichten zufolge Menschenansammlungen wie vor der Epidemie gegeben, auch seien von manchen Menschen die Corona-Regeln bewußt ignoriert, der gebotene Abstand sowie die Mundschutzpflicht nicht eingehalten worden.

In den letzten 24 Stunden hat es laut ANSA weitere 50 Todesopfer durch den Coronavirus gegeben, die Gesamtzahl der in Italien Verstorbenen stieg damit auf 32.785.

In der Regierung in Rom dauern unterdessen die Auseinandersetzungen wegen der Beantragung finanzieller Hilfen aus dem EU-Wiederaufbauplan auf der Basis des von Ministerpräsident Giuseppe Conte vorgelegten "Dekrets für Wiederbelegung" (Decreto Rilancio), das dem Senat noch nicht zur Abstimmung vorgelegt wurde, an. Wie "La Repubblica" meldete, werde auch der von Österreich, Dänemark, Schweden und den Niederlanden zu dem Konzept von Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron vorgelegte Gegenentwurf erörtert. Der Zeitung zufolge sei dieser eine "Umkehr von Berlin", wo Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der Kanzlerin wachsendes Verständnis dafür zeigten, daß das Wohlergehen Deutschlands "eng mit dem der Nachbarländer verbunden" sei.

Entscheidend an dem Merkel-Macron-Vorschlag für einen 500-Milliarden-Euro-Wiederaufbaufonds, dessen Mittel zum großen Teil als Zuschüsse in die von der Corona-bedingten wirtschaftlichen Krise besonders stark betroffenen Branchen und Regionen fließen sollen [1], sei der Zeitung zufolge "nicht nur die Höhe der Hilfssumme, sondern auch die Tatsache, daß er, wenn auch mit erheblicher Zeitverzögerung, den europäischen Zusammenhalt als notwendig erachtet bei dem Versuch, denjenigen mit den größten Schäden schnell und effektiv zu helfen".

Mit Blick auf den von Österreich, Schweden, Dänemark und den Niederlanden, die bereits deutlich gemacht haben, einer Vergemeinschaftung der Schulden nicht zuzustimmen, vorgelegten Gegenentwurf, der einen einmaligen und auf zwei Jahre befristeten Notfallfonds beinhaltet [2], meint "La Repubblica" zum Merkel-Macron-Voschlag: "Alles in dem Bewusstsein, daß sich die Europäische Union gemeinsam von dem Pandemie-Desaster erholen wird oder den Zusammenbruch riskiert. Die sogenannten sparsamen Länder schlagen dagegen die entgegengesetzte Richtung ein."

Die parteilose und der sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) nahestehende Innenministerin Italiens, Luciana Lamorgese, fordert laut ANSA, die Regierung müsse schnell die entsprechenden Anträge in Brüssel stellen, da die Gelder dringend gebraucht werden. Die Debatte verdeutlicht, wie sich die Corona-Krise auf die politische Auseinandersetzung bereits ausgewirkt hat und weiter auswirken wird. Der im Senat in der vorigen Woche gegen den italienischen Ministerpräsidenten gestellte Mißtrauensantrag ist vorerst gescheitert. Es war ein erneuter Versuch der faschistischen Rechten, für die der Sturz Contes beschlossene Sache ist. Nach Einschätzung von Beobachtern könnte dies auch auf Brüssel zutreffen, wo Conte mit seiner ablehnenden Haltung gegenüber den ESM-Geldern auf Granit stieß.


Anmerkungen:

[1] https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wiederaufbau-fonds-am-ende-kommt-alles-auf-merkel-an-16782626.html

[2] https://www.merkur.de/politik/coronavirus-merkel-macron-merz-eu-500-milliarden-soeder-oesterreich-italien-bonds-berlin-paris-zr-13770417.html

25. Mai 2020


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