Schattenblick → INFOPOOL → EUROPOOL → POLITIK


ITALIEN/379: Nach Niederlage bei Präsidentenwahl faschistische Allianz zerbrochen (Gerhard Feldbauer)


Nach Niederlage bei Präsidentenwahl faschistische Allianz zerbrochen

Streit über neue Rechts-Partei

von Gerhard Feldbauer, 8. Februar 2022


Die unterschiedliche Haltung bei der Präsidentenwahl hat in der faschistischen Allianz - der Lega Salvinis, Berlusconis Forza Italia (FI) und Giorgia Melonis Brüder Italiens (FdI) - zum Bruch geführt. Ihr Versuch, Berlusconi und danach Premier Draghi zu Präsidentschaftskandidaten zu küren, war gescheitert. Danach unterstützten Lega und FI die Wiederwahl Sergio Mattarellas vom sozialdemokratischen Partito Democratico (PD), der mit ihren Stimmen im achten Wahlgang von 759 der 1.009 Abgeordneten, Senatoren und Regionenvertreter gewählt wurde. Dafür soll der wiedergewählte Präsident zugesichert haben, die Regierung Draghi bis zum Ende der Legislaturperiode bis zum Frühjahr 2023 zu garantieren, um vorgezogene Neuwahlen, bei denen die faschistische Allianz eine Niederlage befürchtet, zu verhindern. Es sei vereinbart gewesen, geschlossen gegen den Sozialdemokraten zu stimmen, behauptete Meloni, deren FdI gegen ihn votierte. Sie warf Salvini und Berlusconi vor, damit den Zerfall des Bündnisses herbeigeführt zu haben. "Der Post-Quirinal-Abfall vergiftet weiterhin die Luft in der rechten Mitte. Salvini und Meloni bleiben zerstritten", kommentiert das linke "Manifesto" am Dienstag.

Lega-Chef Salvini hat besonders aufgeschreckt, dass drei ehemalige Präsidenten des Verfassungsgerichts enthüllten, dass Expremier Berlusconi ein Vertreter der faschistischen P2-Loge war, die die verfassungsmäßige Ordnung beseitigen wollte, und wegen schwerer Verbrechen, darunter Korruptionsdelikten, angeklagt wurde. Um das Odium des Faschismus, das er selbst mit seinen Bekenntnissen zum Erbe Mussolini des öfteren pflegte, vergessen zu lassen, schlug er vor, mit der FI ein neue Mitte-Rechts-Partei zu bilden. "Unser Modell kann das der Republikanischen Partei in Amerika sein", schrieb er in Berlusconis Hausblatt "Il Giornale". Salvini denkt dabei an die Parteien, die derzeit die Regierung von Mario Draghi unterstützen (PD, Fünf-Sterne-Bewegung - M5S, Linkspartei Freie und Gleiche - LeU). Vor allem setzt er auf den früheren Premier Matteo Renzi und dessen vom PD abgespaltene Partei Lebendiges Italien (IV). Aber auch für den PD, M5S und LeU hält er dafür die Tür offen.

Als "moderate Rechte" getarnt will Salvini Mitte-Links-Stimmen aus dem Zentrum abjagen. Nachdem Berlusconi betont hatte, "die Gemäßigten im Gefolge der EVP zusammenzubringen" - was sich gegen Salvinis ursprüngliche EU-Ablehnung richtet -, ging er auf Salvinis Vorschlag ein, eine mögliche Föderation "Italien im Zentrum" (als vorläufiger Name) zu bilden, aber auf der Basis "von Forza Italia" und "gegen Links". Berlusconi versuche so, "nach den schwarzen Tagen der Postkandidatur für den Colle (Präsidentensitz), wieder ins Zentrum des Spiels und der politischen Rahmenbedingungen zu gelangen", kommentierte "Manifesto" seine Haltung. Die FdI-Chefin lehne einen Beitritt zur neuen Mitte-Rechts-Partei von Lega und Berlusconi ab und sei bereit, "auch alleine zu tanzen". Zu einem Streitpunkt wird die Annahme eines proportionalen Wahl-Gesetzes, über das Salvini und Berlusconi mit PD und M5S Gespräche führen. Es werde, so Meloni, verhindern, dass "Mitte-Rechts gewinnt". Nur wenn "FdI die treibende Kraft ist, werden wir die Gewissheit haben, dass eine Regierung mit der Demokratischen Partei nicht gebildet werden kann". Zur Forderung Melonis, die Draghi-Regierung zu verlassen, konterte Salvini: "Ich sehe nicht ein, warum die Liga austreten sollte." Aber er werde sich weiter bemühen, Schwester Meloni für das neue Bündnis zu gewinnen. Gleichzeitig mahnte er, das neue Bündnis müsse bis zum Frühjahr 2023 stehen, um einen "linken Wahlsieg" zu verhindern.

Angeschlagen ist auch M5S, die von 32,7 Prozent bei den Parlamentswahlen 2018 nach Umfragen auf 15 Prozent abgesunken ist. Sie wurde von den Wählern für ihre Regierung mit der Lega bis Juni 2019 abgestraft. Ob sie daraus gelernt hat, darf bezweifelt werden. Denn ihr Außenminister Luigi di Maio hat gerade den Garantie-Ausschuss, der ihren Sekretär, Ex-Premier Giuseppe Conte, kontrollieren soll, verlassen, um laut "ANSA" einen "neuen Kurs der 5-Sterne-Bewegung zu starten". Der soll darin bestehen, sich mit einer Dissidenten-Gruppe Salvini anzuschließen, was Conte, der schon gegen die Bildung der Regierung unter Draghi war, ablehnt. Er habe di Maio aufgefordert, dieser Strömung "der alten Politik nicht nachzugeben". Wie "ANSA" am Dienstag berichtet, hat Di Maio zurückgeschlagen und per Gerichtsbeschluss das Statut außer Kraft setzen lassen, womit Conte als nicht gewählt und abgesetzt gilt. "Das verstärkt die chaotischen Vorstöße innerhalb der Bewegung, wo wir seit Wochen Zeuge eines totalen Zusammenstoßes zwischen Luigi Di Maio und Conte sind, der jedoch offensichtlich weiterhin das Steuer in der Hand hält und Gegenmaßnahmen ankündigte."

*

Quelle:
© 2022 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 12. Februar 2022

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang