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AUSSEN/160: EU-Türkei-Deal - Schande für Europa (Pro Asyl)


Pro Asyl - Presseerklärung vom 18. März 2016

EU-Türkei-Deal: Schande für Europa


Heute soll der neue Deal mit dem türkischen Premierminister Davotoglu in trockenen Tüchern sein. Die Einigung der Staats- und Regierungschefs der EU von heute Nacht "ist eine Schande für Europa. Dies ist ein bitterer Tag für Flüchtlinge. Die EU verkauft die Menschenrechte von Flüchtlingen an die Türkei", so PRO ASYL-Geschäftsführer Günter Burkhardt. Heute wird nur noch über die Höhe der Gegenleistungen verhandelt.

Im Grenzstaat Griechenland drohen nun pro forma-Verfahren mit anschließender Masseninhaftierung und Massenabschiebung. Das Flüchtlingsrecht und die Menschenrechtskonvention werden ausgehebelt. "Griechenland wird zum Asyllager der EU, die Türkei zum Vorposten. Das ist eine moralische und rechtliche Bankrotterklärung. Vom Europa der Werte haben wir uns nun zum Europa der Zäune entwickelt", so Burkhardt weiter.

Das ist eine Kehrtwende in der Geschichte der Europäischen Union. Die Türkei mit ihren fast drei Millionen Flüchtlingen kann weder individuelle Asylverfahren durchführen, noch ihnen Schutz gewähren. Sie ist kein sicherer Drittstaat im Sinne des Flüchtlingsrechts und hat bereits hunderte Flüchtlinge nach Syrien und in den Irak abgeschoben.

Aus Griechenland sollen nun alle Schutzsuchenden, die von der Türkei aus auf den griechischen Inseln ankommen, in die Türkei zurückverfrachtet werden. Europa zeigt sich im Gegenzug bereit, für jeden syrischen Flüchtling, der in die Türkei abgeschoben wurde, über Resettlement einen syrischen Flüchtling aus der Türkei aufzunehmen. Derzeit stehen noch knapp 18.000 Plätze der im Juli 2015 vereinbarten Resettlement-Zusagen zur Verfügung. Der Deal spielt syrische gegen andere Schutzsuchende aus. Offensichtlich ist überdies eine Aufnahmebereitschaft in Europa kaum vorhandenen.

Täuschung der Öffentlichkeit: Es wird in Europa zu Menschenrechtsverletzungen kommen

Der Beschluss der Staats- und Regierungschefs scheint sich an der Vorlage der Europäischen Kommission, die die Pläne in einer Mitteilung konkretisiert hat, zu orientieren. Die massive Kritik daran blieb nicht ganz folgenlos: Nun soll wenigstens eine Einzelfallprüfung in der EU stattfinden, allerdings im Schweinsgalopp. Die offensichtliche Rechtswidrigkeit wird nicht beseitigt. Es drohen Massenabschiebungen ohne eine rechtsstaatliche und faire inhaltliche Prüfung der Schutzbedürftigkeit.

Griechenland: Desolates Asylsystem und Ausbau der Haftkapazitäten

Die Durchführung von Einzelverfahren aller in Griechenland ankommenden Schutzsuchenden ist angesichts des faktisch nicht existierenden Asylsystems in Griechenland eine Farce. Griechenland hat nicht die Kapazität, faire Asylverfahren durchzuführen. Im März landeten täglich rund 1.300 Schutzsuchende auf den griechischen Inseln, seit Jahresbeginn waren es 143.634.

In Griechenland existiert nach wie vor kein rechtsstaatliches Asylverfahren: Es gibt weder ein ausreichend ausgestattetes Gerichtssystem, das es erlaubt, Entscheidungen der Behörden durch Gerichte zu prüfen, noch ein menschenwürdiges Aufnahmesystem. Zurzeit halten sich rund 50.000 Flüchtlinge in Griechenland auf, es stehen bisher jedoch lediglich 30.000 Unterbringungsplätze zur Verfügung.

Die Kommission fordert, zusätzliche "separate Einrichtungen für irreguläre Migranten" einzurichten und die Haftkapazitäten zu erhöhen, um Schutzsuchende bei der Gefahr des Untertauchens festzusetzen. Es droht das Zurück zu einer exzessiven Inhaftierungspraxis in Griechenland, die in den Vorjahren immer wieder massiv kritisiert und vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt wurde.

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Quelle:
Pro Asyl - Presseerklärung vom 18. März 2016
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. März 2016

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