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MEMORIAL/091: Vor 450 Jahren wurde Galileo Galilei geboren (Gerhard Feldbauer)


Vor 450 Jahren wurde Galileo Galilei geboren

Von der Inquisition verurteilt starb der bahnbrechende Naturwissenschaftler erblindet nach neun Jahren Haft

von Gerhard Feldbauer, 10. Februar 2014



Photographie des Portraits von Galileo Galilei. Das Original besitzt das National Maritime Museum, Greenwich, London - Foto: freigegeben via Wikimedia Commons als Public Domain

Portrait 1636 in Öl gemalt von Justus Sustermans (1597-1681)
Foto: freigegeben via Wikimedia Commons als Public Domain

Nach Giordano Bruno, der am 17. Februar 1600 in Rom auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde, gehört Galileo Galilei zu den prominentesten Opfern der Verfolgung durch die barbarische Inquisition der Katholischen Kirche. Dem Schicksal Brunos entging der fast 70jährige Galilei nur, weil er seine bahnbrechenden wissenschaftlichen Erkenntnisse nach ersten Tortouren und der Androhung noch furchtbarerer Folter widerrief. Am 22. Juni 1633 erging unter Urban VIII., einem extrem absolutistischen, wegen seiner Verschwendungssucht und des hemmungslosen Nepotismus bekannten Papst, das Urteil zu Kerkerhaft. Danach in Hausarrest umgewandelt, musste er die Strafe, obwohl seit 1637 völlig erblindet, bis zu seinem Tod am 8. Januar 1642 verbüßen. Beim Verlassen des Gerichtssaals soll er gemurmelt haben: "Eppur si muove" (sie - die Erde - bewegt sich doch). Möglicherweise hat Galilei es nicht so und nicht dort gesagt. Aber der Volksmund trug es so weiter und setzte dem genialen Naturforscher mit der Legende ein Denkmal. Im Grunde war es ja auch so. Denn Galilei hielt auch an seinen Erkenntnissen fest und setzte seine wissenschaftlichen Arbeiten fort.


Wirken in Zeiten der Restauration

Als Galilei am 15. Februar 1564 in Pisa geboren wurde, waren Renaissance-Humanismus, frühbürgerliche Revolution und Reformation schon Geschichte. Klerus und reaktionärer Feudaladel hatten die Gegenreformation forciert, der Spanier Ignatius von Loyola dafür mit dem Jesuitenorden eigens eine Kampftruppe gegründet, die der aus dem Adelsgeschlecht der Farneser stammende Papst Paul III. 1540 bestätigte. Nach den Niederlagen Thomas Müntzers 1525 bei Mühlhausen in Thüringen, der Schweizer Reformation 1531 in der Schlacht bei Kappel (Tod Huldrych Zwinglis) wurde 1546 der Schmalkaldener Bund besiegt. 1542 hatte Paul III. zur "Reinhaltung der Glaubens- und Sittenlehre" mit der Bulle (Verordnung des Papstes, Kaisers) "Licet ab initio" (Von Anbeginn an) als Oberste Instanz aller Glaubenstribunale die Kongregation für römische und weltweite Inquisition, kurz Sanctum Officium genannt, geschaffen. Die Inquisition brachte in den kommenden Jahrhunderten etwa drei Millionen Menschen um, unzählige davon auf dem Scheiterhaufen.

Wie Giordano Bruno lebte auch Galileo Galilei, so wie wir heute, in Zeiten der Restauration, des wirtschaftlichen und nationalen Niedergangs Italiens, und hat dennoch das Licht der Vernunft nicht unter den Scheffel gestellt. Trotz des Vormarschs der Gegenreformation setzte er das auf Erkenntnis und Wahrheit, die Freiheit, Würde und Selbständigkeit des Menschen gerichtete Renaissancedenken fort und fügte ihm neue bahnbrechende Erkenntnisse hinzu.


Photographierte Originalschrift - auf dem unteren Abschnitt der Seite skizziert Galileo den Nutzen seines optischen Hilfsmittels: Er konnte damit im Januar 1610 mehrfach vier Monde des Jupiters am Nachthimmel erkennen. - Foto: 2014 by Martha O'Hara Conway, freigegeben via University of Michigan als CC-BY-4.0 Lizenz

Nachdem Galilei sein erstes Fernrohr gebaut hatte, bot er es in einem Schreiben dem Dogen von Venedig, Leonardo Donato, als Werkzeug zur Kriegsführung an. (Derzeit im Besitz der University of Michigan Harlan Hatcher Graduate Library's Special Collections)
Foto: 2014 by Martha O'Hara Conway, freigegeben via University of Michigan als CC-BY-4.0 Lizenz


Die Entdeckung des Fallgesetzes

Schon während seines Studiums in Pisa - zunächst der Medizin und Philosophie, dann der Mathematik - fand er mit seiner Liebe zum Experiment die Unabhängigkeit der Frequenz der Pendelschwingungen von der Auslenkung des Pendels. In Florenz, wo er mit 26 Jahren Professor der Mathematik wurde, entdeckte er die hydrostatische Waage, studierte die Gesetze des freien Falls und formulierte das Fallgesetz als erstes modernes Naturgesetz. Generell stammt von ihm der Grundsatz, dass das Experiment der Prüfstein für die Theorie ist.

1592, während seiner Arbeit in Padua, fand er die Proporzionalwinkel und stellte ein Thermoskop her. 1610 zurück nach Florenz, konstruierte er ein Fernrohr, das schließlich eine 33-fache Vergrößerung erreichte. Die Linsen dazu schliff er selbst. Mit dem Fernrohr beobachtete Galilei als einer der ersten Menschen den Himmel. Das war eine Revolution in der Astronomie, denn Himmelsbeobachtung erfolgte bis dahin nur mit bloßem Auge. Mit seinem Fernrohr entdeckte Galilei noch im selben Jahr die vier größten Jupitermonde, die später nach ihm Galileische Monde genannt wurden. Mit dem Fernrohr konnte Galilei erkennen, dass die Milchstraße keine neblige Erscheinung ist (was man bis dahin mit bloßem Auge so wahrgenommen hatte), sondern aus einer Vielzahl einzelner Sterne besteht. Vor allem diese Entdeckung war eine Sensation und rückte Galilei in den Blickpunkt der wissenschaftlichen Öffentlichkeit. Später erfasste er den Phasenwinkel der Venus, die Sonnenflecken und die Mondkrater. Er beobachtete die Erscheinung der Saturnringe, erkannte aber nicht, dass es sich um Ringe handelt. Galilei gelang, das spezifische Gewicht der Luft als ein 660stel des Gewichts des Wassers festzustellen (bis dahin galt, dass Luft kein Gewicht hat). Seine herausragenden Forschungsergebnisse wurden mit der Aufnahme in die Accademia die Lincei gewürdigt, der zu dieser Zeit nur sechs Gelehrte angehörten.


Eine Fotomontage des Jupiters mit seinen vier größten Monden Io, Europa, Ganymed und Callisto. - Foto: 1997 by NASA

Mit der Entdeckung der Jupitermonde konnte erstmals beobachtet werden, dass es Himmelskörper gibt, die sich nicht um die Erde drehen. Da dies im Widerspruch zum offiziellen geozentrischen Weltbild von Kirche und Gesellschaft stand, weigerten sich Professoren in Florenz sogar, auf Galileis Aufforderung hin durch das Fernrohr zu sehen.
Foto: 1997 by NASA


Glänzender Verteidiger der Kopernikanischen Lehre

Seine Forschungsergebnisse, mit denen er das ptolomäische Weltsystem der Katholischen Kirche widerlegte, und viele seiner Schriften - nicht wie üblich in Latein publizierte, sondern im breiteren Leserkreisen verständlichen Italienisch - verfolgte ihn die Inquisition mit unverhohlener Feindschaft. Das umso mehr, als Galilei ein glühender Verteidiger des von seinem Zeitgenossen Nikolaus Kopernikus (1473-1543) entwickelten (nach ihm benannten) Weltsystem wurde, mit dem "die Emanzipation der Naturforschung von der Theologie" eingeleitet wurde (Friedrich Engels). Galilei bestätigte die Kopernikanischen Erkenntnisse und ergänzte sie auch, so mit seiner heliozentrischen Lehre, den Auffassungen über den Bau des Planetensystems mit der Sonne im Mittelpunkt der Welt. Nachdem die Kopernikanische Lehre 1616 durch ein Inquisitionsurteil verbannt wurde, schrieb Galilei mit seinen "Dialogen" in Gesprächsform eine glänzende Verteidigung dieses Systems. Er bezeugte, dass er die Bewegung der Erde um die Sonne für wahr hält, und schrieb, nur "stumpfsinnige Mondkälber" könnten daran zweifeln. Ohne Namensnennung (er sprach jedoch in deutlicher Anspielung von einer "überaus erhabenen und gelehrten Persönlichkeit,") attackierte er sogar Papst Urban VIII..


Die halbierte Federzeichnung, die Galileo Galilei vom Mond zeichnete und 1610 im 'Sidereus Nuncius' veröffentlichte, neben einer Photographie der Mondoberfläche in gleichem Ausschnitt und Vergrößerung - Collage: 2005 by ECeDee freigegeben als Public Domain via Wikimedia Commons

Galilei war laut Geschichtsschreibung der erste Mensch, der den Mond durch ein Fernrohr beobachtete und zu der Schlußfolgerung kam: Der Mond hat Krater.
Collage: 2005 by ECeDee freigegeben als Public Domain via Wikimedia Commons


Angriffe auf die bornierte theologische Sicht

Nach diesen vehementen Angriffen auf die bornierte theologische Sicht wurde er nach Rom zitiert, wo er verhaftet, von einem Inquisitionstribunal verhört und gefoltert wurde. Nach Androhung schärfster Tortouren schwor er 1633 seiner Lehre ab. Er wurde dennoch zu einer lebenslangen Kerkerstrafe verurteilt und ihm jegliche Lehrtätigkeit verboten. Das Urteil legte auch fest, dass er drei Jahre lang wöchentlich die sieben Bußpsalmen zu beten hatte.

Seine Schriften zur Kopernikanischen Lehre wurden auf den 1559 vom Papst zur Unterdrückung jeglichen progressiven Gedankengutes geschaffenen Index Librorum Prohibitorum (Liste der verbotenen Bücher) gesetzt, von dem sie erst 1835 gestrichen wurden. Auf diesem Index standen bis Anfang des 20. Jahrhunderts etwa 10.000 Bücher, darunter die Werke von Bruno, Kopernikus und vieler anderer "Ketzer", bis 1827 Kants "Kritik der reinen Vernunft", noch 1961 Jean Paul Satre und Simone de Beauvoir. Überflüssig zu erwähnen, dass kommunistische Werke dazu gehörten. Ein indiziertes Buch durften Katholiken weder lesen noch herausgeben, aufbewahren oder verkaufen.

Den Hausarrest durfte Galilei später auf seinem Landgut in Arcetri bei Florenz verbringen, wo er sein Hauptwerk über die Fall- und Trägheitsgesetze schrieb. Das Manuskript wurde nach Holland geschmuggelt, fand aber erst 1638 einen Verleger. Völlig erblindet arbeitete Galilei bis zu seinem Tod unentwegt weiter. Er verfasste die Kohäsionslehre, beschäftigte sich weiter mit der Pendeluhr und entdeckte die Libration des Mondes. Ein Gnadengesuch lehnte der Papst ab.

Mit seinen wissenschaftlichen Ergebnissen befreite Galilei die Naturwissenschaften von den theologischen Beschränkungen. Mit der Anwendung der Mathematik in seinen Arbeiten wurde diese zu einem Instrument der Naturforschung und er der Begründer der klassischen Naturwissenschaften, darunter vor allem der Physik.


Das Titelblatt von 'Dialogo di Galileo Galilei sopra i due Massimi Sistemi del Mondo Tolemaico e Copernicano' (Dialog von Galileo Galilei über die zwei wichtigsten Weltsysteme, das ptolemäische und das kopernikanische) zeigt Aristoteles, Ptolemäus und Kopernikus im Gespräch. - Foto: freigegeben via Wikimedia Commons als Public Domain

Nachdem die Kopernikanische Lehre 1616 verbannt wurde, schrieb Galilei mit seinen "Dialogen" eine glänzende Verteidigung des Systems. In diesem Buch erklärte Galilei unter anderem auch sein Relativitätsprinzip und seinen Vorschlag zur Bestimmung der Lichtgeschwindigkeit.
Foto: freigegeben via Wikimedia Commons als Public Domain


Bert Brechts Theaterstück "Leben des Galilei"

Bertolt Brecht hat in seinem epischen Theaterstück "Leben des Galilei" (Musik Hans Eisler) am Beispiel des großen italienischen Forschers die Verantwortung des Wissenschaftlers in der Gesellschaft herausgearbeitet. 1943 in Zürich uraufgeführt, hat Brecht 1945 nach den Atombombenabwürfen in Japan mit dem Schauspieler Charles Laughton in Los Angeles eine zweite, englischsprachige Fassung erarbeitet. Ging es in der Erstaufführung um die Auseinandersetzung mit der Macht des Klerus stand nun die Verantwortung des Wissenschaftlers für die Verwertung seiner Erkenntnisse im Vordergrund.

Im Oktober 1992 verkündete Papst Johannes Paul II. für Galilei anlässlich seines 350. Todestages eine bedingte Rehabilitation. Bedingt deshalb, weil der Papst die Inquisition noch immer rechtfertigte, in dem er ihr bescheinigte, "in gutem Glauben" und "aus Sorge um die Kirche" gehandelt und dabei "einen tragischen Fehler" begangen zu haben. Der für seinen Fanatismus bekannte polnische Papst hatte die Stirn, das Urteil als ein "tragisches wechselseitiges Missverständnis" zwischen dem Pisaer Wissenschaftler und den Richtern der Inquisition zu bezeichnen. Der unschuldig verurteilte Galilei wurde so mit verantwortlich gemacht. Kein Wort der Rehabilitation oder des Gedenkens fiel für die Millionen Opfer der Inquisition, kein Wort der Verurteilung der jahrhundertelangen Unterdrückung der Glaubens- und Gewissensfreiheit, des Fortschritts wissenschaftlichen Denkens und der Emanzipation des Menschen.


Weltweite Ehrungen

Weltweit erhielt der geniale Naturwissenschaftler zahlreiche Ehrungen: 1935 wurden die Mondkrater im "Ozean der Stürme" nach ihm benannt; Die NASA taufte ihr 1989 gestartetes Raumfahrzeug zur Erforschung des Jupiter und seiner Monde nach ihm; seinen Namen trägt das europäische Satelliten-Navigationssystem, mit dem die US-amerikanische Vorherrschaft des Global Positioning System (GPS) gebrochen werden soll; in seiner Heimatstadt Pisa trägt der Flughafen seinen Namen.


Im 7. Bild begleitet der Zuschauer Galilei (Wolfgang Heinz) bei einem Besuch im Kardinalspalast Bellarmins, wo gerade ein Ball im Gange ist. Die Ballgäste sind alle maskiert. Mit den Maskierungen der Anwesenden spielt Brecht auf Verschleierung und Heuchelei in den kirchlichen Reihen an. Am 5.10.71 hat das Berliner Ensemble mit dem 'Leben des Galileo Galilei' unter der Regie von Fritz Bennewitz Premiere. - Foto: 1971 by Katscherowski (verehel. Stark), Bundesarchiv, Bild 183-K1005-0020, freigegeben via Wikimedia Commons als CC-BY-SA-3.0 Germany Lizenz

In der neuen Fassung des "Leben des Galilei" geht es weniger um die Macht der Kirche, als um die Frage nach der Verwertbarkeit von Wissen und der Verantwortung des Wissenschaftlers in der Gesellschaft.
Foto: 1971 by Katscherowski (verehel. Stark), Bundesarchiv, Bild 183-K1005-0020, freigegeben via Wikimedia Commons als CC-BY-SA-3.0 Germany Lizenz

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Quelle:
© 2014 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Februar 2014