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MELDUNG/077: Menschenrechtsgerichtshof prüft Push-Backs nahe Idomeni (Pro Asyl)


Pro Asyl - Pressemitteilung vom 13. Februar 2017

Menschenrechtsgerichtshof prüft Push-Backs nahe Idomeni - Mazedonien muss Stellung zu Rückschiebe-Praxis nehmen

Geflüchtete aus Syrien, Irak und Afghanistan fordern ihr Recht auf Rechte


Etappensieg gegen die Rückschiebe-Praxis in Europa: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg prüft die massenhaften Push-Backs (dt. völkerrechtswidrige Zurückschiebungen) von Geflüchteten nahe des Lagers Idomeni an der mazedonisch-griechischen Grenze im März 2016. Dazu hat der Gerichtshof der Regierung Mazedoniens die Beschwerden von acht Schutzsuchenden aus Syrien, Irak und Afghanistan zur Stellungnahme zugestellt.

Die Geflüchteten hatten im September 2016 mit Unterstützung des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) und PRO ASYL wegen der Push-Backs Individualbeschwerden gegen Mazedonien eingelegt. Sie machen geltend, dass Mazedonien mit den Push-Backs gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verstoßen hat. Die mazedonische Regierung muss bis zum 18. Mai 2017 Stellung nehmen. Auch zivilgesellschaftliche Organisationen oder Universitäten können nun zu dem EGMR-Verfahren eine rechtliche Einschätzung einreichen.

»Mit den Push-Backs - sei es damals in Idomeni oder aktuell an der Grenze zwischen Serbien und Ungarn - setzen die Regierungen in Europa grundlegende Menschenrechte außer Kraft«, sagte ECCHR-Generalsekretär Wolfgang Kaleck. »Geflüchtete und MigrantInnen haben ein Recht auf Rechte. Das kann der EGMR mit dem Idomeni-Fall beispielhaft feststellen.« Auch Karl Kopp, Europa-Referent von PRO ASYL, begrüßte, dass der EGMR, die Individualbeschwerden gegen Mazedonien so zügig angenommen hat: »Die Push-Backs bei Idomeni waren ein Verstoß gegen das Verbot der Kollektivausweisung und gegen das Recht der Schutzsuchenden auf effektiven Zugang zu einem Rechtsbehelf. Diese eklatanten Menschenrechtsverstöße lassen sich weder in Mazedonien noch in einem anderen Land Europas mit einem angeblichen 'Ausnahmezustand' rechtfertigen.«

Die Beschwerdeführenden, zwei Frauen und sechs Männer, überquerten am 14. März 2016 gemeinsam mit etwa 1.500 anderen Geflüchteten die griechisch-mazedonische Grenze. Das mazedonische Militär setzte sie fest und zwang sie zurück nach Griechenland. Die Beschwerdeführenden hatten keine Möglichkeit, Antrag auf Asyl zu stellen oder ein Rechtsmittel gegen die Maßnahme einzulegen. Durch die Rückschiebung ohne jegliches individuelles Verfahren und ohne Rechtsschutzmöglichkeit verstieß Mazedonien gegen Artikel 4 des Vierten Zusatzprotokolls (Verbot der Kollektivausweisung) und gegen Art. 13 (Recht auf effektive Rechtsmittel) der EMRK.

Das ECCHR setzt sich seit 2014 mit rechtlichen Interventionen gegen die Abschiebepraktiken in Europa ein und unterstützt auch die EGMR-Beschwerden von zwei Geflüchteten gegen Spaniens Push-Back-Praxis an der Grenze zu Marokko in Melilla. PRO ASYL dokumentiert seit 2012 zahlreiche Push-Back-Operationen in der Ägäis und unterstützt die Klagen der Überlebenden des Grenzüberwachungseinsatzes von Farmakonisi vor dem EGMR.

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Quelle:
Pro Asyl - Pressemitteilung vom 13. Februar 2017
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Februar 2017

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