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ITALIEN/432: Stunde der Wahrheit - Faschistische Parlamentsmehrheit segnet Krisenhaushalt ab (Gerhard Feldbauer)


Die Stunde der Wahrheit

Faschistische Parlamentsmehrheit segnet Krisenhaushalt ab

von Gerhard Feldbauer, 30. Dezember 2022


Mit der Bestätigung des Haushalt 2023 durch die faschistische Parlamentsmehrheit, zuletzt am heutigen Freitag im Senat, kam die Stunde der Wahrheit. Im Wahlkampf hatte Meloni mit ihren Partnern den arbeitenden Menschen das Blaue vom Himmel herunter versprochen: Salvini eine Flat Tax (Einheitssteuer) von 15 Prozent und eine neue Steueramnestie, die Verdoppelung der Mindestrenten von bisher rund 500 Euro und den gleichen Betrag für Mütter und Hausfrauen. Berlusconi wollte eine Million neuer Arbeitsplätze schaffen. Alle hatten versprochen, das seit Jahren von M5S versprochene, aber immer abgeblockte "Reddito di cittadinanza", das Bürgereinkommen, werde nun von ihnen für alle Bedürftigen verwirklicht. Davon blieb kaum etwas übrig. Das konnte auch gar nicht anders sein, denn der Entwurf war das Werk von Finanzminister Giancarlo Giorgetti von Salvinis Lega. Er war schon unter Draghi Minister und setzte als Vertrauter des früheren EZB-Präsidenten dessen Finanzpolitik, die zu garantieren ja Meloni zugesagt hatte, fort.

Wie Manifesto berichtete, hatte Confindustria-Präsident Carlo Bonomi klargestellt, dass für die Einlösung von Wahlversprechen "nicht der richtige Zeitpunkt" sei, sondern "das wichtigste Kapitel" die "Sicherung der italienischen Industrie" ist. Meloni hielt sich an die Order. Zum Schein gewährte sie eine Mini-Steueramnestie. Statt des allen versprochenen Bürgereinkommens wurden die Kontrollen und Sanktionen für Bezieher, die eine angebotene Arbeitsstelle ablehnen, verstärkt. Lediglich auf Brot und Milch wurde die Mehrwertssteuer aufgehoben. M5S-Präsident Conte sah in der Vorlage einen "sozialen und wirtschaftlichen Abgrund für Arbeiter und arme Familien", während es eine "Reise erster Klasse für Steuerhinterzieher und korrupte Leute, die mit Geldbündeln herumlaufen" sein werde. Das Staatsbürgerschaftseinkommen für Frauen und Männer über 50 und 60, die schon Schwierigkeiten haben, eine Anstellung zu finden, werde in Wirklichkeit gekürzt, so die linke Zeitung.

Gegenüber Brüssel forderte Meloni höhere Leistungen zur Bewältigung der Energiekosten, die Italien sonst nicht bewältigen könne. Energie- und Umweltminister Gilberto Pichetto Fratin schob nach, der Plan der EU-Kommission sei "unzureichend". Mit dem am 1. Januar in Kraft tretenden Krisenhaushalt erwartet die Regierung ein "heißer Winter", denn die Gewerkschaften haben neue Kampfaktionen angekündigt. CGIL-Generalsekretär Maurizio Landini erklärte, der Haushalt "trifft die Ärmsten, erhöht die Prekarität, belohnt Steuerhinterzieher mit vielen Formen der Amnestie, bestraft dagegen mit der Flat Tax die Arbeitnehmer". Es gebe keine angemessenen Lohnerhöhungen, das Renten-Gesetz werde nicht reformiert, die Renten nicht geschützt. Im Gesundheitswesen herrsche, so Manifesto, "heller Aufruhr". Ärzte und Tierärzte lehnten den Haushalt ab, der für die Gesundheitsversorgung "nur Krümel" bereit halte. "Die unerträglich gewordenen Arbeitsbedingungen von medizinischen, veterinärmedizinischen und Gesundheitsmanagern schürten eine Krise der öffentlichen Gesundheit", hieß es in einer Erklärung von Ärzten und Gesundheits-Managern der CGIL, UIL, CISL und weiteren Verbänden.

Während elementarste Menschenrechte nicht berücksichtigt wurden, sind, um den "möglichst effektiven Vollzug der Ausweisungsverfügungen von Ausländern zu gewährleisten" und dazu das Netz der Haftanstalten für die Rückführung von Migranten auszubauen, die Mittel 2023 um 5.397.360 Euro, für 2024 um weitere 14.392.960 Euro und für 2025 nochmals um 16.192.080 Euro erhöht worden, enthüllte Manifesto.

Im neuen Jahr werden breiten Schichten der arbeitenden Menschen, die Arbeitslosen und die Rentner in bisher nicht gekannter Weise die Kosten der durch den Krieg ausgelösten Wirtschaftskrise zu spüren bekommen. Wie die Energiebehörde Arera berichtete, war die Gasrechnung für Familien im November weiter auf 13,7 % gegenüber dem Vormonat gestiegen, was für 2022 für einen typischen Haushalt bereits 1.740 Euro (63,7%) mehr als im Vorjahr betragen werde. Das Unimpresa Study Center, ein Institut kleiner, mittlerer und kleinster Unternehmen, hatte im Juli 2022 berichtet, dass Ende 2021 im G7-Staat Italien 11,5 Millionen Menschen, weit mehr als bis dahin bekannt, in Armut lebten. Davon waren die Rentner am stärksten betroffen. Das staatliche Amt für Statistik ISTAT meldete mit einem Anstieg der Inflation um 8 %, einen Jahres-Höchststand seit 1986. Diese Inflation "frisst die Rente auf", so der Vorsitzende der Rentner-Gewerkschaft in der CGIL, Alfred Ebner.

Immer mehr Rentner rutschen in die Armut ab. Laut der italienischen Sozialversicherung INPS lag die durchschnittliche Altersrente seit 1. Januar 2019 bei 1.196,98 Euro. Einbezogen waren darin jedoch auch die verhältnismäßig bessergestellten Pensionäre, die Altersbezüge von 1.500 Euro und mehr erhalten. Etwa 2,3 Millionen Rentner erhielten dagegen weniger als 1.000 Euro im Monat und lebten damit schon an der Armutsgrenze. Schlimmer ging es 12,2 % von ihnen, die nicht über 500 Euro kamen. In Südtirol, einer Region, die zu den wohlhabenderen zählt, bekommen "derzeit rund 30 % der Rentner unter 1.000 Euro brutto", sagte Ebner. Davon lasse es sich schon in Südtirol nur schwer leben. Und jetzt treffe es jene, "die ein bisschen darüber liegen - und die solche Situationen gar nicht gewohnt sind". Der Leiter der Mailänder Caritas, Luciano Gualzetti, berichtete im Interview mit "Radio Vatikan", dass es kaum noch einen Unterschied zwischen dem traditionell reicheren Norden und dem Süden, wo generell mehr Menschen in sozialen Schwierigkeiten leben, gibt.

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Quelle:
© 2022 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 30. Dezember 2022

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