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MELDUNG/014: Die weibliche Seite der Geschichte nicht vergessen (idw)


Friedrich-Schiller-Universität Jena - 23.02.2010

Die weibliche Seite der Geschichte nicht vergessen

Gisela Mettele ist erste Professorin für Geschlechtergeschichte der Universität Jena


Jena (23.02.10) Bei einem Blick in Geschichtsbücher fällt auf: Es sind überwiegend Männer, die dort agieren und beleuchtet werden. Frauen scheinen, je weiter man in die Vergangenheit zurückgeht umso deutlicher, keine Rolle zu spielen. Dabei haben Frauen immer schon ihren speziellen Anteil an der Geschichte gehabt und sie gemacht. Das will Prof. Dr. Gisela Mettele nun stärker in den Vordergrund stellen. Sie ist gerade zur ersten Professorin für Geschlechtergeschichte der Friedrich-Schiller-Universität Jena ernannt worden.

"Bei Geschlechtergeschichte geht es prinzipiell um das Verhältnis von weiblichen und männlichen Geschlechterentwürfen", erläutert die gebürtige Offenbacherin und stellt klar: "Auch Männer sind zu Männern gemacht worden". Die ausgebildete Schneiderin hat sich mit den Frauen seit ihrem Studium an der Universität Frankfurt/M. beschäftigt. In ihrer Dissertation (1994) bei Prof. Dr. Lothar Gall hat sie das Bürgertum in Köln im 19. Jahrhundert untersucht und dabei auch die weibliche Lebenswelt mit ihren weit gestrickten Netzwerken betrachtet. So haben sich die bürgerlichen Frauen damals unter anderem in Wohltätigkeitsvereinen engagiert und damit manchen sozialen Konflikt entschärft. In einigen Frauenvereinen haben die Frauen die gleichen politischen Themen behandelt wie die Männer, weiß die engagierte Historikerin, die "keine ideologischen Grabenkämpfe" mag, sich aber immer wieder einsetzt, wie sie nicht zuletzt als AStA-Vorsitzende in Frankfurt bewies.

In ihrer wissenschaftlichen Arbeit habe sie "immer versucht, Geschlechtergeschichte als Teil der allgemeinen Geschichte zu sehen", betont Prof. Mettele, die sich 2004 über "Die Herrnhuter Brüdergemeine als internationale Gemeinschaft 1760-1857" an der TU Chemnitz habilitierte. Sie faszinierte nach eigenen Angaben die Gruppenidentität, die diese Gemeinschaft auch über den Atlantik hinweg erhielt. "Nicht die technischen Möglichkeiten, sondern der Wille zur Kommunikation war das Entscheidende", ist ein wichtiges Fazit der Historikerin, die selbst bisher ein unstetes Wissenschaftlerleben geführt hat. Ein Jahr an der Harvard University (USA), zweieinhalb Jahre am Deutschen Historischen Institut in Washington DC (USA) und zuletzt zwei Jahre als Lecturer an der Universität von Leicester (GB) zeigen nicht nur die international-vergleichende Ausrichtung, sondern auch die Akzeptanz ihrer Arbeiten.

An der Friedrich-Schiller-Universität, deren Ruf sie wegen der enormen Bedeutung der Geisteswissenschaften und der ausgeprägten Diskussionskultur gefolgt ist, will die neue Lehrstuhlinhaberin zum einen ihre interdisziplinären Forschungen weiter betreiben - Kontaktpunkte sieht sie neben der Geschichte vor allem in der Volkskunde und der Theologie sowie im Laboratorium Aufklärung. Einem Projekt zum Verhältnis von Religion und Männlichkeit in der europäischen Aufklärung will sich die Neu-Jenaerin zuerst widmen. Außerdem ist für sie die Lehre ausgesprochen wichtig. Prof. Mettele will den Studierenden beider Geschlechter die Vielfalt wissenschaftlicher Methoden nahebringen: "Methoden sind wie ein Werkzeugkasten. Man muss immer wissen, wann welches Werkzeug zum Einsatz kommen muss".

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Friedrich-Schiller-Universität Jena, Axel Burchardt, 23.02.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Februar 2010