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PARTEIEN/207: Ian Paisley droht erneut mit Blockadehaltung (SB)


Ian Paisley droht erneut mit Blockadehaltung

Der DUP-Chef kommt von der alten "No Surrender"-Leier nicht los


Am 7. März finden in Nordirland Wahlen zum Regionalparlament statt. Am 26. März soll die neue interkonfessionelle Regierung gebildet und die politische Verantwortung für die Provinz von London an Belfast zurückübertragen werden. Dies alles haben die politischen Parteien Ulsters und die Premierminister von Großbritannien und der Republik Irland, Tony Blair und Bertie Ahern, im letzten Oktober im schottischen St. Andrews vereinbart. Als Bedingung hierfür mußte sich Sinn Féin, der politische Arm der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) und zugleich die größte katholisch-nationalistische Partei Nordirlands, bereit erklären, die neue Polizeibehörde, den Police Service of Northern Ireland (PSNI), der die einst protestantisch- dominierte, längst diskreditierte Royal Ulster Constabulary (RUC) abgelöst hat, anzuerkennen und mit ihr zusammenzuarbeiten. Diese Bedingung hat Sinn Féin durch die Annahme eines entsprechenden Antrags mit überwältigender Mehrheit auf einem historischen Sonderparteitag am 28. Januar in Dublin erfüllt. Daraufhin hatte Nordirlandminister Peter Hain die Wahlen für die Abgeordnetenversammlung in Belfast ausgeschrieben. Doch nun gibt es Probleme. Ian Paisley, Chef der Democratic Unionist Party (DUP), der größten protestantischen Gruppierung der Provinz, erwägt offen, die interkonfessionelle Regierung doch nicht zustande kommen zu lassen, weil er angeblich mit Sinn Féins Ja zur Polizei nicht zufrieden ist.

Das Problem von Paisley und der DUP liegt weniger in der Haltung Sinn Féins, als in der enormen Schwierigkeit begründet, sich von den eigenen früheren Hetztiraden und der eigenen früheren Blockadehaltung zu verabschieden. Seit ihrer Gründung vor mehr als 30 Jahren existierte die DUP immer im Schatten der Official Unionist Party (OUP), später Ulster Unionist Party (UUP), die Nordirland nach der Teilung der Insel im Jahre 1922 bis zum Ausbruch des Bürgerkrieges Ende der sechziger Jahre in protestantischer Alleinherrschaft regierte. Auch Ende der neunziger Jahre, als Dublin und London Friedensverhandlungen ansetzten und Sinn Féin dazu einluden, wollte die DUP damit nichts zu tun haben. Folglich wurde das Karfreitagsabkommen von 1998 im wesentlichen von Regierungsvertretern aus Dublin und London zusammen mit der Führung der DUP und der Social Democratic Labour Party (SDLP) - die damals die jeweils größte protestantische und katholische Gruppierung stellten - sowie Sinn Féins ausgehandelt. Die DUP blieb außen vor und geißelte den Friedensvertrag als "Teufelswerk" und "Ausverkauf" von Nordirlands Protestanten an die angeblich vom Vatikan kontrollierte Republik im Süden.

Eine erste Aufweichung der DUP-Position gab es, als es im Sommer 1998 zur Postenverteilung in der neuen interkonfessionellen Regierung kam. Der Paisley-Truppe stand zwei Ministersessel zu. Auf die damit einhergehenden Pfründe wollte man dann doch nicht verzichten. Nichtsdestotrotz arbeiteten die beiden DUP-Minister praktisch direkt unter dem damaligen Ersten Minister, UUP-Chef David Trimble, und weigerten sich, an Kabinettssitzungen teilzunehmen, weil sie dann mit irgendwelchen "Terrorpaten" von Sinn Féin hätten reden müssen. Gleichzeitig krittelte die DUP am Friedensnobelpreisträger Trimble wegen dessen angeblicher Kapitulation vor der "pannationalistischen Front" bestehend aus Dublin, SDLP und Sinn Féin dermaßen herum, daß in der protestantischen Bevölkerung tatsächlich der verheerende Eindruck entstand, die UUP sei beim Karfreitagsabkommen über den Tisch gezogen worden. Völlig ausgeblendet wurde beispielsweise der einmalige Verzicht der Republik Irland auf ihren verfassungsmäßigen Anspruch auf die gesamte Insel als Staatsterritorium zugunsten eines Bekenntnisses zum langfristigen Ziel einer friedlichen Wiedervereinigung.

Doch die Dauerkritik an Trimble und der UUP erwies sich für die DUP als sehr erfolgreich. Inzwischen stellt sie mit Abstand die größte Partei der Provinz und hat Anspruch auf den Posten des Ersten Ministers bei der Bildung einer neuen Regierung. In den letzten Jahren hat es jedoch im nationalistischen Lager eine Parallelentwicklung gegeben. Dort ist nicht mehr die SDLP von Friedensnobelpreisträger John Hume, sondern Sinn Féin unter der Führung von Gerry Adams und Martin McGuinness die stärkste Kraft. Nach den De-Hondt-Kriterien des Karfreitagsabkommens hieße das, daß nach der Wahl am 7. März - sofern sich die derzeitige Konstellation nicht wesentlich ändert, womit niemand rechnet - die DUP eine Koalition mit der Sinn Féin eingehen müßte. Dabei haben die Vertreter der DUP wegen der eigenen starren, rechthaberischen Haltung, selbst die wahrhaften "Demokraten" zu sein, während die anderen nicht besser als Mörder wären, bis heute nicht ein einziges Mal direkte Gespräche mit den Kollegen von Sinn Féin geführt. Alle bisherigen Kommunikationen zwischen beiden Seiten sind entweder über die Medien oder über Vermittler gelaufen.

Angesichts dieser verzwickten Lage wundert es wenig, daß nun Paisley urplötzlich kalte Füße vor der möglichen Regierungsbildung bekommt. Bei einem Wahlkampfauftritt am 28. Februar in der beschaulichen, mehrheitlich protestantischen Hafenstadt Bangor, nördlich von Belfast, erklärte der DUP-Chef, die von Nordirlandminister Peter Hain gesetzte Frist zur Bildung der neuen Provinzregierung werde sich vermutlich nicht einhalten lassen. Dabei hat Hain stets gedroht, daß die Parteien in Belfast, sollten sie sich bis dahin nicht einigen, auf lange Sicht eine Rückübertragung der Regierungsgewalt für Nordirland vergessen könnten und daß London die Provinz künftig in Zusammenarbeit mit Dublin verwalten würde. Als Grund für seine Skepsis hinsichtlich der Einhaltung der von Hain gesetzten Frist nannte Paisley die Haltung der Sinn Féin, deren bisherigen Bekenntnisse zur nordirischen Polizei nicht weit genug gingen. Vor Journalisten erklärte der 81jährige, freipresbyterianische Fundamentalist:

Ich glaube, der 26. März ist ein zu frühes Datum. Sinn Féin macht einen Unterschied zwischen dem "zivilen" Polizeidienst und dem "politischen" Polizeidienst. Sie haben ihr Wort gebrochen. ... Der Termin ist ein Traum, den der Minister (Hain - Anm. d. Red.) hatte. Jetzt ist er zum Alptraum geworden, weil er sich niemals wird einhalten lassen. Doch lassen Sie mich hinzufügen, sollte die IRA (gemeint ist Sinn Féin - Anm. d. Red.) endlich alle Bedingungen erfüllen, könnten wir alles erreichen.

Paisleys Rede vom "zivilen" und "politischen" Polizeidienst weist auf das vielleicht größte Problem der Sinn Féin in der Frage ihrer Haltung gegenüber den Staatsorganen in Nordirland hin. Zur Zusammenarbeit mit dem PSNI, der die RUC-Vergangenheit hinter sich gelassen haben soll und quasi die eigene lokale Ordnungsmacht darstellt, konnte man sich doch noch durchringen. Hinzu kommt, daß die Vertreter Sinn Féins künftig bei den Polizeiaufsichtsgremien werden mitreden können. Ein Bekenntnis zum britischen Inlandsgeheimdienst MI5 fällt den Vertretern des irischen Republikanismus dagegen entschieden schwerer, zumal die Kontrolle über diese Behörde weiterhin in London bleibt. Mit seinen Äußerungen durfte Paisley jedenfalls den eigenen Wählern signalisiert haben, daß von ihm kein "Ausverkauf" zu befürchten ist. Wie es in Nordirland weitergeht, wird man nach dem Urnengang am 7. März sehen. Bereits jetzt kündigt sich ein angespanntes Manövrieren aller Beteiligten an, bevor die immer noch schwer vorstellbare Koalition zwischen DUP und Sinn Féin steht ...

1. März 2007