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ITALIEN/019: Staatspräsident Napolitano weist Ex-Premier Berlusconi zurecht (Gerhard Feldbauer)


Staatspräsident Napolitano weist Ex-Premier Berlusconi zurecht

"Duce"-Enkelin an der Seite des Ex-Premiers

von Gerhard Feldbauer, 19. August 2013



Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano hat die von Ex-Premier Silvio Berlusconi ultimativ vorgebrachte Forderung, die gegen ihn wegen Steuerbetrugs, Korruption und Richterbestechung rechtskräftig verhängte Haftstrafe von vier Jahren durch Gnadenerlass aufzuheben, zurückgewiesen. Das Staatsoberhaupt reagierte damit auf den zur Unterstützung dieser Forderung durch Berlusconis Partei Volk der Freiheit (PdL) angedrohten Austritt aus der Regierungskoalition mit der Demokratischen Partei (PD) und selbst mit "Formen des Bürgerkrieges". Zu den Unterstützern gehört die "Duce"-Enkelin Alessandra Mussolini mit zahlreichen AN-Faschisten in der PdL.


Urteil sei "zu respektieren"

Wie die römischen "Repubblica" am 14. August berichtete, forderte der Staatschef, das "rechtskräftige Urteil sei zu respektieren" und daraus folge die Verpflichtung "es umzusetzen". Der Stellungnahme war jedoch auch zu entnehmen, dass Napolitano eine Form der Begnadigung des 76-Jährigen Ex-Premiers nicht ausschließt, die Möglichkeiten dazu aber "sehr begrenzt" seien. Ein Gnadengesuch Berlusconis habe er auch noch nicht erhalten. Berlusconis Verteidigung ließ danach verlauten, ihr Mandant werde "früher oder später" ein Gnadengesuch stellen. Das würde dann aber - der Forderung Napolitanos entsprechend - die Anerkennung des Urteils einschließen. Eine weitere Bedingung des Staatschefs ist, dass Berlusconis PdL in der Regierungskoalition mit der PD und der Bürgerliste des vorherigen Übergangspremiers Mario Monti verbleibt, um "die schwere Rezession" anzugehen. Offen bleibt, ob Berlusconi seinen Sitz im Senat verliert und ihm die Ausübung öffentlicher Ämter untersagt wird, er also bei Neuwahlen nicht kandidieren könnte.


Basteln an neuem Mythos

Berlusconi müsste übrigens nur ein Jahr der Strafe antreten, da drei bereits durch ein Verjährungsgesetz erlassen sind. Auch müsste er nicht ins Gefängnis, sondern könnte die Reststrafe unter Hausarrest verbringen. Dass der Mediendiktator von der Möglichkeit, Sozialarbeit zu leisten, Gebrauch macht, wird kaum erwartet.

Berlusconi steuert vorerst jedoch eine Märtyrererrolle an und erklärt, er werde ins Gefängnis gehen. Von diesem neuen Mythos erhofft er für sich bzw. seine Partei bei vorgezogenen Neuwahlen Stimmenzuwachs und einen erneuten Wahlsieg. In der PD mehren sich die Stimmen, eine Kandidatur Berlusconis könne unmöglich zugelassen werden. Zahlreiche PD-Politiker mit dem Stadtverordneten von Mailand und Vorsitzenden der Antifmafia-Kommission der Stadt, David Gentili, an der Spitze erklärten, der verurteilte Ex-Premier sei "incandidabile" (nicht kandidierfähig).

Für den Fall einer Nichtzulassung seiner Kandidatur hatte Berlusconi angekündigt, dann werde seine älteste Tochter Marina, die bereits seine Fininvest-Holding leitet, auch Chefin der PdL werden und sich als Premier bewerben. Aber er scheint im Familienclan nicht mehr das Sagen zu haben. Tochter Marina lehnte "kategorisch" ab, sich "politisch zu engagieren".


Linke fordern Ende der Koalition mit rechtsextremer PdL

Unter den Linken - Nicchi Vendolas Partei Linke und Umwelt (SEL), den beiden KPs Rinfondazione Comunista (PRC) und Kommunisten Italiens (PdCI), sowie der 5-Sterne-Protestbewegung (M5S) Beppe Grillos - wird gefordert, die haarsträubende Koalition mit der rechtsextremen PdL sofort zu beenden, da sie außerstande sei, die gravierenden politischen und sozialen Probleme des Landes anzugehen. Sie wird mit dem 1921 von den Sozialisten mit Mussolini geschlossenen Versöhnungspakt verglichen. Eine Fortexistenz dieser Regierung nütze nur Berlusconi, seine angeschlagene Macht zu konsolidieren, meint PRC-Sekretär Paolo Ferrero, der den unverzüglichen Rücktritt dieses Kabinetts fordert (Interview für jW, 13.08.13). Grillo warnte in der ihm nahe stehenden Zeitung "Fatto quodidiano" Napolitano vor schwerwiegenden Folgen einer Begnadigung Berlusconis, die zur Forderung seines Rücktritts führen würde.

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Quelle:
© 2013 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. August 2013