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PARTEIEN/225: Irlands Grüne schwenken auf Pro-Lissabon-Kurs ein (SB)


Irlands Grüne schwenken auf Pro-Lissabon-Kurs ein

Befürworter des EU-Reformvertrages geben sich bereits siegesgewiß


Auf einem außerordentlichen Parteitag haben Irlands Grüne am 18. Juli dafür votiert, als Partei geschlossen für ein Ja bei der auf den 2. Oktober datierten Volksbefragung über den EU-Reformvertrag zu werben. Der entsprechende Antrag wurde mit genau Zweidrittelmehrheit - 214 zu 107 Stimmen - von den Delegierten angenommen. Das Votum der Grünen wurde von praktisch allen großen irischen Medien als ermutigendes Zeichen interpretiert, daß die Iren bei der zweiten Abstimmung den Vertrag von Lissabon ratifizieren werden. Da kann man seine Zweifel nicht zuletzt deshalb haben, weil die Konzernmedien und die meisten politischen Kommentatoren auf der grünen Insel, die sich eine Ratizifierung des Vertrags von Lissabon wünschen, ein offensichtliches Interesse daran haben, bis zum 2. Oktober so zu tun, als stünde das Ergebnis bereits fest und als sei die letztjährige Entscheidung des Volkssouveräns ein unangenehmer Alptraum, den man so schnell wie möglich hinter sich lassen sollte.

Bei der Volksbefragung im Juni letzten Jahres traten die drei größten Parteien der Irischen Republik, die regierende konservative Fianna Fáil sowie von der Opposition die konservative Fine Gael und die sozialdemokratische Labour-Partei für eine Annahme des EU-Reformvertrages ein. Unterstützt wurden sie hierbei von den Kirchen, den Arbeitgeberorganisationen sowie den meisten Gewerkschaften und Zeitungen. Die Grünen, die seit den letzten Parlamentswahlen im Sommer 2007 eine Regierungskoalition mit Fianna Fáil bilden, konnten sich auf keine Position einigen, weshalb sich einige ihrer Vertreter für Ja, einige für Nein stark machten. Von den im Dubliner Unterhaus Dáil vertretenen Partei sprach sich einzig die links-nationalistische Sinn Féin für ein Nein aus und stellte sich damit auf die Seite der außerparlamentarischen Opposition, die hauptsächlich aus diversen linken Gruppierungen und Friedensorganisationen bestand.

Die Unterstützung der irischen Grünen für den EU-Reformvertrag darf nicht überbewertet werden. Zwei Jahre Regierungsverantwortung haben dazu beigetragen, die Männer und Frauen um den Parteichef John Gormley als Opportunisten reinsten Wassers zu entlarven. Weder haben sie den Bau der kontroversen Shell-Gaspipeline an der Atlantikküste der Grafschaft Mayo gestoppt, noch für eine Neuverlegung der Trasse der umstrittenen neuen Autobahn, die mitten durch das wegen seiner Hünnengräber berühmte Tal von Tara in der Grafschaft Meath nördlich von Dublin verläuft, sorgen können. Darüber hinaus stehen sie kurz davor, den Bau der ersten Müllverbrennungsanlage des Landes ausgerechnet in der Dubliner Bucht, deren Klippen, Strände und Gewässer Naherholungsgebiet für Hunderttausende Menschen sind, zu genehmigen. Wegen solcher Beispiele des Verrates an den eigenen angeblichen Prinzipien und weniger wegen der aktuellen Wirtschaftskrise des Landes, welche der größte Teil der irischen Bevölkerung der seit 1987 mit wechselnden Koalitionspartnern regierenden Fianna Fáil anlastet, wurden die EU- und Kommunalwahlen Anfang Juni für die Grünen zur absoluten Katastrophe. Bei den Kommunalwahlen erzielten sie einen Stimmenanteil von läppischen 2,3 Prozent und gewannen keinen einzigen Sitz. Bei der Europawahl sah es mit einem Stimmenanteil von 1,9 Prozent - fünf Jahre zuvor waren es rund 5 Prozent - und keinem einzigen gewonnenen Sitz ähnlich düster aus.

Seit die Grünen als Juniorpartner an der Seite von Fianna Fáil regieren, kommt es immer wieder zu Parteiaustritten, in letzter Zeit auch aus Protest gegen geplante Kürzungen im Bildungs-, Gesundheits- und Sozialbereich. Als eine der schärfsten Kritikerinnen der Führung der Grünen gilt deren ehemalige Parteikollegin Patricia McKenna. 1994 hatte diese in Dublin für die irischen Grünen den ersten Sitz im EU-Parlament erobert, ihn 1999 erfolgreich verteidigt, aber schließlich 2004 verloren. Nach den Parlamentswahlen 2007 gehörte McKenna zu der unterlegenen Fraktion, welche die von Gormley und Konsorten befürwortete Bildung einer Koalition mit Fianna Fáil ablehnte. 2008 wurde McKenna deshalb von der Partei als Kandidatin für die EU-Wahl im Großraum Dublin nicht aufgestellt. Nachdem es ihr auch versagt blieb, bei den diesjährigen Kommunalwahlen zu kandidieren, trat sie aus der Partei aus. Bei der EU-Wahl kandidierte sie als unabhängige Kandidatin und wurde zwar nicht gewählt, hat jedoch immerhin mehr Stimmen bekommen als die offizielle Grünen-Kandidatin Deirdre de Búrca.

Vor diesem Hintergrund hatte McKenna, die letztes Jahr als Mitglied der People's Movement (Gluaiseacht an Phobail) den Kampf gegen den Lissabon-Vertrag mit anführte, für den jüngsten Beschluß der früheren Parteikollegen nichts als Spott übrig. Wie vom staatlichen irischen Rundfunk RTÉ berichtet, erklärte sie, daß die auf dem Sonderparteitag gefallene Entscheidung der Grünen, "bei ihrer lange bestehenden Forderung nach einer demokratischeren EU einen Rückzieher zu machen, der Ja-Seite mehr schaden als helfen" werde, und fügte hinzu: "Derzeit würden die Wähler der Grünenpartei nicht einmal ein gebrauchtes Auto abkaufen, geschweige denn, einen zurückgewiesenen Vertrag. Die Parteiführung hat gezeigt, daß sie, sobald sie Teil des 'anerkannten politischen Establishments' ist, ihren Prinzipien den Rücken kehrt." Man kann davon ausgehen, daß sich die Tonlage zwischen Befürwortern und Gegnern des EU-Reformvertrages bis Oktober um einiges verschärfen wird.

21. Juli 2009