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AGRAR/1719: Rumänien - Eine Gemeinsame Agrarpolitik für Bäuerinnen und Bauern in ganz Europa (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 423 - Juli/August 2018
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Eine GAP für Bäuerinnen und Bauern in ganz Europa Eine osteuropäische Betrachtung am Beispiel von Rumänien

von Sinay Gandenberger


Europa ist vielseitig. Und so sind es auch die landwirtschaftliche Struktur und dementsprechend die Anforderungen an die neue Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) ab 2020. Wie unterschiedlich Landwirtschaft sein kann, sieht man sehr gut am Beispiel von Rumänien. Dort gibt es fast vier Millionen bäuerliche Betriebe, die über die Hälfte der rumänischen landwirtschaftlichen Fläche bewirtschaften. Rumänien ist das Land in der EU, in dem mit Abstand am meisten Menschen in der Landwirtschaft tätig sind. "Viele bäuerliche Betriebe in Rumänien sind breit aufgestellt, teilweise selbstversorgend oder setzen ihre Produkte auf lokalen Märkten ab. Die Durchschnittsgröße dieser Betriebe liegt bei circa zwei Hektar", erklärt Attila Szocs, von der Organisation Eco Ruralis, Mitglied bei der international aktiven Organisation Via Campesina. Eco Ruralis wurde 2009 von Bäuerinnen und Bauern gegründet, die umweltverträglich und nachhaltig wirtschaften. Als Fokus hat die Organisation die Ernährungssouveränität in Rumänien, die Nutzung von traditionellen Sorten, den Verzicht auf gentechnisch veränderte Organismen, Agrarökologie und den Zugang zu Land. Eco Ruralis tritt für die Rechte von Kleinbäuerinnen und -bauern ein. Das Kontrastprogramm zu dieser Form der bäuerlichen Landwirtschaft sind große Betriebe, die etwa die andere Hälfte der landwirtschaftlich genutzten Fläche in Rumänien bewirtschaften. In diesen Betrieben wird hauptsächlich Getreide als Futtermittel erzeugt, welches beispielsweise nach Ägypten oder Saudi-Arabien sowie nach Westeuropa exportiert wird.

GAP - nicht für alle

"Die Bewirtschaftung der kleinen Betriebe wird nicht als Beruf anerkannt, weil sie nicht als professionelle Landwirtschaft gilt. Damit fällt ein Großteil der in der Landwirtschaft arbeitenden Menschen aus der gesellschaftlich sozialen Struktur und den damit verbundenen Leistungen wie beispielsweise der Rente heraus", so Attila Szocs. Das hat zur Folge, dass Gelder der ersten Säule an nur ungefähr 800.000 der knapp vier Millionen Betriebe gehen. Das heißt, ein Großteil der Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten, werden nicht durch die aktuelle GAP unterstützt. Gelder über die zweite Säule zu erhalten, ist nach Angaben von Attila Szocs sehr beschwerlich und ein enorm hoher bürokratischer Aufwand. So wurden nicht mal die Hälfte der zur Verfügung stehenden Mittel der zweiten Säule abgerufen.

Forderungen an die neue GAP

Brindusa Birhala findet die jetzige Form der GAP nicht fair. Sie ist gerade dabei mit ihrem Partner einen Gärtnerbetrieb aufzubauen. Weil ihre Flächen zu klein sind und sie den bürokratischen Aufwand nicht leisten kann, fällt sie aus dem Raster der Jungbauernförderung. "Ich finde es nicht in Ordnung, dass große Betriebe mit viel Fläche gefördert werden und kleine, die neben der Produktion wichtige gesellschaftliche Leistungen erbringen, damit ohne Unterstützung in Konkurrenz stehen", so Birhala. Weitere Probleme sind Korruption und Landgrabbing. Viele Investoren kaufen Land in Rumänien, weil die Böden fruchtbar sind und die Preise in den letzten Jahren niedrig waren. Dabei kaufen multinationale Konzerne aus Westeuropa, Banken sowie private Investoren rumänisches Land. Die Kaufprozesse und die Akquise von Land durch die genannten "Global Player" sind sehr intransparent und die gekauften Flächen von enormer Größe, bis zu 40.000 Hektar pro Investor. Von den Direktzahlungen der GAP profitieren die Betriebe mit großen Flächen besonders. Zusätzlich wird die agrarindustrielle Entwicklung durch die rumänische Regierung gefördert. Nach Schätzungen von Eco Ruralis könnten bis zu vier Millionen Hektar in der Hand von transnationalen oder inländischen agrarindustriellen Unternehmen liegen.

Strategie und Bewegung

Der Altersdurchschnitt der Bäuerinnen und Bauern liegt nach Angaben von Eco Ruralis bei ca. 65 Jahren. Zusätzlich hat Rumänien eine enorm hohe Abwanderungsrate, besonders an jungen Menschen. Doch es gibt auch junge Menschen wie Brindusa Birhala, die ihre Zukunft auf dem Land sehen. Die Bewegung rollt an und professionalisiert sich, beschreibt Birhala ihren Eindruck. "Ich wünsche mir, dass die Bewegung stärker wird und wir sie voranbringen können. Dadurch zeigen wir konkret Alternativen und Lösungsansätze für eine zukunftsfähige und umweltgerechte Landwirtschaft", so die junge Gärtnerin. Dafür müssen sich jedoch auch die Rahmenbedingungen ändern. An eine GAP, die für die Bäuerinnen und Bauern - und zwar für alle - hilfreich wäre, hat Eco Ruralis konkrete Forderungen. Allerdings fokussiert die Organisation ihre inhaltliche Arbeit überwiegend auf die Bündelung bei Via Campesina, um direkt und vor Ort Einfluss auf EU-Ebene zu gewinnen. Auf nationaler Ebene ist die Gestaltung einer Veränderung momentan schwierig, so Attila Szocs. Konkrete Forderungen an die neue GAP sind, dass die EU stärker eine gemeinsame Richtung angibt und nicht eine Re-Nationalisierung unterstützt. Weiter sollte es nicht zu Konzentrationen der ausgeteilten Subventionen auf wenige große Betriebe kommen. Generell wäre es notwendig, die Definition des landwirtschaftlichen Betriebs zu überarbeiten, damit auch die kleineren Betriebe Gelder erhalten, so die bäuerliche Organisation. Dies ist teilweise von der nationalen Umsetzung des Mitgliedsstaates abhängig. Zusätzlich muss auch auf EU-Ebene die Diskussion vertieft werden, explizit kleine Betriebe zu unterstützen und diese auch an Mitteln der GAP zu beteiligen sowie sie durch den Abbau von bürokratischen Hürden zu entlasten und ihnen damit den Zugang zu Märkten zu ermöglichen (nach Angaben von Brindusa Birhala besteht die Nachfrage nach regionalen und ökologischen Produkten). Zusätzlich müssen in die GAP verstärkt soziale und ökologische Faktoren einfließen, so die Forderung.

"Wir vergleichen die GAP immer mit einem schnellen Zug, der durch Rumänien rast und die meisten Menschen stehen daneben und schauen, wie der Zug an ihnen vorbeieilt. Wir wollen, dass der Zug langsamer fährt und wir wollen, dass mehr Leute ein Ticket bekommen und mit dem Zug mitfahren können", erzählt Szocs.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 423 - Juli/August 2018, S. 14
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. September 2018

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