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MEMORIAL/034: 1947 - Friedensvertrag mit Italien ohne Faschismus-Vernichtungsklausel (Gerhard Feldbauer)


Im Friedensvertrag von 1947 mit Italien lehnten die USA ab, niemals wieder faschistische Organisationen zuzulassen

von Gerhard Feldbauer, 31. Januar 2012


Am 10. Februar 1947 wurden in Paris die von den Siegermächten (vor allem UdSSR, USA, Großbritannien und Frankreich) mit Italien, Rumänien, Ungarn, Bulgarien und Finnland als früheren Verbündeten Hitlerdeutschlands geschlossenen Friedensverträge unterzeichnet. Sie waren Ergebnis der Friedenskonferenz, die vom 29. Juli bis 15. Oktober 1946 in der französischen Hauptstadt tagte.

Die Abkommen umfassten die Kriegsreparationen, Gebietskorrekturen und die Festlegung von Minderheitsrechten. Italien wurden seine Kolonien in Afrika entzogen, es erhielt aber bis 1960 die Treuhandverwaltung der UNO über Somalia übertragen. Es musste Grenzkorrekturen zugunsten Frankreichs zustimmen, den Dodekanes an Griechenland zurückgeben, Istrien, die Adriainseln und Fiume an Jugoslawien abtreten, das Gebiet von Triest als Freistaat und die Unabhängigkeit Äthiopiens und Albaniens anerkennen. Italien wurden Reparationen von 360 Millionen US-Dollar (nach dem Stand von 1938) auferlegt, die an Jugoslawien (125 Mio), Griechenland (105 Mio), die UdSSR 100 Mio), Äthiopien (25 Mio) und Albanien (5 Mio) zu zahlen waren.

Die Verfassungsgebende Versammlung Italiens ratifizierte den Vertrag am 31. Juli 1947 mit 262 Für- und 68 Gegen-Stimmen bei 80 Enthaltungen. Mit der Unterzeichnung durch das provisorische Staatsoberhaupt, Enrico De Nicola, am 6. September 1947 trat der Vertrag in Kraft. Den Friedensvertrag lehnten vor allem die Faschisten der Mussolininachfolgerpartei Movimento Sociale Italiano und die Monarchisten ab, die gegen ihn eine revanchistische Hetze entfachten.


Im Vorfeld des "kalten Krieges"

Die Friedensverhandlungen hatten bereits im Vorfeld des beginnenden Kalten Krieges stattgefunden, den US-Präsident Harry Truman nach Unterzeichnung der Verträge mit seiner berüchtigten Verkündung der Doktrin der "Eindämmung des Kommunismus" (Containment) am 12. März 1947 einläutete. Darin erklärte Truman die USA "zum mächtigsten Land der Welt" und ihr Recht auf Einmischung in die inneren Angelegenheiten von Staaten, die tatsächlich oder angeblich unter kommunistischem Einfluss stünden. Die Vorgehensweise insbesondere der USA war darauf gerichtet, die besiegten Staaten, wo sie in ihrem Einflussbereich lagen, ihrer Vorherrschaft zu unterwerfen und ein Bündnis mit den reaktionären Kräften zu schließen, um mit ihnen antifaschistisch-demokratische Veränderungen zu verhindern. Mit dem gleichen Ziel unterstützten sie auch die reaktionären Kräfte in den von der Sowjetarmee befreiten Ländern wie in Polen, Bulgarien, Ungarn oder in der Tschechoslowakei.

In Italien hatten die USA schon unmittelbar nach Kriegsende die Mussolini-Faschisten in ihr Vorgehen zur Niederhaltung der Kommunisten und Sozialisten einbezogen. Bereits im August 1945 konnten sich die früheren Parteigänger des "Duce" in einer faschistischen Sammlungsbewegung Uomo Qualunque (Jedermann) organisieren, an den Wahlen zur Versammlungsgebenden Versammlung teilnehmen und 30 Sitze (5,3 % Stimmen) belegen. Unter den Augen der Besatzungsmacht schritten im Dezember 1946 die Mussolinifaschisten mit dem Staatssekretär des "Duce", Giorgio Almirante, als Nationalsekretär, und dem Kommandeur einer zur Partisanenbekämpfung eingesetzten Torpedobootflottille, Valerio Borghese, als Präsidenten zur Wiedergründung ihrer Partei unter dem Namen "Movimento Sociale Italiano". Almirante hatte noch kurz vor Kriegsschluss einen Genickschussbefehl gegen Partisanen erlassen, Borghese war wegen 800fachen Mordes an Antifaschisten als Kriegsverbrecher verurteilt, auf Geheiß der USA-Besatzungsmacht aber begnadigt worden. Bei Kriegsende war Borghese wie zahlreiche weitere Kriegsverbrecher vor der Erschießung durch ein Partisanenkommando des Nationalen Befreiungskomitees von amerikanischen Offizieren gerettet worden.

Um dieser Entwicklung freien Lauf zu sichern, lehnten die USA in den Pariser Friedensverhandlungen für Italien die von der UdSSR geforderte Klausel ab, niemals wieder faschistische Organisationen zu erlauben und Kriegsverbrechen nicht ungesühnt zu lassen. Das stellte einen eindeutigen Bruch der "Erklärung über Italien" der Außenminister der UdSSR, der USA und Großbritanniens vom 19. bis 30. Oktober 1943 dar, die festgehalten hatte, dass die gemeinsame Politik der Verbündeten in Italien "zur völligen Vernichtung des Faschismus und zur Errichtung eines demokratischen Regimes führen muss". Die Haltung der USA verstieß ebenso gegen die auf der Krimkonferenz (4. bis 11. Februar 1945 bei Jalta) von den Regierungschefs der UdSSR, der USA und Großbritanniens verabschiedete Erklärung "Einigkeit im Frieden wie im Kriege", welche festgelegt hatte, in Europa "die letzten Spuren des Nationalsozialismus und Faschismus zu beseitigen".


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Quelle:
© 2012 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Februar 2012