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NEUZEIT/153: Italien - Die verkannte Gefahr (jW)


junge Welt - Die Tageszeitung - Ausgabe vom 23. Juni 2008

Die verkannte Gefahr
Bruchstellen in der Geschichte der italienischen Kommunisten.
Die Haltung zum Faschismus: 1920/21, 1945, in den 70er Jahren, 1994 bis heute

Von Gerhard Feldbauer


Der Sieg Silvio Berlusconis mit AN-Faschisten und Lega-Rassisten zwingt, über die Ursachen der Niederlage der Regenbogenlinken in Italien nachzudenken. Eine besteht in der Verharmlosung bzw. Fehleinschätzung der von der Koalition Berlusconis ausgegangenen und weiter ausgehenden faschistischen und rassistischen Gefahr auch durch den Partito della Rifondazione Comunista (PRC). Das kam vor allem in der Gleichsetzung der Regierungen Berlusconis mit den früheren rechten Zentrumsregierungen (Centro Destra) zum Ausdruck.(1) Es wurde die Binsenwahrheit mißachtet, daß Faschisten keine gewöhnlichen Rechten sind.

Mancher Leser wird es kaum für möglich halten, daß den italienischen Kommunisten, die entscheidend 1943 den Sturz Mussolinis bewirkten und mit der Verwirklichung der antifaschistischen Einheitsfront herausragend zum Sieg über die Hitlerwehrmacht und ihre italienischen Vasallen beitrugen, gerade gegenüber dem Faschismus gravierende Fehler unterliefen. Und doch offenbart ein Blick in die Geschichte, daß das Einschätzen des Übergangs herrschender Kreise zu faschistischen Herrschaftsformen eine Schwachstelle bereits 1921 bei der IKP-Gründung darstellte.

Als 1920 in Italien die revolutionären Nachkriegskämpfe zum Sturz der kapitalistischen Ordnung zu führen drohten, fehlte dem italienischen Imperialismus ein die Sozialistische Partei (ISP) beherrschender reformistischer Flügel, der wie in Deutschland diese Erhebung niederschlagen konnte. Das machte den Faschismus in Italien früher als in Deutschland zu der Kraft, in der Großkapital und Latifundistas den Garanten ihrer Existenz sahen und der sie an die Macht verhalfen.


Getarnter Faschismus

Es schlug die Stunde des Benito Mussolini, der im März 1919 Kampfbünde gründete, aus denen im November 1921 die faschistische Partei hervorging. In der ISP wurde nicht erkannt, daß damit eine neue, auf offene terroristische Gewalt setzende Interessenorganisation führender imperialistischer Kreise auf den Plan trat. Viele Sozialisten meinten, der künftige "Duce", der mehrere Jahre führende Positionen in der ISP innegehabt hatte, gründe eine neue sozialrevolutionäre Organisation. Hinzu kam, daß die von Mussolini nach dem "Marsch auf Rom" im Oktober 1922 gebildete Regierung formal gesehen noch keine rein faschistische Exekutive war. Die Faschisten besetzten nur vier der 15 Kabinettsressorts. Weitere vier Minister stellten am Putsch beteiligte Militärs und enge Gefolgsleute Mussolinis, die später seiner Partei beitraten. Die restlichen Minister kamen aus den bürgerlichen Parteien, die dem - seinem Charakter nach - faschistischen Kabinett ein parlamentarisch verbrämtes, bürgerlich-demokratisches Mäntelchen verschafften. Dazu trug ferner bei, daß die Parteien formal weiterbestanden, wenn auch die antifaschistische Opposition, vor allem die Kommunisten, weiterhin verfolgt wurde und der Terror anhielt.(2)

Auch die im Januar 1921 gegründete IKP (Partito Comunista Italiano - PCI) erkannte den faschistischen Charakter der Mussolini-Regierung zunächst nicht und betrachtete sie als eine zwar mit verschärften Repressionsmethoden gegen die Arbeiterbewegung vorgehende, aber herkömmliche bürgerliche Exekutive. Nur Gramsci sah im Faschismus nicht die einzige Herrschaftsform des Kapitals, jedoch eine "degenerierte Kraft der Bourgeoisie", eine "bewaffnete Garantie des Klassenstaates".(3)

Mit seiner Analyse des Faschismus und der daraus abgeleiteten antifaschistischen Bündniskonzeption setzte sich Gramsci nach harten Auseinandersetzungen erst 1926 auf dem illegal in Lyon tagenden Parteitag durch. Er zeigte die Widersprüche innerhalb der herrschenden Kreise auf und formulierte, daß der "Faschismus als Instrument einer Industrie-Agrar-Oligarchie (handelt), um in den Händen des Kapitals die Kontrolle des gesamten Reichtums des Landes zu konzentrieren".


Verhängnisvolle Kompromisse

Im April/Mai 1945, ging die IKP aus dem über zwei Jahrzehnte währenden antifaschistischen Widerstand, dessen Abschluß die Resistenza, der bewaffnete nationale Befreiungskampf gegen den Faschismus bildete, mit über zwei Millionen Mitgliedern als eine politisch einflußreiche Kraft hervor. Sie verfügte über entscheidende Positionen in der über 250 000 reguläre Kämpfer zählenden Partisanenarmee. Gegen die von ihr zusammen mit der ISP verfolgte antifaschistisch-demokratische Umwälzung, die das Eigentum des Großkapitals und der Großagrarier beschneiden sollte, trat sofort die innere Reaktion zusammen mit der US-Besatzungsmacht auf den Plan, die dazu die eben geschlagenen Faschisten mobilisierten.

Diese konnten bereits im August 1945 eine Sammlungsbewegung Uòmo Qualunque (Jedermann) bilden, die mit Unterstützung einflußreicher Finanzkreise eine gleichnamige Tageszeitung mit über 100000 Exemplaren und massenweise Broschüren und Flugblätter verbreitete. Die Bewegung wurde zu den Wahlen zur Verfassungsgebenden Versammlung im Juni 1946 zugelassen und erreichte mit über 1,2 Millionen Wählern einen Stimmenanteil von 5,3 Prozent. Parallel dazu konnten sich zahlreiche zumeist paramilitärische faschistische Organisationen formieren. Am 26. Dezember 1946 fand die Reorganisation des Faschismus mit der Wiedergründung der faschistischen Partei in Gestalt des Movimento Sociale Italiano (MSI), der zu seinem Nationalsekretär den früheren Staatssekretär des "Duce", Giorgio Almirante, erkor, ihren Abschluß. Almirante war maßgeblicher Begründer von Mussolinis Rassengesetzen gewesen und hatte noch kurz vor Kriegsende einen Genickschußerlaß gegen Partisanen verfügt.

Um die im Kampf gegen Hitlerdeutschland entstandene Einheitsregierung zu erhalten und für die antifaschistisch-demokratische Umgestaltung zu gewinnen, wich die IKP oft vor dem Druck der Christdemokraten (DC) zurück und ging nicht wenige verhängnisvolle Kompromisse ein, welche zugleich das Wiedererstehen des Faschismus begünstigten. IKP-Generalsekretär Palmiro Togliatti stimmte als Justizminister der Auflösung des "Hohen Kommissariats zur Verfolgung der Regimeverbrecher" und einer sogenannten Amnestie der nationalen Versöhnung zu, die zu einer Revision der über 10000 ergangenen Urteile gegen Faschisten führte. Zu den Freigelassenen gehörte beispielsweise der wegen der Ermordung von mindestens 800 Partisanen als Kriegsverbrecher verurteilte Fürst Valerio Borghese, der Vorsitzender des MSI wurde. Gegenüber den kleinen Parteigängern des Regimes war eine "nationale Versöhnung" gerechtfertigt. An den von der IKP dazu organisierten Kundgebungen nahmen jedoch auch höchste Amtsträger des Faschismus, wie der ehemalige Minister der Salò-Republik (4), Maria Gray, teil. Das verunsicherte nicht nur die Basis der IKP, sondern die zur Resistenza stehenden Kräfte insgesamt. Wie Gray blieben viele andere Faschisten der ersten Garnitur unbelehrbar und traten dem MSI sofort nach seiner Gründung bei.

Die IKP stimmte nach der Eröffnung der Verfassungsgebenden Versammlung am 25. Juni 1946 zu, dieser keine gesetzgebende Kompetenz zu übertragen, sondern diese bei der Regierung zu belassen. Als der Christdemokrat Alcide De Gasperi IKP und ISP dann im Mai 1947 aus der Regierung vertrieb, konnte die DC mit ihren Verbündeten bei der Gesetzgebung schalten und walten, wie sie wollte. In der Konstituante stimmte die IKP für die Sanktionierung der 1929 geschlossenen Lateranverträge, was den Klerus und die rechte DC-Fraktion stärkte. Das Konkordat hatte zum Konsens der Massen mit dem Faschismus beigetragen und seiner Diktatur gegenüber den Katholiken den Charakter einer von Gott gewollten Ordnung verliehen. Seine Anerkennung bedeutete, den antifaschistischen Widerstand im nachhinein herabzusetzen, und gab der Opposition gegen antifaschistisch-demokratische Veränderungen Auftrieb. ISP-Vorsitzender Pietro Nenni vermerkte, Togliatti habe gehofft, "zehn, zwanzig Jahre der Zusammenarbeit mit der Democrazia Cristiana zu retten".(5) Togliatti hatte beim Konkordat - wie in anderen Fragen auch - jedoch einer Erpressung durch die DC nachgegeben. Die hatte gedroht, im Falle einer Ablehnung der IKP, deren Stimmen für die Annahme gebraucht wurden, ein neues Referendum über die Republik einzuberufen.


Im Schatten von Jalta

Im Dezember 1945 trat Ferrucio Parri von der revolutionär-demokratischen Aktionspartei aus Protest gegen die Tolerierung der antidemokratischen Vorgänge als Ministerpräsident zurück. Er wollte den Weg zur Berufung Pietro Nennis freimachen. Die DC lehnte diesen jedoch ab. Obwohl es danach möglich gewesen wäre, Parri erneut zu berufen, beugte sich die IKP der DC und stimmte für De Gasperi. Nenni wurde Vizepremier.

Die Partei nahm ebenso die von De Gasperi angeordnete Auflösung der Partisanenarmee hin und gab damit das wichtigste Machtinstrument des Nationalen Befreiungskomitees (CLN) und seiner Verwaltungen in Nord- und teilweise Mittelitalien preis. Entgegen der 1944 getroffenen Vereinbarung der Einheitsregierung wurden keine Partisaneneinheiten in die Armee der Republik übernommen.(6)

In diesem Zurückweichen zeigten sich später an Boden gewinnende rechtsopportunistische Tendenzen. Luigi Longo, Stellvertreter Togliattis, warnte vor zu weit gehenden Kompromissen sowie der Überschätzung der parlamentarischen Möglichkeiten und forderte, die Massen gegen den wieder erstehenden Faschismus und die hinter ihm stehenden Magnaten der Industrie, der Finanz und des Großgrundbesitzes zu mobilisieren und "gegen die Reaktion zu marschieren".(7) Togliatti räumte dazu ein, daß in vielen Fragen "eine Mobilisierung der Massen" durch die Partei nicht erfolgt sei. Bezeichnenderweise wurden diese Einschätzungen seinerzeit nicht veröffentlicht, sondern erst 16 Jahre später in der Rinascita publiziert.(8)

In diesem Kontext ist jedoch auch zu sehen, daß Togliatti ein führender Mann im Exekutivkomitee der 1943 aufgelösten Kommunistischen Internationale (EKKI) und Stellvertreter Georgi Dimitroffs war. Togliatti handelte zweifelsohne in Absprache und Übereinstimmung mit Stalin, wenn er nach dem Sieg über den Faschismus den parlamentarischen Weg einschlug und versuchte, im Geiste von Jalta ein möglichst breites antifaschistisches Bündnis fortzusetzen, um zur Erhaltung der Grundprinzipien der Antihitlerkoalition beizutragen.


NATO als Schutzschild

1971 begann Enrico Berlinguer (9) seine Konzeption der Regierungszusammenarbeit mit der DC, später "historischer Kompromiß" genannt, zu entwickeln. Auf der Grundlage der reformistischen Strömung des Eurokommunismus ging es ihm im Rahmen einer "demokratischen Wende" um "die Überwindung der Klassenschranken" durch die Zusammenarbeit von Kommunisten, Sozialisten und Christdemokraten. Nach dem Putsch Pinochets in Chile wurde die Regierungszusammenarbeit vor allem mit dem Kampf gegen die faschistische Gefahr begründet. Als die IKP 1976 bei den Parlamentswahlen 33,8 Prozent erreichte, trat der Kompromiß in sein Endstadium.

Es kam jedoch zu keinen konkreten Vereinbarungen, wie der faschistischen Gefahr Einhalt geboten werden sollte. Es hätte beispielsweise darum gehen müssen, das in der Verfassung festgeschriebene Verbot der Wiedergründung der Mussolini-Partei in Gestalt des MSI durchzusetzen, den Staatsapparat, besonders Armee und Geheimdienste, von faschistischen Elementen zu säubern. Die offen faschistische Propaganda, darunter Aufrufe zum Sturz der verfassungsmäßigen Ordnung, die das MSI unter der Parole einer "chilenischen Lösung" für Italien betrieb, hätte so verboten werden können. Nichts dergleichen wurde jedoch vereinbart.

Die IKP anerkannte die kapitalistische Marktwirtschaft und das bürgerliche Staatsmodell, für das sie lediglich eine "demokratische Transformation" forderte. Berlinguer erklärte, die Bündnisverpflichtungen Italiens zu respektieren und bekundete obendrein, die NATO eigne sich unter bestimmten Voraussetzungen als "Schutzschild" eines italienischen Weges zum Sozialismus.(10)

Nachdem im März 1978 eine DC-geführte Regierung mit parlamentarischer Unterstützung der IKP ihr Amt angetreten hatte, wurde der DC-Vorsitzende Aldo Moro, Berlinguers Partner der Regierungszusammenarbeit, in einem von der CIA, ihrer Putschloge P2 und des NATO-Geheimkommandos Gladio inszenierten Komplott, als dessen Ausführende die von den Geheimdiensten unterwanderten "Roten Brigaden" agierten, umgebracht (siehe jW v. 3./4.5., S. 15). Um den "historischen Kompromiß" fortzusetzen, tolerierte die IKP dieses Szenario und lieferte ihren Partner Moro kaltblütig dem Tod aus. Die bis Frühjahr 1979 währende Regierungszusammenarbeit führte zu keiner demokratischen, sondern einer reaktionären Wende, die bis in die Gegenwart reicht und den Hitler-Bewunderer Berlusconi mit den AN-Faschisten und Lega-Rassisten 1994 an die Regierung brachte.


Berlusconi-Regierung verharmlost

1991 wandelten die Reformisten die IKP in die Linkspartei um, die sich 2007 mit der katholischen Zentrumspartei Margherita zusammenschloß. Ein Drittel der Delegierten lehnte diese Liquidierung der IKP ab und gründete eine neue KP, den PRC. Da keine klare Abrechnung mit dem opportunistischen Erbe der IKP erfolgte, schleppte die Neugründung diesen ideologischen Ballast mit sich, und mit ihm drohte eine erneute Unterschätzung bzw. Verharmlosung der faschistischen und durch die 1991 gegründete Lega Nord verkörperten rassistischen Gefahr.

Il Manifesto charakterisierte am 15. Mai 1994 das Berlusconi-Kabinett als "Governo néro" (schwarze Regierung). "Faschisten und Monarchisten, Lega-Leute und christdemokratischer Schrott, Industrielle, Anwälte und Manager der Fininvest (Berlusconis Multiunternehmen) sind die Minister der Berlusconi-Regierung. Eine komplette Regierung der extremen Rechten." Zwar zog PRC-Sekretär Fausto Bertinotti zwei Tage später nach und bezeichnete die Exekutive in der Liberazione als "Regierung der P2". Eine fundierte Enthüllung ihres profaschistischen Charakters unterblieb jedoch, auch in der Folgezeit. Obwohl Publizisten wie Ruggeri und Guarino (11) Berlusconis Rolle als Mitglied des Dreierdirektoriums der faschistischen Putschloge P2 und deren Funktion beim Aufbau seines Medienimperiums enthüllten, wurde sich damit kaum auseinandergesetzt. Die Verharmlosung der Berlusconi-Koalition als rechtes Zentrum wurde fortgesetzt.

Nach dem Intermezzo einer linken Zentrumsregierung von 1996 bis 2001 erzielte Berlusconi einen neuen Wahlsieg. Bereits im Juli folgten während des G-8-Gipfels in Genua die europaweit bekannt gewordenen blutigen faschistischen Ausschreitungen mit Mißhandlungen von Festgenommenen, die unter Hitler- und Mussolini-Bildern "Viva il Duce" rufen mußten. Massendemonstrationen, an deren Spitze der PRC stand, verhinderten, daß Berlusconi diesen Terror zur Niederhaltung des Volkswiderstandes fortsetzen und ausweiten konnte. Dem PRC gebührt auch das Verdienst, dem Demokratie- und Sozialaubbau entgegengetreten zu sein und die Etablierung eines Präsidialregimes verhindert zu haben. Eine an Gramsci orientierte Analyse des faschistoiden und autoritären Stils der Berlusconi-Regierung, deren Charakter maßgeblich die Faschisten der 1994/95 in Alleanza Nazionale (AN) umgetauften Mussolini-Nachfolgerpartei MSI mit früheren SS-Offizieren als Ministern bestimmten, fehlt jedoch seitens des PRC bis heute. Warnungen wie die der Schriftsteller Dario Fo, Umberto Eco oder Antonio Tabucchi vor den Gefahren eines neuzeitlichen, demokratisch verbrämten faschistischen Regimes unter parlamentarischen Bedingungen wurden nicht aufgegriffen, Ergebnisse von Faschismusforschern nicht beachtet. Domenico Losurdo mahnte schon vor Jahren in einer Studie über "Die neuen Hitler" eine "konkrete Analyse", an.(12)


Wie vor 1922 und 1933

Die Folgen dieser seit 1945 immer wieder unterschätzten und verharmlosten faschistischen Gefahr sind offensichtlich: Die vorgeblich rechte Zentrumsregierung läßt heute Sinti- und Roma-Lager stürmen; Berlusconi plant Regierungsdekrete im Geiste der 1938 von Mussolini eingeführten Rassengesetze, die wieder den "Begriff der Rasse" und die Nominierung eines "Sonderbeauftragten für Roma und Sinti" vorsehen; Lega-Chef Umberto Bossi droht, seine Anhänger "an die Gewehre zu rufen", um auf die "römischen Schurken", womit die Linken gemeint sind, anzulegen; dieser Rassist verkündet, es sei leider "leichter, Ratten zu vernichten als Zigeuner auszurotten"; Minister der Lega fordern, illegale Einwanderer in Gefangenenlager zu sperren, die Marine soll das Feuer auf Flüchtlingsboote eröffnen. Die Enkelin des Diktators, Alessandra Mussolini, feierte im April 2008 mit Tausenden Anhängern mit Führergruß und Sieg-Heil-Rufen den Einzug des AN-Faschisten Gianni Alemanno ins Bürgermeisteramt von Rom. Derselbe Alemanno kündigt an, in Rom eine Straße nach Giorgio Almirante, dem 1988 verstorbenen MSI-Gründer, zu benennen.

Das alles sind Verfassungswidrigkeiten, gegen welche die Justiz sofort einschreiten müßte. Nach der Verfassung hätte der Staatspräsident, der frühere Kommunist bzw. Linksdemokrat Giorgio Napolitano, die Berufung aller Lega-Minister ablehnen müssen. Daß nichts dergleichen geschieht, zeugt von einem ungeheuerlichen Verfall bürgerlicher Demokratie, wie er auch dem Machtantritt der Faschisten 1922 unter Mussolini und 1933 unter Hitler vorausging.


Anmerkungen:

(1) Bis Anfang der 90er Jahre von der DC mit Liberalen und
     Sozialdemokraten gebildete Regierungen. Die seit den 60er Jahren von
     der DC mit Sozialisten und Republikanern formierten Regierungen
     wurden Centro sinistra (Linkes Zentrum/Linke Mitte) genannt.
(2) Dieses auch bei der Berlusconi-Regierung vorhandene demokratische
     Outfit, das besonders in der Regierungsbeteiligung von
     DC-Nachfolgerparteien zum Ausdruck kam, wurde zur Negierung ihres
     profaschistischen und rassistischen Charakters benutzt.
(3) zit. n. Palmiro Togliatti: Reden und Schriften, Frankfurt/M. 1967,
     S. 191; Luigi Longo/Carlo Salinari: Tra Reazione e Rivoluzione, Mailand 1972, S. 120 f.
(4) Von 1943 bis 1945 war Saló die Hauptstadt der Reppublica Sociale
     Italiana von Mussolini unter der militärischen Protektion Deutschlands - d. Red.
(5) Pietro Nenni: Tempo di Guerra fredda, Mailand 1981, S.349.
(6) La nostra Lotta, Nr. 9, Mai /1944.
(7) Storia del PCI. Attraverso i Congressi, Rom 1977, S. 108 ff., 320 f.
(8) Nr. 33/1972
(9) Er war zu dieser Zeit stellvertretender Generalsekretär. Auf dem
     13. Parteitag im März 1972 löste er Longo, nach dem Tod Togliattis
     seit 1964 Generalsekretär, ab.
(10) Corriere della Séra, 15. Juni 1976
(11) Giovanni Ruggeri, Mario Guarino: Berlusconi. Inchiesa sul Signor TV. Mailand 1994
(12) Veröffentlicht in Marxistische Blätter, H. 4, 2000


Von unserem Autor erscheint im Juli "Geschichte Italiens. Vom Risorgimento bis heute".
Papyrossa Verlag, Köln. Etwa 360 Seiten, brosch., Euro 19,90, ISBN 978-3-89438-386-2


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Quelle:
junge Welt vom 23.06.2008
mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Redaktion
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Juni 2008