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ITALIEN/385: Italien heizt Kriegsspirale an (Gerhard Feldbauer)


Italien heizt Kriegsspirale an

Internationale Militär-Luftbrücke vom Flughafen Pisa nach Rzeszów in Polen
Flughafenarbeiter weigern sich, Waffen für die Ukraine zu verladen

von Gerhard Feldbauer, 17. März 2022


Die Beschäftigten des Flughafens Galileo Galilei von Pisa haben sich in den vergangenen Tagen geweigert, als "humanitäre Hilfe" getarnte Waffen für die Ukraine zu verladen, teilt die Unione Sindacale di Base (USB) am Mittwoch auf ihrer Website mit. Bei der Lieferung handelte es sich um Kisten voller Waffen verschiedener Art, Munition und Sprengstoff. "Wir verurteilen aufs Schärfste diese Fälschung, die zynisch einen 'humanitären' Deckmantel benutzt, um den Krieg in der Ukraine weiter anzuheizen", heißt es. Die Gewerkschaft fordert die Flughafen-Leitung auf, "diese als 'humanitäre' Hilfe getarnten Todesflüge sofort einzustellen".

Für Samstag wird zu einer Demonstration unter der Losung "Von der Toskana sollen Brücken des Friedens statt Kriegsflüge ausgehen" auf dem Flughafen in Pisa aufgerufen. "Wir werden uns nicht dafür hergeben, diesen Krieg mit Waffen noch mehr anzuheizen, dessen Folgen wir schon mit explodierenden Preisen bezahlen. Wir stehen an der Seite der Völker der Ukraine, des Donbass und Russlands", heißt es in dem Aufruf. USB Porto di Livorno solidarisiert sich mit den Flughafenarbeitern von Pisa und sagte ihre Teilnahme zu. "Wir werden alle auf dem Platz gegen den Krieg sein."

Wie das linke Magazin Contropiano auf seinem Online-Portal am Mittwoch enthüllte, handelte es sich in Pisa um eine als "Fracht B-737" deklarierte Lieferung einer von der NATO unterhaltenen Fluggesellschaft für den Transport von Kriegsmaterial. Die Waffenlieferungen leite General Paolo Figliuolo vom Comando Operativo di vertice Interforze - COVI (Oberstes Streitkräfteübergreifendes Einsatzkommando). Die Lieferungen für die Ukraine habe das Parlament genehmigt. Entschieden zu verurteilen sei auch, dass die Flughafenbeschäftigten nicht darüber informiert wurden, was sie transportieren; außerdem sind sie nicht befugt, Waffen und Sprengstoffe zu verladen. Der Präsident der Flughäfen in der Toskana, Marco Carrai, erklärte laut der Nachrichtenagentur ANSA vom Mittwoch, Waffentransporte würden von Pisa aus "nicht mehr stattfinden". USB-Vertreter sagten, sie würden das überprüfen.

Manifesto berichtete am Mittwoch laut dem "Netzwerk für Frieden und Abrüstung" handele es sich auf dem zivilen Flughafen in Pisa um eine "regelrechte internationale Militärluftbrücke zum Stützpunkt Rzeszów in Ostpolen, wo seit Anfang Februar ein US-Logistikkommando tätig ist". Dort landeten auch Flugzeuge aus Großbritannien, Frankreich, Belgien, Spanien und Kanada. Außerdem, so das linke Blatt, wird neben Pisa "auch der Aeroporto Mario de Bernardi von Pomezia bei Rom, einer der größten Militärflughäfen in Europa", dazu benutzt.

Inzwischen nehmen linke Proteste gegen das Anheizen der Kriegsspirale, verbunden mit Forderungen nach der Aufnahme von Friedensgesprächen für einen Waffenstillstand zu. Das Mitglied der Leitung der Linkspartei Potere al Popolo (Die Macht dem Volke) Giorgio Cremaschi forderte, dass zur Beendigung des Ukrainekrieges "nicht nur Ukrainer und Russen verhandeln müssen, sondern auch Russland und die NATO". Es müssten Friedenskompromisse gefunden werden. Der linke Politiker fragte laut Contropiano, was die NATO im Gegenzug für den Abzug der russischen Truppen anzubieten habe und erklärte: "Nichts, tatsächlich gebe es nur die Aufrüstung." Das führe zu einem dritten Weltkrieg. Präsident Selenski und Vizeregierungschefin Iryna Iryna Wereschtschuk "müssen den Krieg stoppen, den sie nicht gewinnen können".

Der ehemalige Bürgermeister von Neapel, Luigi de Magistris, erklärte, er habe mit Putin "nichts gemeinsam", aber "Waffen an die Ukraine verstärken und erweitern den Konflikt, sind gegen den Frieden, erhöhen die Zahl der Toten, verwandeln die Ukraine in das Afghanistan Europas und riskieren, auch uns direkt in den Konflikt hinein zu ziehen."

Zu Wort melden sich auch Kommunisten. Die Partei, die den alten Namen Italienische Kommunistische Partei (PCI) führt, verwies am Mittwoch in einer Erklärung auf ihrer Website auf den Expansionismus der NATO nach Osten und das militaristische Abdriften der Europäischen Union und bezeichnete sie als Ursachen des Krieges. Mit Blick auf die Trennung der Republiken Donezk und Luhansk von Kiew per Referendum heißt es, es gehe um die Selbstbestimmung der Völker. "Deeskalation, Dialog und Verhandlungen müssen für eine friedliche Lösung bekräftigt werden." In der Ukraine müssten "Demokratie und Antifaschismus garantiert" und sie müsse "eine neutrale Nation" werden, "die eine Politik der Zusammenarbeit zwischen den europäischen Ländern und Russland" betreibe.

Die Kommunistische Wiedergründungspartei (PRC) verwies am Dienstag darauf, dass die ukrainischen Massaker an Zivilisten in Donezk verschwiegen werden, als wenn "russische Leben keine Rolle spielen". Die 14.000 Toten dort seit 2014 hätten nie Schlagzeilen gemacht und selbst der Mord an dem italienischen Reporter Andrea Rocchelli habe keine besonderen Emotionen ausgelöst. Die Draghi-Regierung verstoße mit den Waffenlieferungen an die Ukraine gegen Artikel 11 der Verfassung, der den Krieg "als Mittel zur Beilegung internationaler Streitigkeiten ablehnt".

Unbeeindruckt davon hat die Abgeordnetenkammer am Mittwoch mit den Stimmen der sozialdemokratischen PD und der Fünf Sterne (M5S) die Erhöhung der Militärausgaben um 13 Milliarden Euro auf 1,5 % des BIP beschlossen. Damit nähere sich Italien, wie Premier Draghi betonte, den von den USA und der NATO geforderten 2 %.

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Quelle:
© 2022 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 17. März 2022

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