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PARTEIEN/228: Irlands Ja zu Lissabon unter Manipulationsverdacht (SB)


Irlands Ja zu Lissabon unter Manipulationsverdacht

EU-Kritiker werfen Lissabon-Befürwortern unlautere Methoden vor


Mit großer Erleichterung und Selbstzufriedenheit reagierte Anfang Oktober das Politestablishment und das Großbürgertum in Irland auf den überwältigenden Sieg des Ja-Lagers beim zweiten Referendum zum Lissabon-Vertrag. Das Nein-Lager, das hauptsächlich aus diversen kleinen politischen Gruppierungen bestand und letztes Jahr den etablierten Parteien auf der Insel und den EU-Granden in Brüssel eine herbe Niederlage beigebracht hatte, war dagegen von der Umkehr der Verhältnisse am Boden zerstört. In der Beurteilung des Ausgangs der zweiten Volksbefragung waren sich beide Seiten einig: Maßgeblich für den Stimmungsumschwung waren die Wirtschaftskrise und die damit verbundenen Angst der irischen Wähler, von der EU abgehängt oder auf irgendeine Art bestraft zu werden, sollte das Land erneut den Reformvertrag blockieren und ihn damit endgültig zum Scheitern bringen. Inzwischen stellen sich immer mehr Anhänger und Aktivisten des Nein-Lagers die Frage, ob nicht der Sieg der Lissabon-Befürworter auch auf Manipulationen und Wahlfälschungen zurückgeht. Offenbar gibt es für diese Möglichkeit nicht wenige Verdachtsmomente.

Was das Motiv betrifft, so haben die EU-Kommission, alle im irischen Parlament vertretenen Parteien - bis auf Sinn Féin -, die großen Medien und die Arbeitgeber auf der Insel von Anfang an klar gemacht, daß sie das zweite Referendum zu gewinnen beabsichtigten, koste es, was es wolle. Deshalb zum Beispiel gab der Ryanair-Chef Michael O'Leary eine halbe Million Euro für Pro-Lissabon-Werbung aus, während Geraldine Kennedy, Chefredakteurin der einst angesehenen, wegen zunehmender neoliberaler Tendenzen immer weniger respektierten Irish Times, finsterste Untergangsszenarien für den Fall eines zweiten Neins an die Wand malte und Labour-Chef Eamon Gilmore PR-technisch eine "Bodenoffensive" anstelle des letztjährigen, angeblich halbherzigen "Luftkriegs" versprach. Es schossen diverse Gruppen der gutbetuchten "Zivilgesellschaft" aus dem Boden, um vor allem der Mittelschicht einzubleuen, daß man "in Europa" "sicherer" sei.

Doch ob alle diese Bemühungen und die nicht zu übersehende, einseitig zugunsten der Annahme des Lissabon-Vertrages ausgefallene Berichterstattung der Medien tatsächlich einen solchen Stimmungsumsschwung herbeiführen konnte, steht zu bezweifeln. Man muß sich nur das tatsächliche Ausmaß der Veränderungen vor Augen führen. Beim ersten Referendum hatten bei einer Beteiligung von 53,13% 862.415 Menschen (53,4%) mit Nein und 752.451 (46,6%) mit Ja gestimmt. Beim zweiten Mal sah die Lage ganz anders aus. Die Wahlbeteiligung schoß auf 59% hoch - die höchste bei einem Referendum in EU-Fragen seit demjenigen über den Beitritt im Jahre 1973. Während die Nein-Seite 267.809 Stimmen verlor, um schließlich bei 594.606 (32.87%) zu landen, verzeichnete das Ja-Lager einen Zuwachs um fast eine halbe Million - 461.817 -, um mit 1.214.268 (67,13%) den Sieg davonzutragen. Grob umgerechnet bedeutet das, daß am 2. Oktober die Ja-Seite im Vergleich zum 12. Juni 2008 fast doppelt so viele Stimmen hinzugewonnen hat, wie die Nein-Seite verlor.

Man kann seine Zweifel haben, ob das alles mit rechten Dingen zugegangen ist. In den Wochen vor der Abstimmung lag das Ja-Lager zwar in allen Umfragen vorn, doch das Nein-Lager holte merklich auf. In der allerletzten Umfrage, welche die Irish Times und das demoskopische Unternehmen mrbi am 25. September veröffentlichten, lagen die Abkommensbefürworter bei 48%, die -gegner bei 33% und die Unentschiedenen bei 19%. Schließt man letztere aus, ergibt das 59% Ja zu 41% Nein. Im Endergebnis jedoch ist von der Aufholtendenz der Nein-Seite nichts mehr zu sehen. Im Gegenteil liegt diese weit abgeschlagen bei knappen 33 Prozent, während die Lissabon-Freunde mit mehr als 67% davongezogen sind. Diese dramatische Trendwende, die sich erst bei der Auszählung der Stimmen manifestierte, macht viele irische EU-Kritiker stutzig. Auf Webseiten wie Irish Indymedia, Infowars Ireland, boards.ie und politics.ie findet bereits eine lebhafte Debatte über das statt, was vor und an dem Tag der Abstimmung gelaufen ist.

Normalerweise werden bei Wahlen in Irland vom Gesetz her die Kisten für die Stimmen erst um 7 Uhr morgens, gleich zum Auftakt des demokratischen Aktes, den Verantwortlichen in den Wahllokalen übergeben. Beim zweiten Lissabon-Referendum geschah dies 48 Stunden vorher, was Gelegenheit, zusätzliche Stimmzettel in die Kisten zu legen, bot. Es gibt Berichte von einzelnen Wahlleitern, die gegen diese Nicht-Einhaltung der üblichen Prozedur protestierten, deren Einwände jedoch von den Vorgesetzten abgetan wurden. Statt wie üblich sollen landesweit nicht Kugelschreiber, sondern lediglich Bleistifte den Wahlbeteiligten zwecks Stimmabgabe zur Verfügung gestanden haben. Bekanntlich läßt sich eine Bleistift-Markierung mit Gummi wegradieren. Der Antrag von Cóir und der People's Movement, die beide zum Nein-Lager gehören, einige ihrer Mitglieder als Wahlbeobachter zugelassen zu bekommen, wie es die großen Parteien bei Kommunal- und Parlamentswahlen tun, wurde abgewiesen. Ihnen wurde auch in verschiedenen Wahllokalen am Abend des 2. Oktober die genaue Anzahl der abgegebenen Stimmen vorenthalten.

Wegen des komplizierten Auszählverfahrens, das sich aus dem in Irland verwendeten Verhältniswahlrechtssystem mit der übertragbaren Einzelstimme ergibt, wird auf der Insel traditionell an dem einen Tag gewählt und am nächsten ausgezählt. Bei Referenden verfährt man genauso. Also müssen die Kisten mit den Stimmen versiegelt und über Nacht an einen sicheren Ort aufbewahrt werden. Normalerweise organisieren das die Wahlleiter mit Hilfe der örtlichen Polizei. Am 2. Oktober kam es anders. Für das Abholen der Kisten, ihre Aufbewahrung über Nacht und Auslieferung an die regionalen Wahlzentren am nächsten Tag war ein privates Sicherheitsunternehmen zuständig, dessen Identität bis heute geheimgehalten wird. Auf YouTube sind zum Beispiel Videoaufnahmen erstens zu sehen, wie nach der Abstimmung in Boyle in der Grafschaft Roscommon ein Lieferwagen besagten Unternehmens, der voller Kisten ist, fast 20 Minuten lang unbewacht auf dem Gelände einer Tankstelle steht, während der Fahrer in das Begleitfahrzeug der Polizei steigt und sich mit den Beamten über was auch immer unterhält, und zweitens, wie ein unbekannter Mann eine Kiste voller Stimmen einfach so aus dem Wahllokal im Rathaus von Cork, der zweitgrößten Stadt Irlands, entfernt.

Diese und ähnliche Beobachtungen haben den Verdacht aufkommen lassen, daß bestimmte Kräfte - aus dem irischen Außenministerium Micheál Martins, der EU-Kommission und irgendwelchen ausländischen Geheimdiensten - mit besagtem Sicherheitsunternehmen im Bunde waren und in der Nacht vom 2. auf den 3. Oktober die Kisten mit den Stimmen geöffnet haben, zusätzliche Zettel mit Ja hineingetan und sie schließlich wieder mit Schur und Wachs versiegelt haben. Dies würde auch erklären, warum die Wahlleiter gleich nach dem Ende der Abstimmung um 22 Uhr die Anzahl der abgegebenen Stimmen nicht bekanntgeben wollten - oder vielleicht nicht durften. Angeblich wurden Mitglieder von Cóir, die an nämlichem Abend in Dublin City Hall versucht haben die dortige Zahl der abgegebenen Stimmen zu ermitteln, mit Verhaftung bedroht. Auch wenn der Lissabon-Zug abgefahren ist - um die Metapher des tschechischen Präsidenten Vaclav Klaus zu verwenden -, werfen die aufgeführten Verdachtsmomente, daß die zweite Abstimmung in Irland eventuell manipuliert wurde, und zwar generalstabsmäßig, ein nicht besonders schmeichelhaftes Licht auf das große "europäische Projekt".

20. Oktober 2009