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BERICHT/048: Mathematik ist Teil unserer Kultur (Leibniz)


Leibniz - Journal der Leibniz-Gemeinschaft 2/2008

Mathematik ist Teil unserer Kultur
Eine wissenschaftliche Disziplin, die Emotionen schürt und polarisiert, die geliebt oder gehasst wird

Von Günter M. Ziegler


Das Jahr der Mathematik entwickelt Strahlkraft. Vielleicht bin ich bei dem Thema voreingenommen. Aber auch bei nüchterner Betrachtung lässt sich feststellen: Das Mathejahr spielt sich im ganzen Land ab. Es gibt zahlreiche dezentrale Events, in etlichen Städten sogar ein eigenes Veranstaltungsprogramm zum Mathejahr - so etwa in Bonn, Bremen, München und Magdeburg. Viele Schulen aller Schultypen fühlen sich angesprochen und bieten eigene Aktivitäten an.


Die Presseschau des Mathematikjahrs enthält im Schnitt pro Woche 150 Zeitungsartikel sowie Belege über Hörfunk- und Fernsehbeiträge zum Thema. Ganz vorne mit dabei ist das Mathematische Forschungsinstitut Oberwolfach (MFO), eine Leibniz-Einrichtung erster Güte. Eine interessante Entwicklung: Der abgeschiedene Rückzugsort der Mathematiker ist im Jahr der Mathematik auch einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden. Dafür haben gesorgt eine Wanderausstellung namens "Imaginary", eine Software namens "Surfer" und ein Brückenschlag mit den Großen der deutschen Wirtschaft und Industrie. In dem Buch "Mathematik - Motor der Wirtschaft" berichten 19 große internationale Unternehmen darüber, wie unverzichtbar Mathematik für ihren Erfolg heute geworden ist.

Die Ausstellung "Imaginary", die auch mit Beteiligung des DFG-Forschungszentrums Matheon realisiert wurde, besteht zum einen aus einer Galerie mathematischer Bilder auf Acryl. Sie können in einem begehbaren Aluminiumwürfel, dem Imaginary-Kubus, bestaunt werden. Zu jeder Grafik gibt es eine Erklärungstafel zu den mathematischen Eigenschaften der "Figur" und ihrer Entstehung. Zum anderen laden bei der Ausstellung interaktive Installationen dazu ein, selbst mathematisch-künstlerisch aktiv zu werden. Dazu wurde das Programm "Surfer" entwickelt, mit dem der Ausstellungsbesucher spontan algebraische Flächen berechnen, anzeigen und verändern kann.

Die Oberwolfacher Mitmachausstellung illustriert (im eigentlichen Sinne des Wortes) eine Seite der Mathematik, die wir in diesem Jahr - und übrigens auch in den kommenden Jahren - herausstreichen möchten: Mathematik ist bunt, facettenreich, attraktiv. Dabei vertrauen wir - die vier Träger des Mathejahres, also Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), "Wissenschaft im Dialog", Deutsche Telekom Stiftung und Deutsche Mathematiker-Vereinigung - auf die Aktivitäten zahlreicher individueller Akteure. Ein weiteres Beispiel aus der Leibniz-Gemeinschaft: das Berliner Weierstraß-Institut für Angewandte Analysis und Stochastik (WIAS), derzeit mit einem Exponat auf dem Ausstellungsschiff MS Wissenschaft vertreten und mit einem eigenen Schülertag im Oktober.

Aber nicht nur die großen Forschungseinrichtungen mit ihren professionellen Pressestellen sind aufgerufen und eingeladen, sich am Jahr der Mathematik zu beteiligen, nein, auch die "Überzeugungstäter" im Lande, die Mathe-Aktivisten, die engagierten Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern sollen sich angesprochen fühlen und einbringen. Mit diesem Ziel haben wir die "Mathemacher"-Kampagne gestartet; gesucht sind Menschen, die dem Wissenschaftsjahr 2008 ein Gesicht geben und ihre Begeisterung für Mathematik vermitteln wollen. "Mathemacher" kann werden, wer sich in Beruf und Alltag für Mathematik einsetzt und sich 2008 mit eigenen Ideen einbringen möchte: von der privaten Initiative über die Mathematik-AG in der Schule bis hin zu einem Tag der offenen Tür im Betrieb oder einem Vortrag zur Mathematik.

Mehr als 600 Mathemacher haben sich schon registriert; einzelne Mathemacher haben Knoten gebacken, brachten Zauberei in den Schulunterricht, entwickelten mathematische Kartenspiele, organisierten ein mobiles Mathe-Einsatzkommando und leiteten ein Schülerprojekt zur Bahnbestimmung von Meteoriten. Mathemacher mit besonders originellen oder nachhaltigen Projekten werden auf www.jahr-der-mathematik.de als "Mathemacher der Woche" ausgezeichnet.

Zusätzlich hat das BMBF zu zwei Ideenwettbewerben aufgerufen, von denen sich einer - gemeinsam ausgerichtet mit der Universität Bremen und dem Haus der Wissenschaft Bremen - speziell an die Geisteswissenschaften richtet. Unter dem Motto "Kopf und Zahl" sollen Projekte gefördert werden, die den Dialog zwischen den Geisteswissenschaften und der Mathematik anregen. Einrichtungen der Leibniz-Gemeinschaft könnten hier besonders sichtbar werden, arbeiten in ihr doch jetzt schon geistes- und naturwissenschaftliche Institute interdisziplinär zusammen.


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Quelle:
Leibniz - Journal der Leibniz-Gemeinschaft, Nr. 2/2008, Seite 3
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Juli 2008