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AGRAR/1344: Groß-Genossenschaften machen EU-Agrarpolitik (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 324 - Juli/August 2009,
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Wer dominiert DBV, Raiffeisen und COPA-COGECA?

Groß-Genossenschaften machen EU-Agrarpolitik


Wie massiv die Großgenossenschaften und deren Anhängsel, die traditionellen Bauernverbände, die Agrarpolitik national und in der EU beeinflussen, das merken die Milchbauern derzeit besonders schmerzlich am Lobbyismus von Deutschem Bauernverband und Raiffeisen-Molkereien, der sich direkt gegen sie richtet. Aber auch sonst ziehen die Unternehmen, die der Landwirtschaft direkt vor- und nachgelagert sind, gemeinsam mit den mit ihnen eng verflochtenen "Bauernverbänden" unzählige politische Strippen - meist zu Gunsten des Agrobusiness und zu Lasten der meisten Bauern. Bezeichnend, dass auf europäischer Ebene COPA und COGECA, also die Vertretungen der Bauernverbände und der Genossenschaften, ein gemeinsames Lobby-Büro unterhalten. Welche Unternehmen innerhalb der COGECA hauptsächlich das Sagen haben, wer die dominanten Akteure sind, wer - trotz aller konkurrierenden Interessen - letztlich die Linie angibt, das zeigt folgende Zusammenstellung aus einer Liste der 100 umsatzstärksten Genossenschaftsunternehmen in der EU:


Die 100 Größten

Am stärksten vertreten ist der genossenschaftliche Landhandel, der den Landwirten mehr als die Hälfte der Futter-, Dünge- und Pflanzenschutzmittel verkauft, ihre Ackerbauprodukte aufkauft, weiterverkauft oder zu Kraftfutter verarbeitet. Ganz vorn rangieren deutsche Raiffeisen-Zentralen (BayWa, Agravis, RWZ Rhein-Main, ZG Karlsruhe, RWZ Kurhessen-Thüringen), aber auch französische Genossenschaften (Terrena, Invivo, Champagne Cereales, Epis centre, Euralis, Uneal, Agralys), außerdem Landhändler aus Schweden (Lantmännen), Dänemark (DLG, DLA, Agrial, Tican), Belgien (Aveve), Holland (Cehave, Agrifirm, Forfarmers), England (Grainfarmes) und Italien (Unipeg).


Milch genossenschaftlich dirigiert

Auch im Molkereisektor dominieren Genossenschaften. Vorn liegen Arla (DK), Kerry (Irland), Campina/Friesland (NL) und Humana (D). Ansonsten stark vertreten: deutsche Milchverarbeiter (Nordmilch, Hochwald, Berglandmilch, Milchunion Hocheifel, Allgäuland), irische (Irish Dairy Board, Glanbia, Dairygold, Lakeland), britische (Dairy of GB, Milk Link, First Milk, Utd. Dairy Farmers) und französische (Sodiaal, Olac, 3A, Eurial), daneben niederländische (Doc Caas), finnische (Valio), belgische (Milcobel), spanische (Capsa), portugiesische (Lactogal) und polnische (Mlekpol, Miekovita).


Fleisch und Wurst

In der Schlachtereibranche rangiert der Genossenschaftssektor vorn mit VION (NL) vor Danish Crown (DK), Socopa (F), Westfleisch (D), Swedish Meat (S), Atria und Ruokatolo (Finnland), Cooperl (F), Coren (Spanien), Cebeco (NL) und der Viehzentrale Südwest (D).

Bei den genossenschaftlichen Zuckerfirmen (oft in der Rechtsform AG) sieht die Rangfolge so aus: Südzucker (D), Tereos (F), Cosun (NL), Nordzucker (D), Cristal Union (F), Granarolo (I), Even (F), Coprob (I).

Beim Handel mit Obst, Gemüse und Zierpflanzen dominieren die niederländischen Genossenschaften (Floraholland, Veiling Aalsmeer, The Greenery) vor französischen (Cecas, Fresq), italienischen (Conserve Italia, Apo Conerpo), deutschen (Landgard) und spanischen (Anecoop).

Erwähnenswert noch Limagrain und Maisodour (F, Züchtung), Avebe (NL, Stärke) sowie die französischen Produkt-Mischkonzerne Coopagri Bretagne, Unicopa, Groupe Arco, Le Gouessant, Union Set, Cap Seine, Dijon Cereales, Nouricia, Noriap und Terres du Sud.

In wohl allen diesen Großgenossenschaften, den bäuerlichen Formal-Eigentümern längst entglitten, herrscht das Management über das jahrzehntelang angehäufte "anonyme Kapital", das längst viel größer ist als die Summe der Anteile. In allen gibt es gut bezahlte Posten für Landwirts-Vertreter, die gegenüber den Landwirten die Ideologie von der Gemeinsamkeit der Interessen und dem "Schulterschluss" innerhalb der "Wertschöpfungskette" vertreten und alle Forderungen der Basis abbügeln mit dem Hinweis auf die - ja auch tatsächlich vorhandene - Konkurrenz durch die anderen genossenschaftlichen und "privaten" Mitbewerber.


Für neue Strukturen

Diese Bauernverbands-Strategie hat die Bauern jahrzehntelang abgehalten von einer eigenständigen Interessenvertretung, auch gegenüber genossenschaftlichem und "privatem" Agrobusiness und deren Lobby. Die Milchbauern um den Bundesverband Deutscher Milchviehhalter haben als erste mit dieser "Marktpartnerschafts"-Ideologie gebrochen, sie wollen nicht mehr zufrieden mit dem sein, was ihnen die Molkereien nach Abzug ihrer Kosten und Eigenkapitalaufstockungen noch als Restposten-Milchpreis auszahlen. Sie haben ihre eigenen Interessen als Bauern definiert, haben sich selbstständig organisiert und eine Vorwärtskalkulation ihrer benötigten Milchpreise durchgeführt. Sie wollen gemeinsam diese einheitlichen fairen Mindestpreise durchsetzen, durch eine selbstbestimmte und flexible Mengenregulierung, gegenüber allen, denen sie ihre Produkte verkaufen - egal ob sie sich nun genossenschaftlich oder nichtgenossenschaftlich nennen.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 324 - Juli/August 2009, S. 10
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. September 2009