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MELDUNG/153: "Computerisierung der Gesellschaft" - Heft 2/2012 der Zeithistorischen Forschungen (idw)


Zentrum für Zeithistorische Forschung - 17.09.2012

"Computerisierung der Gesellschaft" - Heft 2/2012 der Zeithistorischen Forschungen erschienen



Wie kam es dazu, dass aus klobigen Computern für Forschung, Industrie und Militär immer kleinere, billigere und leistungsfähigere Geräte für den Alltagsgebrauch wurden? Mit welchen Utopien und Diskursen, Praktiken und Erfahrungen war und ist dieser Wandel verbunden? Solchen Fragen widmet sich das aktuelle Heft (2/2012) der Zeitschrift "Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History" zum Thema "Computerisierung und Informationsgesellschaft".

In einem Überblick zur "Zeitgeschichte der Informationsgesellschaft" skizziert Jürgen Danyel wichtige Phasen und Zäsuren. Er plädiert dafür, die zahlreichen Mythen, Anekdoten und Faszinationsgeschichten der Computerära als Zeitdokumente ernstzunehmen und sie in breitere Kontexte des Gesellschaftswandels besonders seit den 1970er-Jahren einzuordnen. Zu den politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen der Computertechnik schon seit den 1950er-Jahren gehörte der Kalte Krieg. In einem Aufsatz zur sowjetischen Computerindustrie liefert Felix Herrmann überraschende Einblicke: Während IBM in den USA nahezu ein Monopol erlangte, herrschte in der UdSSR trotz zentraler Planwirtschaft anfangs ein Neben- und Gegeneinander verschiedener Produktionsstandorte und Entwicklungslinien. Durch die Wirtschaftsspionage der DDR gelangten IBM-Dokumente in die Sowjetunion, doch blieb der technologische Rückstand gegenüber dem Westen gleichwohl bestehen, weil es in den Ostblockländern letztlich zu viele Innovationshemmnisse gab.

Auch in der Bundesrepublik der 1950er- und 1960er-Jahre war die Computerisierung, zunächst vor allem der Arbeitswelt, nicht unumstritten. Mangels praktischer Erfahrungen galt es lange als unsicher, was Computer in Unternehmen und Verwaltungen eigentlich leisten könnten; dementsprechend gering war die Bereitschaft zu Investitionen in Hard- und Software. Wie Annette Schuhmann in ihrem Aufsatz zeigt, drangen Computer in einzelnen Branchen wie dem Versandhandel, in Banken und Versicherungen seit den späten 1950er-Jahren aber immer weiter vor. Dieser Prozess wurde von techniksoziologischen und gesellschaftstheoretischen Debatten begleitet, die für heutige zeithistorische Analysen aufschlussreiches Quellenmaterial liefern. Von einer Computerisierung des Alltags kann man allerdings erst ab den 1980er-Jahren sprechen. Das Kopieren und Tauschen von Computerspielen wurde in vielen Ländern eine beliebte Freizeitbeschäftigung. Es entstanden "digitale Subkulturen", die Patryk Wasiak in seinem Aufsatz als Teil der Jugend- und Konsumkulturen dieser Zeit untersucht - eine Szene, die keineswegs aus isolierten Nerds bestand, sondern eigene Kommunikationsformen und Rituale hervorbrachte.

Um Computerspiele als historische Quellen geht es auch in einem Beitrag von Andreas Lange: Wie kann derartiges "digitales Kulturgut" erhalten werden und benutzbar bleiben? Weitere Fragen der Überlieferung, die gerade für die Geschichtswissenschaft zunehmend wichtig werden, diskutiert Niels Brügger in seinem Text über Probleme und Perspektiven der Archivierung des World Wide Web. Er empfiehlt eine neuartige "Web-Philologie" als zeitgemäße Form der Quellenkritik. Die Geisteswissenschaften nutzen das Internet jedoch nicht allein als Quellenfundus, sondern vor allem als aktuelles Kommunikationsmittel und Plattform für ihre Forschung. Der geschichtswissenschaftliche Alltag, von der Recherche bis zur Publikation, ist längst in hohem Maße computerisiert. Abgerundet wird das Heft daher mit einem Debattenteil zum Stand der Wissenskommunikation im Internet.

"Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History" wird am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (http://www.zzf-pdm.de) herausgegeben von Frank Bösch, Konrad H. Jarausch und Martin Sabrow in Verbindung mit Zeitgeschichte-online (http://www.zeitgeschichte-online.de). Die Zeitschrift erscheint gedruckt im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht (http://www.v-r.de) und zugleich im Open Access (http://www.zeithistorische-forschungen.de).

Weitere Informationen unter:
http://www.v-r.de
- Verlag Vandenhoeck & Ruprecht

http://www.zeithistorische-forschungen.de
- Zeitschrift im Open Access

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution1252

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Zentrum für Zeithistorische Forschung, Marion Schlöttke, 17.09.2012
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. September 2012